Traditionsunternehmen:Chaos bei Osram

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Alles schön bunt hier: Lichtinstallation von Osram am Münchner U-Bahnhof Marienplatz. Wie geht es mit der Firma weiter? (Foto: Sascha Kletzsch/oh)

Der Halbleiter-Konzern AMS hat es nicht geschafft: Die Osram-Übernahme ist zunächst gescheitert. Doch es ist nicht aus: Die Österreicher haben jetzt einen Fuß in Tür.

Von Caspar Busse und Veronika Wulf, München

Es war kein gutes Zeichen, dass das Auszählen so lange dauerte, dass es lange keine Meldung gab. Die Frist für das Übernahmeangebot des österreichischen Halbleiterproduzenten AMS für Osram war bereits in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch abgelaufen. Erst am Freitagabend kam aber die Mitteilung, dass die Milliardentransaktion geplatzt ist. Nur 51,6 Prozent der Osram-Aktionäre haben die Offerte angenommen, nämlich 41 Euro pro Aktie. AMS hätte mindestens 62,5 Prozent erreichen müssen. Dazu hatten sich die Österreicher in den Angebotsunterlagen verpflichtet.

Nun ist das Chaos perfekt - und es ist völlig unklar, wie es weitergehen wird. Die Unruhe wird jedenfalls bleiben. Werden die Finanzinvestoren, die ebenfalls mitgeboten haben, oder AMS einen neuen Anlauf unternehmen? Sicher dürfte sein, dass die Osram-Aktie erstmal absacken könnte, denn die Übernahmefantasie ist kurzfristig weg. Immerhin: Die Münchner haben einen neuen Großaktionär, denn AMS ist trotz des Scheiterns der Offerte jetzt in Besitz von etwa 20 Prozent der Osram-Aktien. Diese hatten die Österreicher direkt am Markt aufgekauft.

"Nach dem Scheitern der bisherigen Übernahmeversuche behalten wir jetzt unsere Eigenständigkeit und gestalten unsere Zukunft selbst", teilte Osram-Chef Olaf Berlien am Freitag nach dem Scheitern mit. Die Strategie sei der richtige Weg zu mittel- und langfristigem Wachstum. Das letzte Gebot von 41 Euro je Aktie habe gezeigt, "welcher Wert unserem Unternehmen selbst im aktuell schwierigen konjunkturellen Umfeld zugemessen wird", so Berlien. Er lade aber die AMS-Führung zu Gesprächen darüber ein, wie "eine sinnvolle und für beide Unternehmen vorteilhafte Kooperation im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben" aussehen könne.

Es dürften schwierige Gespräche werden, denn der Osram-Vorstand war bislang nicht begeistert von der AMS-Offerte. Auch die Gewerkschaft und die Arbeitnehmervertreter waren sehr skeptisch. Viele fürchteten um die Unabhängigkeit, Osram könnte zu einer AMS-Filiale werden, hieß es, mit allen negativen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze.

Osram, eine ehemalige Tochtergesellschaft von Siemens, hatte in den vergangenen Jahren mit einem tiefen Stukturwandel in seiner Branche zu kämpfen. Das Geschäft mit Glühbirnen und Energiesparlampen, jahrzehntelang der Gewinnbringer der Münchner, wurde verkauft. Gleichzeitig wurde in neue Technologien investiert, Autohersteller oder Smartphonehersteller beliefert. Doch auch hier gab es zuletzt Probleme, insbesondere weil die weltweite Autokonjunktur stockt. Vorstandschef Berlien musste die Prognosen kassieren, die Aktie rutschte ab.

Trotzdem entwickelte sich in den vergangenen Monaten ein regelrechter Bieterwettkampf um das Traditionsunternehmen. Zunächst hatten die beiden US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle 35 Euro pro Aktie geboten, allerdings hatten sie lange Probleme, Banken für die Finanzierung zu gewinnen. Dann sprach sich der größte Osram-Aktionär, eine Investmentgesellschaft der Allianz, die knapp zehn Prozent hält, gegen die Offerte aus. Zu niedrig, lautete das Urteil. Dann kam AMS, die auch bereits einen kläglich gescheiterten Versuch unternommen hatten, ein zweites Mal und boten 38,50 Euro, später 41 Euro. Bain tat sich daraufhin mit einem dritten Finanzinvestor, nämlich Advent, zusammen. Nicht ausgeschlossen, dass diese Beiden erneut eine Übernahme starten wollen. "Aktuell findet noch eine Prüfung der Bücher durch die Finanzinvestoren Advent und Bain Capital statt, die eine Offerte für Osram in Aussicht gestellt haben", teilte Osram am Freitag mit. Alles ist möglich.

Auch AMS-Chef Alexander Everke sagte, man sei weiter an einem Erwerb von Osram interessiert. "Obwohl das hochattraktive AMS-Angebot für Osram nicht erfolgreich war, sind die strategische Logik und die bedeutenden Vorteile der Kombination von AMS und Osram weiter gültig", meinte Everke. Die Österreicher hatten bis zum Schluss gekämpft und mit großem Aufwand für ihre Offerte geworben, es gab eine teure Kampagne, sogar mit Radiospots - alles umsonst. Das Projekt war ohnehin ambitioniert: Einen "europäischen Champion" wollte der AMS-Chef schaffen - mutig, schließlich ist der Konzern, den er schlucken wollte, um einiges größer als AMS selbst: Das österreichische Unternehmen beschäftigt an die 9000 Mitarbeiter und setzte im vergangenen Jahr 1,4 Milliarden Euro um. Bei Osram, eine ehemalige Tochterfirma von Siemens, arbeiten 26 000 Menschen, der Umsatz lag 2018 bei knapp vier Milliarden Euro. AMS wollte die Übernahme vor allem mit Schulden finanzieren.

Osram wurde bereits vor mehr als hundert Jahren gegründet. 2013 dann brachte Siemens die Licht-Tochter an die Börse, Siemens-Aktionäre erhielten automatisch Papiere in ihr Depot. Deshalb gibt es noch rund 400 000 Osram-Aktionäre, ungewöhnlich viele.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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