Trumps Wirtschaftsbilanz:Der Fake-Effekt von Donald Trump

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Donald Trump beansprucht auch gerne mal den Anstieg der Aktienkurse an der Wall Street für sich. (Foto: AFP)
  • Der US-Präsident hat sich nach den ersten 200 Tagen im Amt ein umfassendes Zeugnis seiner - vermeintlichen - Erfolge ausgestellt.
  • Dabei handelt es sich um einen bunten Strauß aus Fakten, Halbwahrheiten, Übertreibungen und gewagten Interpretationen.
  • Wirtschaftlich sind seine Leistungen solide, aber: Trumps ganz große Vorhaben treten nach wie vor auf der Stelle.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Zum kleinen Einmaleins des Politikerberufs gehört der Rat, sich Zwischenzeugnisse möglichst selbst auszustellen, bevor andere es tun. Und so preschte Donald Trump vergangene Woche einmal mehr vor, um die Welt an einer Erfolgsstory teilhaben zu lassen. "Selten hat eine Regierung in ihren ersten 200 Tagen so viel erreicht wie wir, nicht einmal im Ansatz" schrieb er bei Twitter, und wer wissen wollte, was er damit meint, musste in den Kurzeinträgen des US-Präsidenten nur ein wenig zurückblättern: "Die höchsten Aktienkurse aller Zeiten, die besten Wirtschaftsdaten seit Langem, die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 17 Jahren, steigende Löhne."

Wie so oft bei Trump, war sein Katalog ein bunter Strauß aus echten Fakten, Halbwahrheiten, Übertreibungen und gewagten Interpretationen. Beispiel Arbeitslosenrate: Sie liegt mit 4,3 Prozent tatsächlich auf dem niedrigsten Stand seit Mai 2001. Das sind zwar keine 17, aber doch gut 16 Jahre. Aber: Die Erwerbslosigkeit sinkt bereits seit 2010, von einem Trump-Effekt kann also keine Rede sein - mal ganz abgesehen davon, dass der Präsident eben jene Quote noch im Wahlkampf als "Desaster" und als "Fälschung" bezeichnet hatte, da ein Teil der Jobsuchenden nicht mitgezählt wird.

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Von Claus Hulverscheidt

Nüchtern betrachtet ist die Wirtschaftsbilanz der ersten 200 Trump-Tage weder besonders gut, noch besonders schlecht. Steht man dem Präsidenten sehr kritisch gegenüber, könnte man von einem durchwachsenen Halbjahr sprechen. Aber auch "solide" wäre eine faire Beurteilung. Solidität jedoch ist für Trump, der immer der erste, beste und größte sein muss, schlicht keine Erfolgskategorie.

Dabei ist es gar nicht so, dass er nichts vorzuweisen hätte, was treue Anhänger als Erfolg werten könnten. Dazu zählen die vielen Dekrete, die er in Ermangelung mehrheitsfähiger Gesetze erlassen hat und die mittlerweile durchaus Wirkung entfalten.

Wohnungsbauminister Ben Carson etwa ist zielstrebig dabei, die aus Regierungssicht zu generösen Programme zugunsten Obdachloser umzubauen und die Bundesstaaten von Weisungen aus Washington zu befreien. "Ich bin ganz froh, dass Trump das ganze Feuer auf sich zieht", so Carson jüngst, "so kann ich Dinge erledigen."

Ähnlich sieht das Scott Pruitt, der Chef der Umweltbehörde EPA, der unbeirrt vom Getöse im Weißen Haus und unter der wohlklingenden Überschrift "Bürokratieabbau" Klimaschutzregeln durchlöchert, den Schutz kleiner Gewässer aufhebt und Ölbohrverbote etwa in der Arktis kassiert.

Auf sein Geheiß hin sollen zudem Experten in einem "roten Team" und einem "blauen Team" öffentlich diskutieren, ob der Klimawandel nun Fakt oder Fiktion ist. Offiziell soll so das Niveau der Debatte angehoben werden. Fachleute warnen jedoch, Pruitt wolle vor allem Klimawandelleugnern eine Bühne bieten.

Doch so weitreichend manche Veränderungen auch sind: Bei seinen ganz großen Vorhaben tritt Trump bisher auf der Stelle. Das gilt für die Gesundheits- und die Steuerpolitik ebenso wie für das geplanten Billionen-Paket zur Sanierung der Infrastruktur. Entsprechend schwer ist zu beurteilen, ob, und wenn ja, in welchem Maß, der Präsident das Wirtschaftswachstum bisher beflügelt hat.

