Techniker-Streik bei der Lufthansa:Ein Bumerang für Verdi

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Fieberhaft versucht die Lufthansa, streikende Techniker zu umgehen. Maschinen werden bereits im Ausland gewartet. Experten glauben, der Notfallplan wird der Auftakt zu einer Jobverlagerung sein.

Tobias Dorfer

Mit Superlativen spart Verdi derzeit nicht. Die "Achillesferse der Lufthansa" wolle man mit dem Streik der Techniker treffen, lässt die Gewerkschaft verlauten. Vor dem Hintergrund, dass die Achillesferse in der griechischen Mythologie die einzige verwundbare Stelle am Körper des griechischen Sagenhelden Achilleus war, ist diese Rhetorik sehr ambitioniert.

Streikende Lufthansa-Techniker in Hamburg: "Achillesferse des Konzerns"? (Foto: Foto: dpa)

Denn natürlich hat die Lufthansa noch viele weitere Achillesfersen - doch zweifelsohne ist die Technik einer der Schlüsselbereiche. Ein Streik der Techniker trifft die Fluglinie besonders. Denn Verdi will den Konzern von unten lahmlegen - und sind die Flugzeuge nicht ordnungsgemäß gewartet, stellt sich die Frage gar nicht, ob Flugbegleiter, Check-in-Personal oder Mitarbeiter des Caterings die Arbeit niederlegen. Die Flugzeuge müssen dann ohnehin am Boden bleiben.

Die Konzernstrategen der Lufthansa haben das natürlich registriert. Fieberhaft überlegen sie sich Alternativen - und scheinen fündig geworden zu sein. Um dem Streik in Deutschland zu entgehen, habe die Lufthansa Wartungsarbeiten einfach ins Ausland verlegt, berichtet die Bild-Zeitung. Platzt durch diesen Schachzug der Streik der Techniker wie eine Seifenblase?

Suche nach Alternativen

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Zwar bestätigt ein Sprecher von Lufthansa Technik, dass Wartungsarbeiten derzeit teilweise im Ausland vorgenommen werden - allerdings "nicht in vollem Umfang". Einfachere Arbeitsschritte, die täglich durchgeführt werden müssten, könnten im Ausland erledigt werden. Doch die gesamte Wartung außerhalb Deutschlands durchführen zu lassen, sei unmöglich. Denn Lufthansa Technik ist längst ein internationaler Konzern mit 25.000 Mitarbeitern in 29 Gesellschaften. Jeder Standort hat sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisiert - in Irland werden beispielsweise vor allem die Triebwerke gewartet.

An den großen deutschen Technik-Standorten Hamburg und Frankfurt am Main werden vor allem Arbeiten gemacht, die "eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter erfordern", sagte der Sprecher - und diese Aufgaben könnten nicht ohne weiteres im Ausland durchgeführt werden. Im Klartext heißt das: Ohne die deutschen Standorte geht gar nichts. Das verdeutlicht auch ein Blick auf die Personalstruktur: Von den 25.000 Mitarbeitern der Lufthansa Technik arbeitet die Hälfte in Deutschland. Die Angestellten in Dublin, Chicago oder Kuala Lumpur könnten die deutschen Kollegen nicht ersetzen. "Auf Dauer kann man so keine Flotte warten", sagte der Sprecher von Lufthansa Technik.

Deshalb sucht der Konzern auch in Deutschland nach Möglichkeiten, die Streikmaßnahmen zu umgehen. Techniker aus dem Ausland werden vermehrt an den deutschen Standorten eingesetzt. Zudem besteht nach Angaben des Lufthansa-Technik-Sprechers auch die Möglichkeit, in Deutschland auf andere Anbieter auszuweichen.

Abhängigkeiten reduzieren

Verdi frohlockt bereits. "Die Gegenmaßnahmen kosten richtig Geld", sagte ein Gewerkschaftssprecher am Mittwoch auf Anfrage von sueddeutsche.de. Doch möglicherweise freuen sich die Verdi-Vertreter zu früh: Denn genau dieser Punkt könnte sich für Verdi als Bumerang erweisen. Experten sehen die momentanen Notmaßnahmen der Lufthansa als Vorboten für eine generelle Verlagerung von Wartungsarbeiten ins Ausland. "Bei der Wartung von Flugzeugen sind Personalkosten ein entscheidender Faktor", sagte Klaus-Heiner Röhl vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) - und die seien in Deutschland relativ hoch.

Die hohe Abhängigkeit von den deutschen Standorten zu reduzieren könnte für die Lufthansa durchaus verlockend sein, glaubt IW-Experte Röhl. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Vorkommnisse und einer wachsenden Streikbereitschaft in Deutschland wäre das eine logische Konsequenz."

Bei Verdi gibt man sich noch gelassen. Eine stärkere Verlagerung der Wartungsarbeiten ins Ausland sei nicht möglich und auch die Lufthansa redet nicht über derartige Pläne. Doch dieser Zustand müsse nicht in Stein gemeißelt bleiben, glaubt Röhl und prognostiziert: "Die Frage stellt sich bereits mittelfristig."

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