Uber:Truck ohne Trucker

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Der Fahrdienstvermittler schickt computergesteuerte Lastwägen auf Amerikas Highways. Macht der Taxi-Schreck nun auch Lkw-Fahrern das Leben schwer?

Von Kathrin Werner, New York

Da ist kein Fahrer auf dem Sitz! Wer derzeit auf Amerikas Highways fährt und ins Cockpit eines Lastwagens blickt, darf nicht zu schreckhaft sein - es könnte ein Geistertruck sein. In der vergangenen Woche erledigte die Firma Uber die weltweit erste kommerzielle Warenlieferung per Autopilot. Bei voller Fahrt legte der Fahrer einen Schalter um, schnallte sich ab und kletterte vom Fahrersitz in die Schlafkabine. Der gewaltige Sattelzug, 18 Räder, 40 Tonnen, raste allein über den Asphalt, lenkte, bremste und beschleunigte. Der Fahrer blätterte in einer Zeitschrift und linste nur ab und zu auf die Straße.

Fast 200 Kilometer fuhr der Lastwagen autonom durch den Bundesstaat Colorado, 51 744 Dosen Budweiser-Bier an Bord. Uber aus San Francisco, vor allem bekannt als App-basierte Konkurrenz für Taxis, hat den Lastwagen mit Kameras, Radargeräten, Laser-Sensoren und einem Computer ausgerüstet. Perfekt ist die Technik noch nicht. Die Uber-Techniker haben zwei Wochen lang jeden Meter der Strecke vermessen und in den Computer eingegeben, damit der Autopilot weiß, was auf ihn zukommt. Sie wollten den Laster nur bei gutem Wetter und am frühen Morgen auf die Straße lassen, wenn noch nicht allzu viele andere Autos unterwegs sind. Und auch die Aufsichtsbehörden genehmigen autonome Fahrten bislang nur in Ausnahmefällen. Aber lange soll es nicht mehr dauern, bis leere Cockpits zum Straßenbild gehören, Experten von der Stanford University zum Beispiel rechnen mit nur drei Jahren.

Uber ist nicht das einzige und auch nicht das erste Unternehmen, das an selbstfahrenden Lkw arbeitet. Sechs Lastwagenbauer, darunter Daimler und MAN, probten im Frühling mehrere automatisierte Verbund-Fahrten durch Europa. Einen Menschen hinter dem Steuer hatte nur der erste in der Reihe der sechs Laster, die anderen hängten sich dahinter und fuhren per Computer. Gigatronik aus Stuttgart baut die Cockpits der Lkw der Daimler-Nutzfahrzeugmarken Mercedes-Benz und Freightliner um und rüstet sie mit einem Fahrcomputer, Display statt Armaturenbrett und einem Tablet-Computer für die Fahrer aus. Daimlers autonome Trucks waren auch schon in Amerika unterwegs, im dünn besiedelten Bundesstaat Nevada erhielt der so genannte "Freightliner Inspiration Truck" die Zulassung für den Straßenverkehr - allerdings bislang ohne Bier an Bord oder sonstige Lieferaufträge für Kunden.

Uber will nicht selbst zum Autobauer werden. Der Bierlaster stammt von Volvo, Uber hat ihn für 30 000 Dollar mit der Technik der neuen Tochter Otto ausgerüstet. Uber hat das Start-up im August gekauft, laut Berichten für 680 Millionen Dollar. Ein Team ehemaliger Manager von Apple, Tesla und Google hatten Otto erst Anfang des Jahres gegründet.

Uber verspricht sich riesige Einsparungen, wenn Autos keine Fahrer mehr brauchen. Ganz so weit ist Otto allerdings noch nicht. In absehbarer Zukunft wird ein Fahrer an Bord sein müssen, um den Computer zu überwachen. Hinten in der Schlafkabine ist ein Not-Aus-Knopf, wenn etwas schief geht, muss der Mensch übernehmen. Bislang kann der Computer außerdem nur auf dem Highway fahren, wo keine Fußgänger in den Weg geraten. Sobald der Truck auf normale Straßen in bewohnten Gebieten einschwenkt, sitzt wieder ein Mensch am Steuer.

Allerdings sind gut 95 Prozent der Fahrstrecken der US-Trucks auf dem Highway, und wenn sich die Technik durchsetzt, könnte der Beruf des Truckers bald etwas für Heimschläfer sein. Sie könnten die Lkw an einem vereinbarten Punkt abholen und zum Ziel fahren, während der Computer die langen Highway-Meilen alleine zurücklegt. Dann braucht es weniger Lkw-Fahrer, Logistik-Unternehmen bringt das riesige Einsparungen. Und obwohl Branchenverbände wie die American Trucking Association (ATA) noch skeptisch sind, ob die Technik funktioniert, sehen sie den Bedarf.

Schon jetzt fehlen überall Fahrer, der Job gilt nicht mehr als attraktiv

Derzeit gibt es rund 3,5 Millionen Trucker in den USA. Sie transportieren nach Warenwert mehr als 80 Prozent der Güter im Land, nach Gewicht sind es mehr als 70 Prozent. Und die Branche wächst rasant, vor allem wegen des Onlinehandels. Schon jetzt fehlen laut ATA 50 000 Fahrer, auch weil die Jobs für viele Menschen nicht sehr attraktiv sind. 90 Prozent der US-Lastwagenfahrer geben binnen eines Jahres den Job auf. Außerdem sind die Trucker-Jobs gefährlich. Pro Jahr geraten Lastwagen in den USA in rund 400 000 Unfälle, fast 4000 Menschen sterben dabei, zum großen Teil wegen menschlichen Versagens. Bis zum Jahr 2024 könnte der Fahrermangel auf 175 000 steigen - wenn selbstfahrende Laster nicht zur Rettung kommen.

Uber-Chef Travis Kalanick (links) und Anthony Levandowski, Mitgründer von Otto, das die Technik liefert. (Foto: Tony Avelar/AP)

Für autonome Lkw dürfte auch die geringere Unfallgefahr sprechen: Computer reagieren schneller, betrinken sich nicht, tippen während der Fahrt nicht auf dem Handy herum und werden nicht müde. Es gehe ihm in erster Linie darum, dass Lastwagen mit seiner Technik sicherer seien, sagt Otto-Gründer Anthony Levandowski. "Sie sind wie ein Zug auf Software-Gleisen. Wenn man ein Fahrzeug ohne Fahrer auf der Straße sieht, weiß man, dass es wahrscheinlich nicht in eine Kollision gerät." Außerdem sollen sie Geld sparen, weil sie gleichmäßiger fahren und weniger Fahrfehler machen, für die man bremsen und beschleunigen muss, was Sprit kostet.

Der Budweiser-Brauer Anheuser-Busch verschickt jedes Jahr mehr als 1,2 Millionen Bierlaster. 50 Millionen Dollar pro Jahr könnten selbstfahrende Trucks dem Konzern sparen, sogar wenn sie weiter einen Fahrer an Bord haben, weil sie weniger Sprit verbrauchen und konstanter rund um die Uhr fahren könnten, schließlich brauchen die Computer keine Pausen.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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