Tengelmann:Lücken im Regal

Lesezeit: 1 min

Wartet wirklich ein böses Erwachen auf die Verbraucher - oder ist alles gar nicht so dramatisch? Lidl möchte dazu keine Auskunft geben. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Man dachte, die Querelen seien vorbei. Aber nein. Ausgerechnet in der größten Region hakt es bei der Übernahme durch Edeka.

Von Michael Kläsgen, Unterschleißheim

Die deutlichste Veränderung nach der Übernahme, zumindest hier auf der Betriebsversammlung der Tengelmänner und -frauen in Unterschleißheim? Statt wie früher "Wasser, Kekse und Bananen", wie der Betriebsratsvorsitzende von Bayern Manfred Schick auflistet, gibt es jetzt Schokofrüchte am Spieß, belegte Brötchen, Brezn, Säfte und Kaffee. Dank Edeka, dem neuen Eigentümer von Kaiser's Tengelmann. Die etwa 2000 Geladenen, darunter einige Edeka-Manager, laben sich daran. Über der Bühne prangt das gelbe Edeka-Herz. Daneben steht: "Wir lieben Lebensmittel und freuen uns auf unsere neuen Kolleginnen und Kollegen". "Ich hoffe, Sie lieben Ihre neuen Mitarbeiter so wie Ihre Lebensmittel", stichelt Schick in Richtung Edeka-Management, erzählen hinterher einige, die bei der nicht-öffentlichen Veranstaltung anwesend waren.

Leider klappt bei der Eingliederung der 175 Tengelmann-Filialen in Bayern nicht alles so gut, wie das Catering im Ballhausforum - ganz im Gegensatz zu Berlin und Nordrhein. "Die Integration funktioniert nicht gut", klagt Stephan Dellabetta, der Noch-Manager der Region München/Oberbayern, der nach 36 Jahren bei Tengelmann ausscheiden muss. Seit Anfang März klaffen Lücken in den Tengelmann-Regalen. Bestimmte Produkte fehlen einfach. Es hakt bei der Umstellung auf die neue EDV von Edeka und bei der Logistik. In zwei Wochen soll aber alles geregelt sein. Vielen, die bei Tengelmann einkaufen, könnte das zu spät sein. 2,5 Millionen Kunden soll Tengelmann im vergangenen Jahr schon verloren haben.

Doch die IT ist nicht alles, woran es hapert. 4500 unbezahlte Überstunden sollen sich seit Jahresbeginn angehäuft haben, weil die Tengelmann-Mitarbeiter keinen Zugriff auf Edekas Software für die Personalplanung haben. Arbeitskleidung, wie die schwarzen T-Shirts und Polohemden, gibt es bei Edeka auch nicht. Ebenso wenig ein großes Herz für Betriebsräte. Auch deswegen ist Schick sauer. Kurz vor der Mittagspause, erzählen Anwesende, stand der ganze Saal, jubelte und klatschte rhythmisch, als Schick raue Töne anschlug. "Sie können das Betriebsverfassungsgesetz nicht in den Müll werfen. Es gibt eine rote Linie. Ansonsten werden Sie den Zorn der Beschäftigen zu spüren bekommen."

Ach ja, und dann meldete sich noch der Außenminister zu Wort, so halbprivat als Genosse beziehungsweise ehemaliger Wirtschaftsminister. Es sei ihm eine "Herzensangelegenheit gewesen, dass wir das zusammen durchgestanden haben", sagte Sigmar Gabriel in einer aufgezeichneten Videobotschaft. Und keiner soll gelacht haben.

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: