US-Wahl:Generalbankmeister gesucht

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Wer wird neuer US-Finanzminister? Manche glauben, dass Amtsinhaber Paulson zur Sicherheit vorerst bleiben sollte.

Nikolaus Piper

Henry Paulson ist in diesen Tagen der wichtigste Mann in Washington. Präsident George Bush ist im Strudel der Finanzkrise kaum noch wahrnehmbar, dafür bestimmt sein Finanzminister den Kurs. Paulson, 62, führt als eine Art Generalbankmeister den gesamten Finanzsektor der Vereinigten Staaten und ist oberster Koordinator für die internationale Krisenpolitik. Von ihm - und von seinem Nachfolger - hängt ab, wie gut Amerika und der Rest der Welt aus der Krise kommen.

Wer wird neuer US-Präsident? Und wie sieht sein Kabinett aus? Die Antwort steht - noch - in den Sternen. (Foto: Foto: AFP)

Aber wer wird dieser Nachfolger, wenn am 20. Januar der neu gewählte 44. Präsident der USA sein Amt antritt? Das ist derzeit eines der beliebtesten Themen in den Gerüchteküchen von Washington und New York.

Für den Fall eines Wahlsieges von Barack Obama gab es zuletzt zwei heiße Kandidaten: Timothy Geithner und Jamie Dimon. Der 47-jährige Geithner ist Präsident der Federal Reserve Bank of New York. Qua Amt gehört er damit dem Offenmarktausschuss der Federal Reserve an und ist zuständig für den direkten Kontakt der Notenbank zu den Finanzmärkten.

Bewusste Lehman-Pleite

Faktisch hat Geithner während der vergangenen 15 Monate zusammen mit Notenbank-Präsident Ben Bernanke und Finanzminister Paulson den Kurs des Krisenmanagements bestimmt. Nach allgemeinem Konsens machte er dabei fast alles richtig - bis auf ein einziges Mal: Es war am 14. September vermutlich seine Entscheidung, Lehman Brothers die Staatshilfe zu verweigern und untergehen zu lassen. Mit der Lehman-Pleite begann die katastrophale Abwärtsspirale auf den Finanzmärkten.

Die Frage ist: Wird Obama jemanden nehmen, dem ein Fehler von historischer Dimension unterlaufen ist, auch wenn der einer der besten Experten bleibt? Geithner ist ein Zögling des früheren Finanzministers Robert Rubin, heute graue Eminenz im Verwaltungsrat der angeschlagenen Bank Citigroup. Unter ihm und dem Nachfolger Larry Summers war er von 1999 bis 2001 Staatssekretär für internationale Angelegenheiten.

Kandidat Nummer zwei ist Jamie Dimon, 52, der Chef der Großbank JP Morgan Chase und einer der Gewinner der Krise. Er führte seine Bank bisher so gut durch das Finanzchaos, dass er die Investmentbank Bear Stearns und die Sparkasse Washington Mutual zu Spottpreisen kaufen konnte. Trotz Krise sind die Beziehungen der Demokraten zur Wall Street unverändert gut. Dimon stand der Partei immer nahe und unterstützte im Vorwahlkampf Hillary Clinton.

"Nation von Jammerern"

Weniger wahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen sind ein paar andere Kandidaten: Senator Christopher Dodd, 64, aus Connecticut, der Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat, die Berkeley-Ökonomin Laura Tyson, 61, oder sogar Michael Bloomberg. Der New Yorker Bürgermeister hat zwar gerade durchgesetzt, dass er für eine dritte Amtszeit kandidieren darf, strebt aber andererseits schon lange nach Washington, und seine Beziehungen zu Obama sind gut.

Auch Robert Rubin und Larry Summers werden gelegentlich genannt. Rubin sanierte unter Präsident Bill Clinton erfolgreich den Staatshaushalt, er ließ aber danach bei Citi die Dinge schleifen und ist mit 70 Jahren relativ alt. Summers, 54, gehört zu den international einflussreichsten Ökonomen, macht sich aber immer wieder durch kontroverse Äußerungen unbeliebt. 2006 wurde er als Harvard-Präsident zum Rücktritt gezwungen, nachdem er die Eignung von Frauen für akademische Karrieren in Zweifel gezogen hatte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Kandidaten John McCain favorisiert.

Sollte John McCain die Wahl gewinnen, wäre ein Kandidat Senator Phil Gramm, 66, aus Texas. Der konservative Republikaner unterstützte McCain im Wahlkampf und kämpft seit Jahren für einen ausgeglichenen Haushalt. Gegen ihn spricht, dass unter anderem wegen ihm in den neunziger Jahren ein Gesetz zur Regulierung komplexer Finanzprodukte scheiterte. Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman rief Gramm "Hohepriester der Deregulierung". Schließlich brachte Gramm McCains Wahlkampf durcheinander, als er die Wirtschaftskrise als "mentale Rezession" bezeichnete und fand, die Amerikaner seien eine "Nation von Jammerern".

Die frühere HP-Chefin Carly Fiorina könnte möglicherweise schon bald den Posten der Finanzministerin übernehmen. (Foto: Foto: Reuters)

Andere Namen, die in diesen Tagen genannt werden, klingen wenig überzeugend: Meg Whitman, 52, die frühere Chefin von Ebay, etwa oder John Chambers, 59, der Chef des Telekommunikationskonzerns Cisco. McCain hatte die Namen nach dem Wahlparteitag der Republikaner selbst ins Spiel gebracht, aber weder Whitman noch Chambers haben Erfahrungen auf dem Finanzsektor. Näher läge daher John Thain, 53, Ex-Chef der New York Stock Exchange, der die Investmentbank Merrill Lynch in die Arme der Bank of America geführt hat.

Denkbar wären auch Robert Zoellick, 55, der Präsident der Weltbank, Sheila Bair, 55, die Chefin des staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC oder Carly Fiorina, 54, frühere Chefin von Hewlett-Packard und im Wahlkampf oberste Spendensammlerin von McCain.

Unabhängig vom Wahlausgang ist noch eine völlig andere Lösung möglich: dass Paulson sein eigener Nachfolger wird und als Krisenmanager im Amt bleibt, wenigstens für eine Übergangszeit. Dafür gibt es einen Präzedenzfall: Finanzminister Nicholas Brady, der eine führende Rolle bei der Lösung der Schuldenkrise der achtziger Jahre spielte, diente Ronald Reagan und dessen Nachfolger George Bush Senior.

Schließlich brachten sowohl Obama als auch McCain einen weiteren Namen ins Spiel: Warren Buffett, den Investor aus Nebraska. Das dürfte eher Kompliment denn ernsthafter Vorschlag sein. Buffett unterstützt zwar Obama im Wahlkampf, hielt sich aber immer an die Devise: nur Aktien von Unternehmen kaufen, deren Geschäft man versteht. Es ist nicht bekannt, dass Buffett etwas von Finanzpolitik versteht.

© SZ vom 31.10.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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