Uber:Eine Maschine zum Geldverbrennen

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Taxi, bitte! Uber bietet seine Dienste inzwischen weltweit an, wie hier in Mexiko-Stadt. (Foto: Marco Ugarte/AP)

Der Taxi-Dienst Uber macht Milliardenverluste. Das sagt einiges aus über das Geschäftsmodell der Kalifornier.

Von Kathrin Werner, New York

Wenn Uber neue Kunden gewinnen will, hat das Unternehmen einen einfachen Mechanismus: Rabatte. Ständig bietet das amerikanische Start-up, das Chauffeurdienste per App vermittelt, vergünstigte Fahrten an. In vielen Städten ist der Taxi-Rivale aus dem Internet deutlich billiger als normale Taxis. Die Kunden wissen das zu schätzen: Uber wird immer beliebter, der Marktanteil wächst. Gleichzeitig kann Uber nicht mehr Geld verdienen, indem es den freiberuflichen Fahrern weniger von den Fahrtgebühren abgibt. Die Fahrer würden dann einfach zu Ubers größtem Rivalen Lyft wechseln.

All das kostet Uber also Geld, viel Geld.

Uber schrieb deshalb in der ersten Jahreshälfte 2016 einen Verlust von mindestens 1,27 Milliarden Dollar vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Das Unternehmen ist nicht an der Börse notiert und muss deshalb seine Finanzzahlen nicht offenlegen. Der Finanzchef des Unternehmens, Gautam Gupta, gibt den Investoren allerdings einmal im Quartal einen Überblick über Umsätze und Verluste, aus dieser Telefonkonferenz hat Bloomberg wohl die Zahlen erfahren. In der siebenjährigen Firmenhistorie habe Uber schon mindestens vier Milliarden Dollar verbraucht, im ersten Halbjahr 2016 habe sich die Lage noch einmal verschärft. Doch die Preispolitik zeigt Ergebnisse: Die Umsätze stiegen demnach vom ersten auf das zweite Quartal um 18 Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar. Uber wächst also.

Die Umsätze steigen kräftig - ein Zeichen dafür, dass das Unternehmen weiter wächst

Dass Uber viel Geld verbrennt, sei an sich weder überraschend noch beunruhigend, findet Aswath Damodaran, Wirtschaftsprofessor an der New York University. Wenn das Geschäftsmodell eines Start-ups funktioniert, müsse es Geld verbrennen, sonst mache es etwas falsch. Schließlich müsse ein kleines Unternehmen schnell wachsen, und das koste eben. "Man sollte bei jungen Unternehmen eine Kombination von niedrigeren Einkünften beziehungsweise Verlusten und hohen Ausgaben für Investitionen sehen", schreibt er in seinem Blog. "Wenn das Unternehmen wächst, sollten die Umsätze und Margen steigen, und wenn sich einige Jahre in der Zukunft das Wachstum dann verlangsamt, sollten auch die Investitionen sinken." Gefährlich sei der sogenannte negative Cashflow nur, wenn die grundlegende Idee des Start-ups nicht funktioniere, wenn etwa Wettbewerber die Preise immer weiter drückten und es nicht gelinge, die Kosten zu senken. "Das ist der Weg in die Wagniskapital-Hölle", schreibt Damodaran.

Bei Uber sieht er diese Gefahr nicht unmittelbar, obwohl er mit sieben weiteren Jahren des Geldverbrennens rechnet. Allerdings glaubt der NYU-Professor, dass das Unternehmen mit derzeit etwa 69 Milliarden Dollar überbewertet ist. Wenn es weiterhin so schnell Geld verbrenne, müsse es öfter frisches Kapital einsammeln, was den Anteil der bisherigen Investoren verwässere. Die Geldgeber hätten das nicht ausreichend in ihre Berechnung einbezogen.

Viele Investoren fragen sich, ob Ubers hohe Bewertung trotz der hohen Verluste ein Zeichen für einen insgesamt überhitzten Start-up-Markt ist. Droht eine neue Tech-Blase, eine moderne Version der Dotcom-Blase des Jahrtausendwechsels? Doch die Lage ist heute deutlich anders als damals. Zwar sind die IT-Unternehmen an der Börse so hoch bewertet wie nie zuvor. In drei Jahren rasanten Wachstums hat sich der Börsenwert von Microsoft und der Google-Mutter Alphabet verdoppelt, von Amazon verdreifacht und von Facebook verfünffacht. Der Abstand zwischen dem Gesamtwert der IT-Konzerne zur nächstgrößten Gruppe der Banken ist nahezu auf Rekordgröße im Leitindex S&P 500. Anders als in der Dotcom-Phase, als Investoren auf zukünftige Profite setzten, schreiben die meisten börsennotierten IT-Unternehmen heute allerdings hohe Gewinne. "Es ist gesundes Wachstum", sagte Rich Weiss von der Finanzfirma American Century Investments. "Ich glaube, wir müssen uns in der näheren Zukunft keine Sorge um eine Tech-Blase machen."

Gerade was die Bewertungen von Start-ups angeht, die noch privat gehalten werden, sind Wagniskapitalinvestoren in den vergangenen Monaten eher vorsichtig gewesen. Es gab sehr wenige Börsengänge. "Ein Unternehmen an die Börse zu bringen, das noch Verluste schreibt, halte ich im Moment für Wahnsinn", sagt ein New Yorker Finanzinvestor. Bei vielen jungen Unternehmen sind die Bewertungen in den jüngsten Finanzierungsrunden leicht gesunken, obwohl mit den Geschäften der Firmen eigentlich nichts schlecht lief. Der Finanzinvestor T. Rowe Price hat zum Beispiel Ende des ersten Quartals 2016 in der internen Kalkulation den Wert von nur vier Beteiligungen an Unternehmen, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sein sollen, erhöht und reduzierte zwölf, darunter Airbnb, Dropbox - und Uber. Mit dem Tempo des Geldverbrennens steht Uber allein da - und zwar mit Abstand. Selbst die schlimmsten Fälle in der Dotcom-Zeit, Webvan und Kozmo.com, haben nur knapp mehr als eine Milliarde Dollar während ihrer gesamten Existenz verloren. Der Onlinehändler Amazon, der berühmt dafür ist, jahrelang mit Billigpreisen der Konkurrenz die Kunden abzujagen und deshalb hohe Verluste zu schreiben, hatte 2000 sein schlimmstes Jahr mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Dollar über zwölf Monate. Danach strich Amazon-Chef Jeff Bezos 15 Prozent der Stellen.

Falls Ubers Investoren, darunter Wagniskapitalgeber wie Benchmark Capital oder die Investmentbank Goldman Sachs, nun nervös werden, kann Uber sie ein wenig beruhigen: Ein Großteil des Geldes steckte das Start-up in den Preiskampf in China. Vor wenigen Wochen hat Uber allerdings aufgegeben und das China-Geschäft an den größten Rivalen im Land verkauft, es taucht in der Bilanz künftig nicht mehr auf. Und wenn Ubers Plan aufgeht, die Kunden mit selbstfahrenden Autos herumzukutschieren, fällt der größte Kostenblock weg: die Fahrer. Dann kann Uber die gesamten Fahrtgebühren für sich behalten.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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