Traton:Wie Volkswagen sein Lkw-Reich ausbaut

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MAN, Scania, VW-Nutzfahrzeuge und jetzt der US-Lkw-Hersteller Navistar: Traton setzt ganz auf Größe - nicht nur bei seinen 40-Tonnern. (Foto: John Sterling Ruth/oh)

Die Lkw-Holding Traton nimmt die Tochter MAN von der Börse, übernimmt für 3,7 Milliarden Dollar den US-Hersteller Navistar und zielt nun auf den chinesischen Markt.

Von Thomas Fromm

Wenn Unternehmen bei ihren Aktionärstreffen nostalgisch zurückblicken, dann geschieht das meistens nicht ohne Grund. Zum Beispiel der kleine Exkurs bei der virtuellen Hauptversammlung der VW-Lkw-Tochter Traton an diesem Mittwoch. Eingespielte Schwarz-Weiß-Bilder aus den Anfangsjahren, MAN 1915, Lastwagenproduktion der damaligen Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg, danach historische Filmaufnahmen von MAN-Lkw im Wirtschaftswunderland der Nachkriegszeit. Es sind Motive, die man an solchen Tage braucht, denn Traton, jene Lkw-Holding, zu der MAN gehört, gibt es so ja erst seit 2015. Sie wurde gegründet, um MAN, den schwedischen Lkw-Hersteller Scania und das Nutzfahrzeuggeschäft von Volkswagen unter einem Dach zusammenzufassen. Kein Unternehmen also, das historische Bilder hergeben würde. Eher eine Art Nutz-Konstrukt für Nutzfahrzeuge.

Und ein Konstrukt mit großen Plänen und einem gewissen Drang nach Größe. Es beginnt damit, dass MAN schon Tags zuvor seine vermutlich letzte eigene Hauptversammlung abgehalten hat. Die VW-Holding Traton, die über 94 Prozent an MAN hält, nimmt den Lkw-Bauer aus München von der Börse, indem es die letzten verbliebenen Aktionäre mit 70,68 Euro abfindet und so aus dem Unternehmen herausdrängt. "Squeeze-out" nennt man das, Herausdrücken. Nach dem Herausdrücken kommt dann in der Regel die völlige Verschmelzung - in diesem Fall mit Traton. "Unser Aktionärstreffen ist virtuell", sagt Traton-Chef Matthias Gründler zur Begrüßung. "Unsere strategischen Fortschritte sind allerdings höchst real."

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Von diesem Donnerstag an gehört dann auch der US-Lkw-Hersteller Navistar offiziell zu der Nutzfahrzeug-Holding von Volkswagen. 3,7 Milliarden Dollar haben die Deutschen dafür bezahlt, damit Navistar neben MAN, Scania und VW die vierte Marke im Traton-Konzern wird. Jetzt liegen die Genehmigungen für die Übernahme vor, und damit wachse Traton "gemessen am Umsatz um etwa 30 Prozent", sagt Gründler. Corona-Krise? War einmal. Spediteure investieren wieder, die Märkte sind im Aufschwung. Im zweiten Quartal hat das Unternehmen sowohl den Absatz als auch den Rekord-Auftragseingang des ersten Quartals übertroffen, im ersten Quartal hatte der Absatz bei 60 000 Fahrzeugen gelegen, der Auftragseingang bei 81 700. "Das Geschäft mit Lkw läuft weiter gut", sagte Gründler. Und so will der Konzern weiter expandieren - Europa, die USA, und jetzt steht China auf dem Programm. Es gehe darum, "die relevanten weißen Flecken auf unserer Weltkarte in Asien zu schließen", so Gründler. Immerhin ist China der größte Nutzfahrzeugmarkt der Welt, und die Zeiten, in denen man dort nach billigen Modellen suchte, seien auch vorbei. Die Kunden von Lkw-Flotten kauften stattdessen teurere und höherwertigere Fahrzeuge. "Derzeit analysieren wir, wie wir aus eigener Kraft das Potenzial unserer Marken in China am besten ausschöpfen können", so Gründler. So baut die schwedische Traton-Tochter Scania im Moment eine Fabrik bei Shanghai. Scania werde damit der erste westliche Lkw-Hersteller sein, der zu 100 Prozent eigenständig in China produziert.

In München will MAN von 2024 an Elektro-Laster bauen

Dass die Dinge in China manchmal kompliziert werden können und Wachstum dort auch seinen Preis haben kann, haben Gründler und seine Leute im Frühjahr erlebt. Da zeigten Aufnahmen deutlich, dass das Militär in in Myanmar bei der brutalen Unterdrückung von Protesten in Lkw der Marke Sinotruk herumfuhr. Pikant daran: Der chinesische Lkw-Bauer ist ein lokaler Partner von MAN, die Münchner halten 25 Prozent plus eine Aktie an den Chinesen. Zu nah dran, um sagen zu können, dass es einen nichts angeht. Aber wohl zu weit weg, um eingebunden zu werden. Später sagte Gründler der SZ, dass man das Thema bei Sinotruk angesprochen und um "Aufklärung" gebeten habe. Es sei ihm versichert worden, dass keine Geschäfte mit dem Militär gemacht wurden. Jetzt also mehr Wachstum in China.

Auch in Deutschland verändert sich vieles. In München will MAN von 2024 an Elektro-Lastwagen bauen, allerdings sollen bis Ende 2022 auch 3500 Jobs in Deutschland wegfallen. Vielleicht ja auch deshalb kürzlich dieser spektakuläre Wechsel: Bernd Osterloh, jener langjährige und mächtige VW-Betriebsratschef, hat im Frühjahr die Seiten gewechselt und ist Personalvorstand bei Traton geworden. "Er ist mit Vollgas in seine neue Aufgabe gestartet", sagt Gründler. "Auf diesem Weg noch einmal herzlich willkommen." Von Wolfsburg nach München, und ein Aktionärsvertreter fragt, was es mit dieser Aktion auf sich hat. Antwort: Der Aufsichtsrat sei überzeugt, dass Osterloh mit "seiner jahrzehntelangen Erfahrung im VW-Konzern" die beste Besetzung sei. Vertiefte Kenntnisse im Umgang mit Mitarbeitern und Managern, Gestaltungswillen, Durchsetzungsstärke, solche Dinge. Was man eben so braucht in einem Lkw-Konzern, der größer werden soll.

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