"Speichern Sie Ihre kostbarsten Momente dort, wo sie am sichersten sind: zu Hause." Mit diesem Slogan tritt die Swisscom seit drei Jahren mit dem eigenen Online-Speicherdienst MyCloud an gegen die übermächtige internationale Konkurrenz an wie Dropbox, Google Drive oder Apples iCloud. Die Standortfrage als Hauptargument für MyCloud hat gegriffen: Heute speichern über 400 000 Schweizerinnen und Schweizer Privatbilder und Videos auf MyCloud.
Hunderte Kundinnen und Kunden mussten in den vergangenen Tagen jedoch feststellen, dass es nicht die beste Idee gewesen ist, dem Mobilfunkanbieter die kostbarsten Momente anzuvertrauen - Ferienerinnerungen, Hochzeitsbilder, Zeugnisse. Die Swisscom bestätigte auf Anfrage, dass die Firma Daten ihrer Kunden kürzlich aus Versehen und unwiderruflich gelöscht hat. Das Malheur sei komplett selbst verschuldet, sagt die Swisscom. Man bedauere das außerordentlich. "Es handelt sich um einen Fehler, der bei der internen Entwicklung einer Software-Komponente entstanden ist." Wie viele Kunden betroffen sind, wollte die Swisscom nicht angeben. Sie spricht von "einigen Hundert MyCloud-Nutzern".
Passiert ist die Löschung bereits 2018, vor gut zwei Wochen habe man die Betroffenen informiert. Öffentlich nahm Swisscom erst auf Anfrage des Schweizer Tages-Anzeigers Stellung. Der Swisscom war demnach offenbar umgehend aufgefallen, dass ein Computer-Skript sich selbständig gemacht hatte. Anstatt öffentlich über die Panne zu informieren, entschied sich das Unternehmen jedoch erst deutlich später, betroffene Kunden telefonisch zu benachrichtigen. In persönlichen Gesprächen wurden sie auf die gelöschten Dateien aufmerksam gemacht. Zudem bot die Swisscom den Kunden finanzielle Entschädigung an, in einem Fall laut Tages-Anzeiger zum Beispiel 50 Franken. Mit allen betroffenen Nutzern habe man eine einvernehmliche Lösung gefunden, teilt Swisscom mit.
2017 gerieten 800 000 Daten von Privatkunden in falsche Hände
Um wie viele gelöschte Daten es sich genau handelte, wollte das Unternehmen nicht angeben. Im Schnitt seien pro Kunde nur fünf Prozent der Daten von der Löschung betroffen gewesen. Die Bandbreite der betroffenen Daten war allerdings groß. Ein My-Cloud-Nutzer gab an, dass rund 80 seiner Dateien verschwunden seien: "Viele Fotos, einige Videos und etwas Musik." Es habe sich dabei aber nur um einen Bruchteil aller Files gehandelt, die er auf MyCloud geladen hätte. Ein Fotograf erzählt, rund 90 Prozent der Daten seien nicht mehr auffindbar - er verlor Tausende Fotografien. Zu seinem Glück habe er seine Bilder aber auch lokal abgespeichert.
Für die Swisscom ist der Vorfall nicht nur peinlich, sondern auch geschäftsschädigend. Abgesehen vom Standort - die Gewissheit für Kunden, dass deren Daten in der Schweiz bleiben und nicht etwa einem Internetkonzern oder gar fremden Geheimdienst in die Hände fallen - hat der Schweizer Mobilfunkanbieter gegenüber der Konkurrenz wenig zu bieten. Die Internetkonzerne haben größere Technikteams, die sich um die Weiterentwicklung der Produkte kümmern, weil sie auf ein globales Publikum zielen. So ist zwar die Übertragung von Daten auf MyCloud verschlüsselt, die Speicherung allerdings nicht. Das heißt: Für Servicemitarbeiter der Swisscom sind sie einsehbar. Das ist beim Konkurrenten Dropbox anders, wo alle Daten verschlüsselt und nur für den Nutzer einsehbar sind.
Für die Swisscom ist es die zweite größere Datenpanne, die in jüngster Zeit bekannt wurde. So stellte das Unternehmen Ende 2017 fest, dass die Daten von 800 000 Privatkunden - Namen, Adressen, Geburtsdaten und Telefonnummern - in falsche Hände geraten waren, darunter auch die von Swisscom-Chef Urs Schäppi. Betroffen vom Leck war nicht das Unternehmen selbst, sondern eine Partnerfirma. Der Name wurde bis heute nicht bekanntgegeben.
Nicht zuletzt aber sind es die Kunden, die durch die Löschungen am meisten verloren haben. Wenn sie mit der Wiedergutmachung von 50 Franken nicht einverstanden sind, haben sie nur wenige rechtliche Möglichkeiten. Der Zürcher Internetanwalt Martin Steiger sagt: "In den Nutzungs- und Teilnahmebedingungen schützt sich die Swisscom gegen jegliche Haftung - wie das bei solchen Internetverträgen oft der Fall ist." Wer dennoch Schadenersatz fordern möchte und sich mit der Swisscom nicht einvernehmlich einigen kann, dem empfiehlt Steiger den Gang vor den Friedensrichter. Ohne erfolgreiche Schlichtung sei dann immer noch eine Klage möglich. "Aber ob sich das lohnt?", fragt er. Denn das werde teuer, und die Daten seien ohnehin weg - für immer.