SZ-Nachhaltigkeitsgipfel:"Wirtschaftliche Stärke ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie"

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Die ehemalige BASF-Managerin Saori Dubourg kritisiert den Green Deal der EU (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Die ehemalige BASF-Vorständin Saori Dubourg macht sich Sorgen um die Wettbewerbskraft Deutschlands.

Von Elisabeth Dostert

Saori Dubourg ist viel in der Welt herumgekommen. Sie hat mehr als ein Vierteljahrhundert für BASF gearbeitet, saß viele Jahre im Vorstand. Es gab Länder, Beispiel Pakistan, erzählt sie beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel in München, da saßen nach einem langen Verhandlungstag die Frauen an einem Ende des Tisches und die Männer am anderen. Am Flughafen dachte Dubourg dann, was für Glück es sei, "richtig toll", dass sie auf einem Kontinent - Europa - geboren sei, und in Deutschland, wo viele Dinge selbstverständlich seien. In Deutschland gebe es eine ausgeprägte Beschwerde-Kultur, sagt Dubourg. Sie wünscht sich, dass "wir ab und zu die Ärmel hochkrempeln und uns einsetzen für Europa, weil es viele Werte gibt, leider nicht mehr überall, für die es lohnt, sich einzusetzen. Wirtschaftliche Stärke ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie." Für diesen Satz bekommt sie viel Beifall.

Aber Dubourg macht sich Sorgen um diese Stärke, um die Wettbewerbskraft Europas und Deutschlands in der Welt. "Wir haben mehrere tektonische Verschiebungen in der Welt", sagt Dubourg. Sie verweist auf den Klimawandel, Covid, die Geopolitik, wozu auch, aber nicht nur der Angriff Russlands auf die Ukraine gehört. "Wir kommen aus einem Zeitalter der Globalisierung in ein Zeitalter der Ressourcennutzung", sagt Dubourg. Früher basierten viele Geschäftsmodelle darauf, möglichst viel Volumen zu machen. Das funktioniert nicht mehr. Dubourg nennt auch ein Beispiel. Früher ging es darum, möglichst viele Pflanzenschutzmittel zu verkaufen, heute gehe es immer noch um das Produkt, aber auch um digitale Dienstleistungen für einen ressourcenschonenderen Einsatz.

Eine der zentralen Frage für Dubourg ist, wie Deutschland seine Energieversorgung sichert. Welche Existenzrolle Energie spielt, weiß sie als ehemalige BASF-Managerin nur allzu gut. Die Grundstoffindustrie braucht viel Energie und die kam über Jahrzehnte billig aus Erdgas und Erdöl. Nach Meinungsverschiedenheiten über die Strategie des Konzerns verließ Dubourg im Februar 2023 binnen weniger Tage den Chemiekonzern. Sie ging vorzeitig, ihr Vertrag wäre noch bis 2025 gelaufen. Ihr ganzes Berufsleben hat sie bei BASF verbracht. Schon als Praktikantin lernte sie den Konzern kennen, 1996 begann sie dann nach dem Studium der Betriebswirtschaft im Marketing. Sie war für BASF in den USA, Japan und Singapur. Nach dem recht abrupten Ausstieg bei BASF im vergangenen Februar war es still geworden um Dubourg, wobei: Eine Laute war sie nie. Sie redet leise, sorgfältig und bestimmt, wie jetzt auf der Bühne im Munich Urban Colab beim Nachhaltigkeitsgipfel. Es genüge nicht, nur die Verfügbarkeit von Energie zu betrachten, sondern auch die Kosten. Dubourg mahnt zu Kooperationen mit anderen Ländern. "Der Energiemix ist die licence to operate", sagt Dubourg.

Eine andere Sorge: die Bürokratie. Dubourg will eigentlich den Green Deal der EU-Kommission nicht ganz verdammen, aber dann klingt sie doch so, als sei der bloß gut gemeint, aber nicht wirklich gut gemacht. Und mit dem Inflation Reduction Act, mit dem die USA gezielt nachhaltige Energien und Technologie fördern, könne der Green Deal schon gar nicht mithalten, so klingt Dubourg. Der Inflation Reduction Act ermögliche es der Industrie, mit den geförderten Geschäftsmodellen auch Geld zu verdienen, solche Anreize setze der Green Deal nicht. Statt Anreize zu setzen, werde zu viel reguliert. Dubourg benennt auch die Chancen Deutschlands im internationalen Wettbewerb: Innovationen, weil es viele tolle Unternehmen in Deutschland gebe mit vielen tollen nachhaltigen Lösungen. Die Frage sei nur, "ob wir noch Lust auf Innovationen haben". Mehr Technologieoffenheit wünscht sich Dubourg: "Da können wir noch besser werden." Wenn der Energiemix die Betriebslizenz sei, seien Innovationen die Kür. Alles, was sie sagt, klingt so, als handele es sich um dringliche Aufgaben.

Seit Jahren drängt Dubourg darauf, die Rentabilität von Unternehmen nach neuen Maßstäben zu berechnen. Auch ökologische wie Wasserverbrauch, CO₂-Ausstoß und soziale Faktoren wie das Humankapital sollten einfließen. Die Art, die Bücher zu führen, stamme aus dem 15. Jahrhundert. Der italienische Mathematiker und Franziskaner-Mönch Luca Pacioli beschrieb die doppelte Buchführung. "Er war ein sehr kluger Mann", sagt Dubourg, "aber damals gab es noch keinen Klimawandel und keine Digitalisierung. Das Thema Nachhaltigkeit treibt sie um. Sie ist Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung, der die Bundesregierung berät. Sie sitzt im Steuerungskreis der G7 Impact Taskforce und im Kuratorium des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik.

Die Taskforce ist wie Dubourg überzeugt davon, dass die Volkswirtschaften heute den Bedürfnissen der Menschen und des Planeten nicht nachkommen. Es gebe eine, wie es auf der Homepage der 2021 geformten Initiative heißt, "eklatante Lücke" zwischen den Worten und dem Handeln von Systemen, die Wohlstand und Klimaschutz für alle bringen wollen. In der Value Balancing Alliance setzt sich Dubourg für die Einführung einheitlicher Reporting-Standards ein, die den Wert der Wirtschaft für die Gesellschaft besser abbilden. Es wäre die Verbindung von betriebswirtschaftlichen und makroökonomischen Größen. Wenn heute ein Unternehmen investiere, um die Umweltlasten zu senken, gehen ihr zufolge die Maßnahmen in Form von Kosten in die Bilanz ein, der Impact für die Umwelt bleibe außen vor. "Ich bin wirklich für Wettbewerb", sagt Dubourg, "aber nicht bei Methoden. Wir haben im Moment viel zu viele unterschiedliche Reporting-Standards."

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