Verdacht gegen Sarasin-Bank:In der Millionenfalle

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Nach der Pleite des deutschen Öko-Imperiums Windreich kommt ein schwerer Verdacht auf: Mitarbeiter der Schweizer Bank Sarasin sollen SZ-Informationen zufolge Kunden erst riskante Anlagen angedreht und dann auch noch die Insolvenz ausgelöst haben.

Von Markus Balser, Berlin, und Klaus Ott

Der rasante Absturz beginnt in luftiger Höhe. Windreich-Chef und Hobbypilot Willi Balz erinnert sich gut an den Abend im August 2013, der seine Welt in ein Trümmerfeld verwandelt hat. Balz kommt von einer Dienstreise an die Nordsee zurück; es geht um den nächsten Windpark vor Borkum. Kurz vor der Landung kommt es zu heftigen Turbulenzen, erzählt Balz: Ein gelber Umschlag vom Insolvenzgericht sei in der Firma gelandet, funkten Mitarbeiter ins Cockpit. Die Post hat es in sich, sowohl für Balz als auch für Tausende Anleger des Windparkbauers. Sie läutet das vorläufige Ende des Ökoimperiums ein.

Ein unbekannter Windreich-Gläubiger hat für die bereits angeschlagene Firma einen Insolvenzantrag gestellt. Es ist beileibe kein kleiner Krauter, der damit am Abgrund steht: Windreich ist eine große Nummer im Meeresmonopoly. 35 Prozent aller Flächen in der Nordsee hat sich die Firma für Windparks gesichert, deutlich vor Energiekonzernen wie Eon oder RWE.

Damit nimmt eine der größten Pleiten für grüne Geldanlagen in Deutschland ihren Lauf. Tausende Anleger haben mehr als 120 Millionen Euro in den Hoffnungswert gesteckt. Noch ein paar Tage kann Balz den Exodus im vergangenen Jahr aufhalten. Doch Anfang September wird ein zweiter Insolvenzantrag amtlich. So beginnt das Drama um Windreich. So beginnt aber offenbar auch eine Geschichte über Gier in der Finanzwelt, die in diesen Tagen zum Krimi wird. Der Plot dreht sich um das große Geld, gezinkte Karten und ein unglaubliches Finale.

Ins Zentrum der Geschichte rückt ein altehrwürdiges Schweizer Finanzinstitut, das als besonders fleißig beim Vertrieb der Windreich-Anleihen galt. Die 1841 gegründete Privatbank Sarasin, die seit der Übernahme durch brasilianische Investoren nun Safra Sarasin heißt und noch immer zu den ersten Adressen in der Schweiz zählt. Doch eine aktuelle Beschwerde von Anlegern beim Ombudsmann der deutschen Banken lässt das Haus mit dem seriösen Image in anderem Licht erscheinen. Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Stimmen die Verdächtigungen, stehen Mitarbeiter dieses feinen Bankhauses plötzlich wie Drückerkolonnen da.

Die Schieflage hätte der Bank klar sein müssen

Der Münchener Anwalt Klaus Rotter vertritt im Fall Windreich mehr als ein Dutzend Mandanten, die sich von der Bank Sarasin hintergangen fühlen, auch von deren deutscher Tochter. Der Grund des Ärgers: Auf Betreiben des Instituts seien den Anlegern Windreich-Anleihen ins Depot gebucht worden; unabhängig davon, welche Investmentstrategie diese Kunden überhaupt verfolgt hätten. Die Bank warb offenbar so viel Geld für Windreich ein, wie irgend möglich. Nicht Anleihen von Siemens oder VW - die Papiere des Windpioniers aus der Nähe von Stuttgart machten plötzlich teils einen sechsstelligen Betrag in Depots aus, in Einzelfällen sogar bis zu 40 Prozent des Gesamtportfolios. Dass Windreich dabei war, in Schieflage zu geraten, hätte der Bank damals längst klar sein müssen, vermuten die Investoren.

Warnungen? Fehlanzeige. Die Bank Sarasin hätte die Anleger doch wenigstens darauf hinweisen müssen, in welch kritischer wirtschaftlicher Lage sich die Windreich AG zum Zeitpunkt der Empfehlung befand, heißt es in der Beschwerde. Zumal besorgten Anlegern für ihr Geld noch schriftlich versprochen worden war: "Sicherheit geht vor Ertrag."

