Streitthema Subventionen:Total daneben

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Ökonomen halten Sparerfreibeträge und Riester-Rente noch für einigermaßen sinnvoll - aber die Steuerfreiheit von Nacht- und Sonntagsarbeit für völlig überflüssig.

Claus Hulverscheidt

Es ist eines dieser Themen, bei denen PR-Berater Gänsehaut bekommen und vernunftbegabte Politiker möglichst unbeteiligt in die Gegend schauen sollten - es sei denn, jemand will seine 15 Minuten Ruhm, die ihm laut Warhol zustehen, für eine Schlagzeile im Zentralorgan des deutschen Stammtischs verschwenden: "Sauerei: Krankenschwester soll Steuersenkung für den Chefarzt bezahlen!"

Krankenhauspersonal profitiert ganz besonders von Steuersubventionen. Zu Unrecht? (Foto: Foto: dpa)

So oder ähnlich wird die Überschrift lauten, sollte es ein Polithasardeur tatsächlich wagen, die weitgehende Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Schichtzuschlägen abzuschaffen. So erfolgreich die Bundesregierung beim Subventionsabbau in den letzten zehn Jahren war - diese eine Subvention wird es wohl auch nach Ablauf der nächsten zehn Jahre noch geben.

Hilfen im Wert von 18 Milliarden Euro

Ökonomen haben es da leichter, sie müssen nicht alle vier Jahre vor den Wähler treten und um eine Mandatsverlängerung bitten. Und so haben sich Volkswirte des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln (FiFo Köln), des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Beratungsunternehmens Copenhagen Economics daran gemacht, die 20 teuersten Steuersubventionen des Bundes auf ihren Sinn, ihre Wirksamkeit und ihre Transparenz zu überprüfen. Herausgekommen ist eine interessante Studie, die aber wohl dennoch bei den anderen ihrer Art im Schrank gelandet wäre, hätte nicht der Auftraggeber aufhorchen lassen: das Bundesfinanzministerium.

Was das Haus von Wolfgang Schäuble mit der Expertise will, ist unklar - normalerweise aber lässt man solche Untersuchungen nicht ohne einen Hintersinn anfertigen. Ein möglicher Anlass für die Studie liegt auf der Hand, schließlich muss der Bund zwischen 2011 und 2016 das konjunkturbereinigte Haushaltsdefizit jedes Jahr um etwa zehn Milliarden Euro verringern - und auch wenn man davon im Ministerium nichts wissen will: Es kann ja nicht schaden, sich rechtzeitig für die anstehenden Einsparverhandlungen zu munitionieren.

Insgesamt reißen die 20 untersuchten Steuersubventionen ein Loch von etwa 18 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen. Nach Einschätzung der Gutachter sollten fünf dieser Privilegien im Umfang von 4,8 Milliarden Euro abgeschafft und weitere zehn Vergünstigungen im Volumen von 10,8 Milliarden Euro überarbeitet und gekürzt werden. Nur fünf Steuervorteile werden als insgesamt vernünftig eingestuft. Sie verursachen Mindereinnahmen von 2,8 Milliarden Euro. Würden die Vorschläge der Ökonomen umgesetzt, hätten Bund, Länder und Gemeinden überschlagsweise zehn Milliarden Euro mehr in der Kasse.

Ganz oben auf der Streichliste steht die besagte Steuerfreiheit von Schichtzuschlägen, die pro Jahr zwei Milliarden Euro kostet. Nach Meinung der Volkswirte ist es jedoch nicht Aufgabe des Staates, Anreize für die Arbeit zu bestimmten Zeiten zu setzen. Vielmehr sollte der Arbeitgeber zahlen, wenn er möchte, dass seine Beschäftigten zu diesen Zeiten arbeiten.

Für ebenso überflüssig halten die Ökonomen die Steuerfreiheit von Flugbenzin (Volumen: 395 Millionen Euro), die Steuerförderung börsennotierter Immobilienfirmen (Reits, 325 Millionen Euro) und die Arbeitnehmersparzulage (265 Millionen Euro). Alle drei Subventionen verzerren entweder den Wettbewerb, verursachen riesige Mitnahmeeffekte oder erfüllen - wie im Fall der Sparzulage - ihren Zweck nicht. Ähnlich brisant wie das Thema Nacht- und Schichtzulagen ist der Streichvorschlag Nummer fünf: Demnach soll die Mehrwertsteuerermäßigung für kulturelle Leistungen (1,82 Milliarden Euro) komplett entfallen, da auch sie ihr Ziel nicht erreicht.

Für generell sinnvoll halten die Ökonomen dagegen den Sparerfreibetrag, die steuerliche Förderung der Riester-Rente, die sogenannte Tonnagebesteuerung von Handelsschiffen, die Mehrwertsteuerermäßigung für Leistungen von Zahntechnikern sowie die Steuerzulage für Ausrüstungsinvestitionen.

Zwar besteht ihrer Einschätzung nach auch hier Nachbesserungsbedarf, zumeist aber nur im Detail. Deutlich größere Probleme haben die drei Institute mit den verbleibenden zehn Steuersubventionen, die aus ihrer Sicht nur im Falle einer massiven Überarbeitung erhalten werden sollten. Ein Beispiel dafür sind die Steuerermäßigungen für die Renovierung von Privathäusern und -wohnungen (2,2 Milliarden Euro).

Sie sind aus Sicht der Volkswirte generell vernünftig, weil sie die Schwarzarbeit eindämmen. Die Regelung sei jedoch viel zu großzügig und führe zu gravierenden Mitnahmeeffekten. Im seit Jahren andauernden Streit um die Stromsteuerermäßigung für energieintensive Betriebe (1,85 Milliarden Euro) plädieren die Ökonomen dafür, die Subvention auf diejenigen Unternehmen zu konzentrieren, die tatsächlich viel Strom benötigen und die im internationalen Wettbewerb stehen. Die derzeit ebenfalls privilegierte Landwirtschaft gehöre jedenfalls nicht dazu.

© SZ vom 08.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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