Bargeld im Supermarkt:Die Ladenkasse wird zum Geldautomaten

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Der Geldautomat - er ist noch die in Deutschland am meisten verbreitete Art, rund um die Uhr an Bargeld zu kommen, aber bereits nicht mehr die einzige. (Foto: biky/imago)

Noch schrecken viele Kunden davor zurück, sich Bargeld im Supermarkt zu besorgen. Doch das Angebot könnte zum Massenphänomen werden.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

"Möchten Sie noch Geld abheben?" Diese Frage hat zweifellos jeder schon einmal gehört, der seine Lebensmitteleinkäufe mit Karte bezahlt. Schließlich kann man sich bei zahlreichen Supermarktketten wie Rewe oder Edeka schon seit Jahren bequem mit Bargeld versorgen, zumindest beim Einkauf ab 20 Euro Warenwert. Ein Massenphänomen aber ist diese Art, sich den Geldbeutel aufzufüllen, längst noch nicht - und das, obwohl gerade auf dem Land immer mehr Banken und Sparkassen ihre Filialen schließen und einige Geldhäuser neuerdings sogar den eigenen Kunden Gebühren am Geldautomaten abknöpfen. Wie Zahlen des Handelsverbands HDE zeigen, heben bislang trotzdem nur acht Prozent aller Supermarktkunden auch Bargeld ab, und das im Durchschnitt nur neunmal im Jahr.

Für die Händler ist es derzeit noch relativ teuer, den Kunden Bargeld auszuzahlen

Das jedoch könnte sich bald ändern, glauben Finanz- und Handelsexperten. Behalten sie recht, können die Kunden demnächst wohl auch bei McDonald's, Starbucks oder sogar kleineren Läden Bargeld ziehen - und zwar bis zu 200 Euro. Die leidige Suche nach dem passenden Geldautomaten wäre dann wohl Geschichte.

Hintergrund ist ausgerechnet eine eher nebensächlich wirkende technische Neuerung, die es den Händlern aber enorm erleichtert könnte, diese Dienstleistung anzubieten. Nach mehreren Jahren Vorarbeit hat Card Process, einer der wichtigsten Karten-Netzbetreiber Deutschlands, in dieser Woche als erster einen neuen Standard für die Auszahlungen umgesetzt. Der Kern: Die Händler können von sofort an den abgehobenen Betrag und den Einkauf getrennt ausweisen, was ihnen nicht nur die Buchhaltung erleichtert. "Von dieser Standardisierung profitieren jetzt auch kleine und mittlere Unternehmen", sagt Card-Process-Chef Carlos Gómez-Sáez.

Ähnlich sieht das Ulrich Binnebößel, Zahlungsexperte des Handelsverbandes Deutschland (HDE): "Das klingt nach einer eher kleinen Neuerung, bietet den Händlern aber auf einmal völlig neue Möglichkeiten." Zwar ist die Bargeldausgabe für die Händler auch so durchaus bequem: Sie müssen abends weniger Bargeld zur Bank bringen, was die Kosten senkt. Außerdem erhoffen sie sich Extra-Umsätze, weil Kunden oft noch ein paar Artikel zusätzlich kaufen, um die Mindestgrenze von 20 Euro pro Warenkorb zu erreichen, die notwendig ist für das Abheben. Und nicht zuletzt sinkt auch das Diebstahlrisiko. Dennoch ist es für die Händler relativ teuer, Bargeld auszugeben: Je 100 Euro Auszahlung muss der Händler bis zu 20 Cent Kartengebühr an die Bank des Kunden bezahlen.

Das aber könnte sich nun ändern, und zwar ausgerechnet dank der getrennt ausgewiesenen Beträge und der somit verbesserten Transparenz. "Damit sind die Händler von sofort an viel besser in der Lage, die Gebühr mit den Banken verhandeln", sagt Binnebößel. Die Händler könnten die Banken dann auch mit deutlich mehr Nachdruck darauf verweisen, dass damit deren eigene Kosten für ihre Geldautomaten sinken. "Wenn es günstiger wird, werden die Händler sicherlich stärker dafür werben und dann möglicherweise sogar kleinere Händler nachziehen", sagt Binnebößel.

Hinzu kommt: Den Banken und Sparkassen kommt das Angebot ebenfalls zupass - womöglich löst es sogar eines ihrer großen Probleme: Denn spätestens seit die Geldhäuser unter den Niedrigzinsen ächzen, ist die Diskussion um den Aufwand der Bargeldversorgung voll entbrannt. Noch gibt es mit 58 000 Geldautomaten deutschlandweit zwar ein dichtes Netz an Abhebestellen. Aber: Vor allem auf dem Land nimmt die Zahl der Filialen seit Jahren kontinuierlich ab. Damit können die Banken auch die Geldautomaten nicht mehr so leicht oder nur noch teuer betreiben. Erst unlängst sorgten einige Sparkassen und Volksbanken für Aufsehen, weil sie sich die Nutzung ihrer Automaten von den Kunden bezahlen ließen, nicht nur von jenen anderer Banken, sondern sogar von den eigenen. Und wer an einem Automaten einer anderen Bank Geld abhebt, zahlt ohnehin bereits deutlich mehr, seit die deutschen Geldhäuser vor zwei Jahren eine Vereinbarung für eine Gebührenobergrenze aufkündigten.

Allen voran von den öffentlich-rechtlichen Sparkassen wird aber zugleich erwartet, dass sie die Bevölkerung zuverlässig und bezahlbar mit Bankdienstleistungen versorgen. "Für die Banken und Sparkassen ist das Angebot der Händler daher sinnvoll. Sie können damit auf Umwegen auch die Kunden im ländlichen Raum gut mit Bargeld versorgen, ohne, dass sie ein dichtes Netz an Geldautomaten vorhalten müssen", sagt Sven Korschinowski, Zahlungsexperte der Beratung KPMG.

Kein Wunder, dass die Banken zunehmend erfinderisch werden mit Blick auf die Bargeldversorgung. Erst im Frühjahr etwa gingen die Sparda-Banken in Nürnberg und Augsburg eine Kooperation mit dem Fintech-Start-up Barzahlen ein. Zuvor hatten den Dienst nur reine Onlinebanken wie die DKB oder N 26 angeboten, die keine eigenen Niederlassungen haben. Mit den Sparda-Banken kommen nun auch echte Filialbanken hinzu. Der Clou: Mithilfe einer App können Kunden auf diese Weise bei zahlreichen Einzelhändlern Bargeld abheben - auch ohne dabei die Warenwert-Grenze von 20 Euro zu überschreiten.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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