Ted-Konferenz in Kanada:Nächste Runde im Informationskrieg zwischen NSA und Snowden

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Nächste Runde im Schlagabtausch zwischen der NSA und Edward Snowden: Richard Ledgett im Videointerview (Foto: James Duncan Davidson)

Erst gibt der Whistleblower auf dem Ideenfestival der Ted Conference ein Videointerview. Dann darf die NSA nachlegen. Richard Ledgett, der stellvertrende Chef des Geheimdienstes, nennt Edward Snowden arrogant und spricht von "Vermutungen und Halbwahrheiten", räumt jedoch auch eigene Versäumnisse ein.

Von Andrian Kreye, Vancouver

Der Informationskrieg zwischen dem NSA-Enthüller Edward Snowden und der NSA geht in eine neue Phase. Am Dienstag wurde Snowden von einem unbekannten Ort irgendwo in Moskau per Satellit auf den Bildschirm eines Roboters auf der Bühne des Ideenfestivals Ted Conference im kanadischen Vancouver zugeschaltet. Am Donnerstag folgte ein Videoauftritt des stellvertretenden NSA-Chefs Richard Ledgett, der bei dem amerikanischen Nachrichtendienst für den Fall Snowden zuständig ist.

Snowden versuchte bei seinem Gespräch mit dem Leiter der Ted Conference, Chris Anderson, die Diskussion gleich in der ersten Antwort von seiner Person auf die Sache an sich umzulenken. Er sei ja vom Whistleblower über den Helden bis zum Verräter schon alles Mögliche genannt worden, wie er sich denn selbst sehe, hatte Anderson gefragt. "Wer ich bin, spielt keine Rolle", sagte Snowden. "Was hier wirklich zählt, sind die Fragen - welche Regierung wollen wir? Welches Internet wollen wir? Welches Verhältnis zwischen den Menschen und der Gesellschaft?"

Er relativierte den Zorn großer Teile der Weltöffentlichkeit auf die Geheimdienste: "Sie tun vieles, was getan werden muss. Aber zu viele Entscheidungen wurden im Geheimen gefällt." Und er erklärte auch, warum er an die Öffentlichkeit ging: "Hätte ich mich an den Kongress gewandt, hätte die Öffentlichkeit vieles nicht erfahren."

Ein paar Beispiele nannte er auch. Das Prism-Programm, das keineswegs nur Metadaten abgreife, sondern Inhalte. Die Totalüberwachung durch das Programm "Boundless Informant" (grenzenloser Informant). Die Tatsache, dass die NSA zwischen April 2011 und März 2012 ganze 2776 Mal die Datenschutzgesetze verletzte. Die Antwort auf die Frage, ob Snowden ein Held oder ein Verräter sei, lieferte dann Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, der im Publikum saß und auf die Bühne gebeten wurde: "Ein Held."

Ledgett setzt den Ton mit seinem ersten Statement

Weil im Publikum aber auch der CEO einer Firma saß, die auch einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit der NSA betreut, gab Chris Anderson am Donnerstagvormittag dem stellvertretenden NSA-Chef Richard Ledgett die Gelegenheit, auf Snowden zu antworten. Der saß im NSA-Hauptquartier in Maryland vor einer verknitterten sandfarbenen Plane neben einer amerikanischen Flagge, was seinem Auftritt etwas Militärisches gab.

Und er setzte den Ton gleich mit seinem ersten Statement, Snowdens Enthüllungen hätten eine Menge Vermutungen und Halbwahrheiten in die Welt gesetzt. Er hätte sich auch keineswegs an die Öffentlichkeit wenden müssen. "Snowden hatte durchaus Alternativen. Er hätte sich an seine Vorgesetzten wenden können. An die Generalinspekteure der NSA, des Verteidigungsministeriums, der Geheimdienste, an die zuständigen parlamentarischen Ausschüsse."

Die Argumentation erinnerte streckenweise an die Reaktionen der amerikanischen Regierung auf die Wikileaks-Enthüllungen: "Snowden hat Menschen in Lebensgefahr gebracht. Unsere Diplomaten und Angehörige der Streitkräfte in Übersee, aber auch Angehörige anderer Nationen." Die Enthüllungen der Vorgehensweisen der Geheimdienste hätten die Handlungsfähigkeit der NSA auch schwer eingeschränkt: "Viele Zielpersonen sind daraufhin verschwunden. Menschen- und Drogenhändler, Personen, die daran beteiligt sind, illegale Waffen zu produzieren." Damit seien auch die Nuklearprogramm Nordkoreas und Irans gemeint.

"Es gehört schon unglaubliche Arroganz dazu, zu glauben, man wisse besser, wie die Regierung aufgebaut sein sollte, als die Autoren unserer Verfassung", fuhr er fort. Ledgett erklärte auch, warum es unbedingt nötig sei, so viele Daten zu sammeln und auszuwerten: "Wir haben es hier mit dem globalen Telekommunikationssystem zu tun. Das ist äußerst komplex. Und die Schurken sind überall. Es wäre ja schön, wenn sie alle in einer Ecke operieren würden." Deswegen sei es eben nötig, alle Daten abzugreifen.

"Wir müssen transparenter sein"

"Bei unserer Suche finden wir natürlich auch Daten gesetzestreuer US-Bürger und Bürger anderer Länder", sagt er. "Wir unternehmen große Anstrengungen, diese Daten zu schützen." Und er betonte: "Bürger anderer Länder, die amerikanische Dienste nutzen, haben die gleichen Rechte auf Datenschutz wie Amerikaner."

Ted-Chef Chris Anderson ließ nicht locker. So gab Ledgett auch zu: "Wir müssen transparenter sein." Es gäbe immer das Dilemma, sich zwischen Transparenz und Sicherheit zu entscheiden. Doch die Geheimdienste spielten da eine Sonderrolle. "Wir brauchen unbedingte Transparenz, was die Regierung und ihre Verfahren betrifft. Wir dürfen aber keinesfalls die Vorgehensweise der Geheimdienste so veröffentlichen, dass unsere Feinde das für zu ihrem Vorteil nutzen können."

Auf Andersons Frage nach einer Amnestie für Snowden, deutete Ledgett an, dass es durchaus einen Deal mit Snowden geben könnte. Snowden selbst wäre dazu durchaus bereit. "Wenn mir die Regierung einen Deal anbietet, käme ich zurück (nach Amerika)", sagte er. "Aber ich werde nicht aufhören, für die Interessen der Öffentlichkeit zu arbeiten, nur um mir selbst Vorteile zu verschaffen." Zum Abschluss versprach er dann noch, wovor die NSA sich besonders fürchtet. "Einige der wichtigsten Enthüllungen kommen erst noch."

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