Nach einem sehr schwachen ersten und einem sehr ordentlichen zweiten Quartal liegt Trump mit einem aufs Jahr hochgerechneten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von fast zwei Prozent exakt auf dem Niveau, das auch Amtsvorgänger Barack Obama in seinen letzten beiden Amtsjahren verbucht hatte. Ähnlich sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus: Von Anfang Februar bis Ende Juli schufen die Firmen fast 1,1 Millionen neue Stellen, im Monatsschnitt etwa 179 000. Unter Obama waren es im gleichen Vorjahreszeitraum durchschnittlich 208 000 gewesen.

Die Erfolge, die der aus eigener Sicht "größte Job-Präsident, den Gott je erschaffen hat", hinausposaunt, erweisen sich vor diesem Hintergrund als ziemliche Prahlerei. "Hunderttausende Industriearbeitsplätze" seien unter ihm entstanden, selbst die Kumpel in den Kohlezechen seien "zurück bei der Arbeit", so Trump jüngst vor Anhängern in West Virginia. Richtig ist: Laut Statistikamt stieg die Zahl der Jobs im Verarbeitenden Gewerbe von Februar bis Juli um 70 000.

Auch hier handelt es sich aber um die Fortsetzung des erwähnten langjährigen Trends: Seit 2010 nämlich kamen knapp 900 000 Stellen hinzu. Weitaus bescheidender sieht es im Bergbau aus, wo seit Trumps Amtsantritt netto 600 Stellen geschaffen wurden. Im Juli sank die Beschäftigung sogar wieder.

Aufschlussreicher als die Arbeitsmarktlage ist die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze, die ein sehr feinfühliges Barometer für die Befindlichkeit der Amerikaner sind. In Obamas letzten sechs Amtsmonaten waren die Erlöse der Supermärkte und kleinen Läden, der Möbel- und Autohäuser im Schnitt um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen - solide, aber nicht überragend.

Mit Trump änderte sich das Bild: Weil viele Amerikaner ihre Finanzlage angesichts zu erwartender Steuersenkungen und geringerer Gesundheitskosten plötzlich spürbar besser einschätzten, wuchsen die Einzelhandelsumsätze statt um 3,2 Prozent deutlich kräftiger. Die Zahlen haben jedoch einen gravierenden Schönheitsfehler: Nach einem Sprung auf 5,6 Prozent im Januar lagen die Zuwächse zuletzt nur noch bei 3,8 und 2,8 Prozent. Der Trend ist nach dem Hoch im Frühjahr also eindeutig abwärts gerichtet und hat längst wieder Obama-Gefilde erreicht.

Noch gar nichts passiert ist bei der Verschuldung der US-Bundesregierung, die Trump bis 2025 eliminieren will, die jedoch unverändert fast 20 Billionen Dollar beträgt. Gleiches gilt für die Handelsbilanz. Auch hier hat der Präsident zwar viele verbale Breitseiten - unter anderem gegen Deutschland - abgeschossen, aber bisher nichts erreicht. Zuletzt lag das Exportdefizit mit 44 Milliarden Dollar ziemlich exakt auf dem langjährigen Durchschnittswert.

Bleiben die Rekordkurse auf den Aktienmärkten, mit denen Trump im Wochenrhythmus prahlt. Richtig ist, dass der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte seit dem Wahltag Anfang November um mehr als 16 Prozent zugelegt hat. Der Nasdaq-Index, der auch Tech-Schwergewichte wie Apple und Google berücksichtigt, schoss gar um 23 Prozent in die Höhe. Dahinter stecken sicher auch die Hoffnungen der Börsianer auf niedrigere Steuern, höhere Staatsausgaben und weniger Regulierung. Noch wichtiger aber dürften die hohen Gewinne und Gewinnprognosen vieler Unternehmen sowie die weltweit lockere Geldpolitik gewesen sein - Dinge also, auf die der US-Präsident kaum Einfluss hat.

Dazu kommt: Unter Obama hatten Dow und Nasdaq gar um 150 und 370 Prozent zugelegt - laut Trumpscher Erfolgsskala müsste sein Vorgänger also ein grandioser Präsident gewesen sein. Und noch etwas ist seltsam: Vor gerade einmal elf Monaten hatte Trump gemutmaßt, der Aktienmarkt sei durch ein Komplott von Obama und Notenbankchefin Janet Yellen künstlich aufgebläht. "Wir stecken in einer dicken, fetten, hässlichen Blase", die bald zerplatzen werde, so der damalige Präsidentenanwärter. Der Dow Jones stand seinerzeit bei 18 300 Zählern. Mittlerweile hat er die 22 000-Punkte-Marke genommen.

Nur in einer Disziplin, da sind sich praktisch alle Experten einig, ist Donald Trump ohne jeden Zweifel Spitze: So viel Chaos wie unter ihm gab es in den ersten 200 Tagen einer Präsidentschaft noch nie.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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