Urteil zur Verstaatlichung der HRE:Leere Stühle in Zombieland

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Die Rettung der Pleitebank Hypo Real Estate durch den Steuerzahler hinterließ wütende und klagefreudige Anleger. Sie fühlen sich enteignet. Jetzt hat ein Gericht entschieden, ob der Staat Aktionäre so aus Unternehmen quetschen darf.

Jannis Brühl

Die Zombies sind nicht gekommen. Verwaist sind die Stühle hinter dem Pult mit dem Schild "Beklagter" im Saal 401 des Münchner Landgerichts. Hier sollten eigentlich die Vertreter der Bankholding Hypo Real Estate sitzen. Gegenüber sitzen vier Kläger, darunter Rechtanwältin Daniela Bergdolt. Sie rollt mit den Augen und sagt: "Als es noch um etwas ging, sind sie in Zehner-Stärke gekommen."

Aber es geht um nichts mehr, bei der HRE kann man sich die Ignoranz leisten. Das Gericht hat nun die Klage ihrer ehemaligen Aktionäre abgelehnt. Sie wehrten sich gegen eien Kapitalerhöhung durch den Bund. Diese ermöglichte es dem Staat 2009, die Kleinanleger mit einem sogenannten Squeeze-out aus dem Unternehmen herauszuquetschen. Im Fall der HRE zwang der Bund die Aktionäre, die einstigen Überflieger-Anteile zu verkaufen, und zwar für 1,37 Euro je Papier.

Die HRE gilt als Zombiebank, weil sie nur noch dank der staatlichen Milliardenhilfe existiert. Zombies sind Tote, die keine mehr sein wollen, und im Fall der HRE sind auch die Kläger wie Zombies: Aktionäre, die keine mehr sind, aber noch gerne welche wären.

Eigentlich kämpfen die Anleger gegen den Steuerzahler, der das Milliardengrab für die HRE zahlen muss. Diese absurde Konstellation hat die Finanzkrise geschaffen, mit ihren wilden Fehlspekulationen und einer erzwungenen, gigantischen Rettungsaktion. Die HRE hatte zunächst Hunderte Millionen Euro verloren, weil sie auf die berüchtigten CDOs ( Collateralized Debt Obligations) gesetzt hatte. Das waren komplexe Finanzprodukte, die von den Ratingagenturen als einwandfrei bewertet wurden, aber mit größtenteils faulen Immobilienkrediten besichert waren.

Als die US-Investmentbank Lehman im Herbst 2008 im Zuge der Immobilienkrise zusammenbrach, fror der Interbankenmarkt ein: Banken liehen sich gegenseitig kein Geld mehr, und die HRE-Tochter Depfa erfror gleich mit.

Um jeden Preis wollte der damalige Finanzminister Peer Steinbrück verhindern, dass auch Deutschland seine Lehman-Pleite bekommt: Ein Zusammenbruch der HRE mit ihren diversen Investments und Zahlungspflichten hätte neue Schockwellen durch die Finanzwelt geschickt. Nachdem der Bund die ersten Milliarden in die Bank gepumpt hatte, wollte er sie komplett verstaatlichen. Mit einem freiwilligen Übernahmeangebot war der Bund aber nur auf einen Anteil von 47 Prozent an der Bank gekommen. Steinbrück und die Regierung Merkel entschieden sich, Zwang anzuwenden.

Enteigung? Nein, verhältnismäßig, sagt das Gericht

Die Klage richtete sich gegen die Hauptversammlung, die der Staat im Sommer 2009 als Teileigner einberufen hatte. Der Bund hatte die Mehrheit der anwesenden Stimmen und beschloss eine Kapitalerhöhung - allerdings mit der Einschränkung, dass nur er selbst neue HRE-Anteile kaufen konnte. Andere Aktionäre erhielten kein Bezugsrecht und gingen leer aus. So konnte der Staat seinen Anteil über die magische Grenze von 90 Prozent hinaus ausbauen. Jetzt war es ihm möglich, auf einer weiteren Hauptversammlung den Squeeze-out der letzten paar Prozent zu beschließen und die Bank so vollständig zu übernehmen.

Die Herausgequetschten fühlten sich als Opfer. Sie hätten ohne staatlichen Eingriff aber möglicherweise keinen Cent gesehen, die HRE war schließlich pleite. Die Kleinanleger klagen seit zwei Jahren. Bisher haben sie immer verloren.

Die staatliche Übernahme war verhältnismäßig, schließlich sei die HRE systemrelevant gewesen, urteilte nun der Richter. Die Kapitalerhöhung sei keine Enteignung gewesen.

Das sieht Kläger Bohdan Kalwarowskyj anders. Der Steuerberater bleibt dabei: Er sei enteignet worden. Kalwarowskyj vertritt seine vier damals minderjährigen Kinder. Für sie hatte er je 5000 Euro bei der HRE angelegt, mehr als 90 Prozent gingen verloren, sagt er. Schadenersatz wird in anderen Prozessen verhandelt. Heute sei es ihm um mehr als Geld gegangen, nämlich um den Rechtsstaat. Er will vors Oberlandesgericht ziehen. Dann dürfte auch die HRE wieder ihre Anwälte schicken.

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