US-Finanzminister Geithner:Einsam in Washington

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Ein Problem namens Geithner: Das Personaldesaster des Finanzministers belastet die amerikanische Krisenpolitik. Wirtschaftsexperten geben dem neuen Team teils miese Noten.

N. Piper, New York

Präsident Barack Obama ist jetzt 50 Tage im Amt. Das ist die Hälfte der Schonzeit, die einer neuen Regierung zusteht. Es ist aber auch die Hälfte der Zeit, in der ein Präsident den Zauber des Neubeginns nutzen kann. Unter Wirtschaftsexperten sind die Meinungen über das neue Team jedoch gespalten. Bei einer Umfrage des Wall Street Journal unter 49 namhaften US-Ökonomen äußerte sich eine knappe Mehrheit unzufrieden mit dem Präsidenten.

Schwachstelle in Washington: Finanzminister Timothy Geithner. (Foto: Foto: AFP)

Die Schwachstelle in Washington ist Finanzminister Timothy Geithner. Als dessen Nominierung im Dezember bekannt geworden war, schossen die Aktienkurse noch in die Höhe; der damalige Chef der Federal Reserve Bank of New York galt als einer der besten Experten in Sachen Finanzkrise überhaupt.

Im Februar jedoch, als Geithner sein erstes großes Werk vorstellte, den Rahmenplan für die Rettung der amerikanischen Banken, brach der Dow Jones ein. Geithner hatte seine Rede als epochales Ereignis angekündigt, ließ dabei jedoch entscheidende Fragen unbeantwortet. Zuvor schon war bekannt geworden, dass Geithner in seiner Zeit als Ökonom beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu wenig Steuern bezahlt hatte, was Obamas Team die ersten negativen Schlagzeilen bescherte.

Wichtige Posten im Ministerium nach wie vor unbesetzt

Das größte Problem Geithners ist gegenwärtig, dass einige sehr wichtige Posten in seinem Ministerium, der "Treasury", immer noch unbesetzt sind. Gerade hat sich Geithner wieder eine Absage eingehandelt: H. Rodgin Cohen, ein prominenter Wirtschaftsanwalt aus New York, lehnte es ab, stellvertretender Finanzminister zu werden.

Cohen wäre ideal für diesen Posten gewesen, er kennt die Wall Street in- und auswendig, er half mit bei der Bewältigung der letzten Bankenkrise in den USA zu Beginn der neunziger Jahre und beriet die Bank of New York bei der ersten feindlichen Übernahme der US-Bankengeschichte. Warum er Geithner abgesagt hat, ist unbekannt. Zuvor hatte schon Annette Nazareth, eine frühere Kommissarin der Börsenaufsicht SEC, als Kandidatin für den Posten dankend abgelehnt. Auch auf der nächsten Führungsebene des Ministeriums sind wichtige Posten noch unbesetzt.

Personalprobleme beim Start einer neuen Regierung sind nicht ungewöhnlich. Wenn aber mitten in einer schweren Finanzkrise der wichtigste Minister keinen Stellvertreter hat, ist dies Grund zur Sorge. Britische Zeitungen berichteten, dass ein führender Beamter des Londoner Finanzministeriums klagte, er finde in Washington niemanden, mit dem er die nächste Ministertagung der G-20-Gruppe vorbereiten könne.

Über die Ursachen der vielen Absagen gibt es bisher nur Spekulationen. Wahrscheinlich ist aber, dass das Problem nicht im Finanzministerium, sondern im Weißen Haus und im Kongress liegt. Banker sind derzeit in den USA, wie überall auf der Welt, verhasst, deshalb dürfte jeder Prominente von der Wall Street im Senat Probleme bekommen. Andererseits haben die Experten, die man jetzt braucht, meist einen Wall-Street-Hintergrund.

Präsident Obama dürfte sich des Dilemmas bewusst sein, was den Prozess der Nominierung lang und für Kandidaten potentiell schädigend macht. Paul Volcker, der frühere Notenbankchef und Berater von Obama, ließ nach Berichten amerikanischer Medien schon ein Donnerwetter los. Es sei eine "Schande", dass Geithner "dasitzt ohne einen Stellvertreter, ohne Staatssekretäre, meines Wissens auch ohne Abteilungsleiter, die für substantielle Dinge in dieser Krise verantwortlich sind".

Allzu viele Absagen können sich Geithner und Obama jedenfalls nicht mehr leisten.

© SZ vom 14./15.03.2009/af/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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