Umstrittene Umsiedlungsprojekte:Ehemalige Weltbank-Mitarbeiter glauben nicht an Besserung

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  • Hochrangige ehemalige Manager der Weltbank glauben nicht, dass die Projekte der Institution in Zukunft strenger überwacht werden.
  • Weltbankpräsident Jim Yong Kim hatte das angekündigt. In der Vergangenheit wurden Tausende Menschen aus den ärmsten Regionen der Erde gewaltsam vertrieben, damit Staudämme oder Straßen gebaut werden konnten.

Von Sasha Chavkin und Katrin Langhans

Es gab Zwangsumsiedlungen, es gab Vergewaltigungen, es gab Morde. Vor allem aber gibt es: Wenig Hoffnung, dass sich etwas ändert für die ärmsten Menschen der Welt, die in der Folge von Weltbankprojekten ihr Land oder teilweise ihre Lebensgrundlage verloren haben und verlieren werden. Die nicht profitieren von einer der größten Entwicklungsbanken weltweit, sondern die - ganz im Gegenteil - unter den Folgen der Projekte leiden.

Es sind mehr als 300 Organisationen, die beklagen, dass die geplanten neuen Schutzmaßnahmen die Rechte der Völker schwächen. Es sind ehemalige Mitarbeiter, die nicht glauben, dass das Management die systematischen Fehler ausmerzen wird. Und die Bank selbst? Sagt, sie prüfe jedes Projekt.

Aber erst mal von vorne. Im Frühjahr konfrontierte das Internationale Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ), zu dem in Deutschland NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung gehören, die Weltbank mit einer monatelangen Recherche, die zu dem Endergebnis kam, dass etwa 3,4 Millionen Menschen in den vergangenen zehn Jahren ihr Land oder ihre Lebensgrundlage in der Folge von Weltbankprojekten verloren haben. Tausende Menschen aus den ärmsten Regionen der Welt wurden gewaltsam vertrieben, damit Staudämme oder Straßen gebaut werden konnten. Finanziert von der Weltbank, deren Ziel es ist, Armut zu bekämpfen. Auch Deutschland unterstützte die Bank als viertgrößter Geldgeber, zuletzt im vergangenen Jahr mit 1,6 Milliarden Euro.

Ein sechsseitiger Plan soll Menschen besser schützen

Fünf Tage nachdem das ICIJ die Bank mit den Menschenrechtsverletzungen konfrontiert hatte, gestand Weltbankpräsident Jim Yong Kim "schwere Fehler" ein. Projekte, in denen Menschen umgesiedelt wurden, seien oft unzureichend überwacht, das Risiko zu lasch eingeschätzt worden, das hätten interne Prüfungen ergeben. Man betrachte das Ergebnis mit "großer Sorge" und "wolle es besser machen". Kernstück des Statements war ein sechsseitiger Aktionsplan der Bank, der aufführte, wie man Projekte in Zukunft strenger überwachen und die Menschen besser schützen wolle.

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3,4 Millionen Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren in Weltbankprojekten ihr Land oder einen Teil ihrer Lebensgrundlage verloren. Das ergab eine Analyse von mehr als 6000 Dokumenten durch das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten. Deutschland hat das nicht verhindert.

Von Sasha Chavkin und Katrin Langhans

Über diesen Plan sagt Paul Cadario, ein ehemaliger hochrangiger Manager, der fast vier Jahrzehnte lang für die Weltbank gearbeitet hat: "Er sah aus, als ob sie sehr schnell alles, was sie finden konnten, zusammengeworfen haben." Der Plan führe nämlich keine konkreten Ursachen auf, die zu den problematischen Umsiedlungen geführt hätten.

"Kaum einer wusste, dass diese Studien existieren"

Zeitgleich mit dem Aktionsplan veröffentlichte die Bank drei Berichte aus den Jahren 2012 und 2014. Darin stand, dass man oft nicht einmal wisse, wie viele Menschen umgesiedelt wurden. Geschweige denn, wie es ihnen in der neuen Siedlung gehe. Anis Dani, der 2010 in leitender Funktion intern die Schutzmaßnahmen für die Weltbank untersucht hat, sagt: "Kaum einer wusste, dass diese Studien existieren. Ich auch nicht. Sie haben sie geheim gehalten, weil sie wussten, wie brisant sie sind."

Dani bezweifelt, dass das Management der Bank den Aktionsplan von Kim umsetzen wird. Oft habe "das Büro des Präsidenten sehr wenig Einfluss" darauf, ob seine Agenda übernommen werde. Michael Cernea, ein ehemaliger Manager, der die Umsiedlungspolitik der Bank fast zwei Jahrzehnte lang überwacht hat, sagte der BBC, der Plan sei "unzureichend, um die systematischen Fehler zu beheben".

Die Weltbank kündigte an, sie wolle das Budget um 15 Prozent aufstocken, um die Schutzmaßnahmen für die Völker zu verbessern. Man wolle neue Checklisten für die Mitarbeiter erstellen und die Risiken für betroffene Gemeinden besser überwachen. Wie hoch die Summe des derzeitigen Budgets ist, verschweigt die Weltbank allerdings. "Das ist, als würde ich dir sagen, du bekommst 20 Prozent Discount, aber ich verrate dir den Originalpreis nicht", sagt Ted Downing, Präsident des International Network on Displacement and Resettlement und ehemaliger Berater der Bank.

Ein ehemaliger Manager kritisiert die Umsiedlung ohne Plan

In dem Aktionsplan stand auch, dass die Bank seit drei Jahren daran arbeitet, die Schutzmaßnahmen zu verbessern. 300 Organisationen, darunter Oxfam, Amnesty International und Urgewald kritisieren den derzeitigen Entwurf aber scharf. Die Schutzmaßnahmen gelten aufgrund von Ausnahmen nicht einmal für die Hälfte der Projekte. Sie greifen nicht bei Infrastrukturprojekten und auch nicht bei Investitionen im Privatsektor. Umsiedlungspläne müssen bei der Projektgenehmigung nicht zwingend vorliegen. Wie soll das die Betroffenen schützen? "Für die Menschen, die umgesiedelt werden, sollte der Plan von Anfang an existieren", sagt der ehemalige Weltbankmitarbeiter Michael Cernea. "Sonst sind diese Leute dazu verurteilt, ohne ein Budget umgesiedelt zu werden."

Während die Bank noch am 4. März von "schweren Fehlern" und "großer Sorge" sprach, weil sie ihre Projekte zu wenig überwache, sagte ein Sprecher der Bank Anfang Mai zum investigativen Online-Magazin Hetq: "Die Schutzmaßnahmen der Weltbank werden rigoros bei der Vorbereitung und Durchführung in jedem Projekt angewandt, das die Weltbank finanziert."

Bis heute erkennt die Weltbank die Rechercheergebnisse des ICIJ nicht an, die belegen, dass etwa 3,4 Millionen Menschen innerhalb von zehn Jahren ihr Land oder teilweise ihre Lebensgrundlage verloren haben. Dabei kommt sie in dem internen Report von 2012 mit drei Millionen Menschen in elf Jahren sogar auf eine ähnlich hohe Zahl. Auf die Frage, ob man vorhabe, alle Betroffenen ausfindig zu machen und zu entschädigen, verweist die Bank auf ein früheres Statement zur Umsiedlungspolitik. Darin steht nichts von einer Wiedergutmachung.

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