Tierhaltung:Frischer Wind im Schweinestall

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Mit einer Abgabe auf Fleisch sollen Landwirte und Landwirtinnen dabei unterstützt werden, ihre Ställe tierfreundlicher umzubauen. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Die Idee einer "Tierwohlabgabe" setzt sich offenbar durch. Auch die Länder sind nun dafür.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Dass Julia Klöckner Wohl und Wehe der deutschen Tierhaltung egal wäre, lässt sich nun wirklich nicht behaupten. Unlängst wandte sich die Agrarministerin von der CDU an ihre Kabinettskollegin Christine Lambrecht (SPD), die Justizministerin. Diese solle das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb um ein Preiswerbeverbot für Fleisch erweitern, warb Klöckner. "Es ist fatal, dass Lebensmittel, gewonnen von einst lebenden Tieren, als Ramschware über die Theke gehen", ereiferte sich Klöckner. "Angesichts der Auswüchse bei der Werbung" sei schon aus ethischen Erwägungen "unser Handeln gefordert".

Doch Lambrecht hat den Ball mittlerweile elegant zurückgespielt: Zwar begrüße sie den Vorstoß, "Missstände bei der Fleischproduktion zu beseitigen und alle erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls zu ergreifen", schreibt Lambrecht. Aber schon mit dem Europarecht könne das kollidieren, und im Übrigen erfasse so ein Verbot dann zum Beispiel auch Biofleisch - "was Sie, so unterstelle ich, gar nicht intendieren". Außerdem müsse ein Werbeverbot im Fleischgesetz geregelt werden, schreibt Lambrecht - "für das Sie, sehr geehrte Frau Kollegin, federführend sind". Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Auch eine Arbeitsgruppe zur "wertschätzenden Kommunikation" in Klöckners Haus konnte sich nicht recht für so ein Verbot erwärmen.

Doch es gibt noch andere Wege. Diesen Donnerstag traf Klöckner mit den Agrarministern der Länder zusammen, es ging um die gleiche Baustelle, aber andere Methoden: Wie lassen sich die Zustände in deutschen Ställen ändern, ohne dass Mastbetriebe frustriert aufgeben? Und wie könnte sich ein höherer Standard samt höheren Preise auch im Handel durchsetzen lassen - also auch bei jenen Discountern, für die sich Klöckner das Werbeverbot ausgedacht hat?

Eine Expertenkommission hatte dafür schon im Februar Vorschläge gemacht. Unter Leitung des einstigen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert hatte das "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" empfohlen, schrittweise die Standards in deutschen Ställen zu erhöhen - über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg. Weil für die Landwirte damit enorme Investitionen verbunden sind, sollten sie vom Staat beim Umbau unterstützt werden, und das langfristig und verbindlich.

Die Kosten dafür taxierte die Kommission auf 3,6 Milliarden Euro. Auch für die Finanzierung machte sie einen Vorschlag: eine Verbrauchssteuer auf Fleisch und tierische Produkte. So könnten auf jedes Kilo Fleisch 40 Cent als "Tierwohlabgabe" aufgeschlagen werden, auf jedes Kilo Milch oder Frischmilchprodukte zwei Cent, und je Kilo Käse, Butter oder Frischmilchpulver 15 Cent. Erlös: schätzungsweise 3,6 Milliarden Euro.

Doch der Vorschlag birgt Sprengstoff, höhere Lebensmittelpreise sind unpopulär. Eine Steuer verprelle Verbraucher, warnte dieser Tage der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, in der SZ. Sinnvoller sei ein verbindliches Label, an dem sich Tierwohl erkennen lasse. Doch die Arbeiten daran stocken, sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Die Verbraucherschützer waren in letzter Minute aus der Kommission ausgestiegen. Alle übrigen Mitglieder, darunter Bauernverbände, Umweltschützer, Wissenschaftler und Behörden, trugen den Kompromiss mit. Und auch der Bundestag verlangte im Juli, die Bundesregierung möge die Empfehlungen "in Konsequenz und in Gänze" aufgreifen "und als Grundlage für die zukünftige Ausrichtung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (...) nutzen". Fehlten nur noch die Länder. CDU-Mann Borchert, mittlerweile 80, stellte seine Empfehlungen am Donnerstag selbst vor den Agrarministern vor - mit Erfolg: Auch die Länder stellten sich hinter die Idee, jedenfalls grundsätzlich. "Alle waren sich einig, dass die Tierhaltung umgebaut werden muss", sagte Borchert. Auch Saarlands Landwirtschaftsminister Reinhold Jost (SPD) lobte die Einmütigkeit, nicht einmal ein Sondervotum habe es gegeben, freute er sich. Es sei nun nicht mehr die Frage, ob es einen finanziellen Ausgleich gebe, sondern wie er umgesetzt werde, sagte Jost. Er war der Gastgeber der Konferenz. Das Wie soll eine Machbarkeitsstudie klären, bis zum Frühjahr soll sie fertig sein. "Wir müssen sehen, ob es europarechtlich funktioniert", sagte Klöckner. Ihr Ziel sei es, noch in dieser Legislaturperiode konkrete Vorschläge für den Umbau der Tierhaltung zu machen. Und bei dem Werbeverbot für billiges Fleisch will sie auch nach der Antwort aus dem Justizministerium nicht aufstecken. "Wie wir es regeln, da bin ich absolut offen", sagte sie. "Hauptsache, wir regeln es."

© SZ vom 28.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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