Doch von Vorsicht keine Spur. Das Geschäft ging munter weiter. So weit, dass Anwalt Rotter hinter den aggressiven Empfehlungen der Bank System vermutet. Vertriebsmitarbeiter in Deutschland hätten die Vorgabe gehabt, die Anleihen Kunden unbedingt zu vermitteln, heißt es in der Beschwerde weiter.

Nur: Warum eigentlich?

Anleger vermuten hinter der hektischen Aktivität massive eigene Interessen der Banker. Was Anleger nicht wussten: Der Verkauf der Anleihen war nicht die einzige Beziehung der Bank zum Unternehmen Windreich. Siebzig Millionen Euro hatte Sarasin der Firma per Darlehen geliehen. Besser also, die Geschäfte von Windreich gingen weiter. Wie sollte sonst der Kredit zurückgezahlt werden?

Für Sarasin soll sich das Einwerben der Kundengelder aber auch aus anderen Gründen rentiert haben. Sarasin habe sich für den Vertrieb der Anleihen "Provisionen gewähren lassen", heißt es in der Beschwerde der Anleger. Diese seien dann jedoch nicht als Provisionen, sondern anderweitig verrechnet worden. Dabei hatten sich vorsichtige Anleger noch schriftlich versichern lassen, dass die Bank keinerlei Provisionen für die von ihr empfohlenen Anlagen bekomme, "um von vornherein Interessenskollisionen zu vermeiden".

Eine Bank, die einem Unternehmen Millionenkredite zuschanzt und Anlegern gleichzeitig im großen Stil dessen Anleihen ins Depot bucht? Eine Bank, die dafür verborgene Provisionen erhalten haben soll, gar vom Unternehmen, das so dringend Geld braucht? Schon das wäre wohl ein einmaliger Vorgang in der Finanzwelt, aber die letzte Pointe im Fall Windreich ist das noch nicht.

Nach Angaben aus Unternehmenskreisen soll die Bank nicht nur bei der Finanzierung von Windreich eine maßgebliche Rolle gespielt haben, sondern auch beim drohenden Untergang der Firma. Der unbekannte Gläubiger, der im August 2013 als erster Insolvenzantrag stellte, soll ausgerechnet die Bank Sarasin gewesen sein. Ein Antrag, der aus Sicht von Gründer Balz ein unnötiger Genickschlag war: "Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags hatten wir eine Brückenfinanzierung von 25 Millionen Euro besiegelt", sagt Balz. Der Verkauf eines Windparks habe sich abgezeichnet. "Windreich hatte beste Chancen, zu überleben", glaubt Balz.

Stimmen die Vorwürfe, dann hätte ausgerechnet die Bank, die ihre Anleger im großen Stil in Windreich-Investments getrieben haben soll, maßgeblichen Anteil an der Pleite. Warum um alles in der Welt, fragen sich selbst betroffene Anleger, sollte eine Bank das mit einer Firma tun, deren Überleben zumindest möglich schien?

"Mein Lebenswerk ist zerstört"

Finanzexperten haben für diesen Verdacht ein einfache Erklärung: Die Bank könne als Gläubiger bei einer Insolvenz leichter an ihr Geld kommen als bei einer zähen und langwierigen Sanierung. Sie werde in diesem Fall besser gestellt als jene Anleger, denen sie Anleihen vermittelt habe. Die Rückzahlung des Darlehens sei angesichts der Vermögenslage von Windreich so gut wie sicher. Die Anleger hingegen müssten nun zittern.

Sarasin wollte einen Fragenkatalog der SZ zu den Vorwürfen nicht kommentieren. Balz bestreitet, dass Windreich beim Vertrieb der Anleihen mit Provisionen nachgeholfen habe: "Windreich hat an Sarasin keine Provisionen gezahlt." Es sei auch nichts dergleichen "anderweitig verrechnet worden", erklärt Balz.

Die Ereignisse um die Bank und die Öko-Firma könnten ein juristisches Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen der Windreich-Pleite. Und angeblich hintergangene Anleger verlangen Schadenersatz von Sarasin. Die ersten 15 Bank-Kunden machen allein 1,3 Millionen Euro geltend. Sollte Sarasin einen Vergleich ablehnen, dann will Anwalt Rotter im Sommer einen Musterprozess starten. Die geforderte Schadensersatzsumme könne sich bis dahin noch deutlich erhöhen, sagt Rotter.

Was auch immer bei der Justiz herauskäme, Firmengründer Balz kann auf die Zukunft von Windreich nur hoffen. Ihm schwant: "Mein Lebenswerk ist zerstört."

© SZ vom 17.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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