Jahrzehntelang spuckte der Automat verlässlich Bargeld aus. Und zwar gratis. So waren es die meisten Verbraucher gewohnt und umso irritierter reagierten sie, als im Frühjahr bekannt wurde, dass sich Dutzende Sparkassen und VR-Banken diese Dienstleistung inzwischen bezahlen lassen - teilweise schon seit Jahren, unbemerkt von Kunden und Medien. Einige Geldhäuser erheben bei manchen Kontomodellen bereits beim ersten Gang an den Automaten einen zweistelligen Centbetrag, andere gewähren zwei, drei oder fünf kostenlose Abhebungen.
Argumentiert haben die Sparkassen von Aurich bis Wittgenstein damals ähnlich: Es entstünden eben Kosten, wenn sie die Kunden mit Bargeld versorgen. Dass dies so ist, weiß Kersten Trojanus schon lange. Er ist Geschäftsführer des Geldautomatenbetreibers IC Cash und erhebt an jedem seiner Geräte eine Gebühr - je nach Standort mal knapp zwei Euro, mal fünf, teilweise noch mehr. Diese Gebühren sind notwendig, weil sogenannte Drittanbieter wie IC Cash ihren Betrieb nicht wie bislang die Banken durch das Kreditgeschäft querfinanzieren können. Trojanus sagt: "Den Geschäftsbanken ist bewusst, dass sie mit Geldautomaten kein Geld verdienen."
Unternehmen wie seines müssen hingegen schon immer kostendeckend arbeiten - und obendrein Geld verdienen. Ausgaben fallen zuhauf an, sagt Trojanus. Er stellt Mitarbeiter an, die damit beschäftigt sind, die Regularien der Finanzaufsicht Bafin zu erfüllen, er zahlt Miete für die Standorte, kauft Geldautomaten ein und lässt sie instand halten. Und: Er lässt sie alle paar Tage neu mit Bargeld befüllen, einer der größten Kostenfaktoren, wie Trojanus sagt. Etwa sieben Prozent seiner Aufwendungen fallen auf die Werttransportunternehmen, die das Bargeld vom Lager sicher zum Automaten bringen. Trojanus rechnet damit, dass eine Abhebung sein Unternehmen insgesamt 3,50 bis vier Euro kostet.
Ob jede Bank weiß, wie hoch der Aufwand ist, wenn ein Kunde Geld am Automaten zieht, bezweifelt Thomas Wollmann, Vorstand der auf Finanzdienstleister spezialisierten Beratung Investors Marketing. "Gut durchorganisierte Geschäftsbanken und Sparkassen wissen, was sie eine Abhebung kostet, doch bei kleineren Instituten gehen die Nebenkosten oft unter", glaubt der Berater. Er geht davon aus, dass für die Banken pro Abhebung 20 bis 70 Cent anfallen. Deutlich weniger als bei IC Cash, weil Banken Miet-, Heiz- oder Personalkosten auf die Filiale umlegen - es ist aber trotzdem noch ein spürbarer Posten. Spürbar zumindest, seit die Banken in Zeiten niedriger Zinsen weniger Geld verdienen.
Doch wie sollen die Institute ihren Kunden klarmachen, dass sie plötzlich zahlen sollen für eine Dienstleistung, die es lange Zeit umsonst gab? Jedenfalls nicht so, wie manche das versucht haben, finden Verbraucherschützer - nämlich scheinbar willkürlich. Im Frühjahr sorgten einige VR-Banken für Aufsehen, als bekannt wurde, dass sie je nach Tageszeit verschieden hohe Gebühren erheben. Manche Institute seien "zu kreativ" gewesen mit ihren Preisen, findet auch Wollmann. Trotzdem glaubt er, dass eine Gebühr, zumindest ab der dritten oder sechsten Abhebung, gang und gäbe werden wird. "Die Banken müssen in diesem Zinsumfeld zumindest einen Teil ihrer Kosten weitergeben", sagt er.
Zwei mögliche Alternativen gebe es aber: Entweder steigen die monatlichen Preise fürs Girokonto nochmals wahrnehmbar oder die Institute bauen Automaten ab. Sollte zweites zunehmend geschehen, dürfte es den Kunden ganz gelegen kommen, wenn sie künftig bei noch mehr Einzelhändlern Geld abheben können. Dort auch kostenlos.