Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stellt angesichts der Kritik von Lungenärzten die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide in Frage - und stößt damit auf heftigen Widerstand beim Koalitionspartner SPD. "Unser Kompass sollte der Schutz der Gesundheit der Menschen sein. Das scheinen manche aus den Augen zu verlieren", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. "Es trägt nicht zur Versachlichung und erst recht nicht zur Lösung von Problemen bei, wenn wir jetzt bei jedem einzelnen Debattenbeitrag die Grenzwerte grundsätzlich in Frage stellen."
Scheuer hatte zuvor in einem Interview mit der Bild am Sonntag erklärt, die Stellungnahme von gut 100 Lungenärzten aus der vergangenen Woche müsse dazu führen, die Umsetzung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern. Es müsse "die masochistische Debatte beendet werden, wie wir uns in Deutschland mit immer schärferen Grenzwerten selbst schaden und belasten können", sagte der CSU-Politiker. Scheuer sprach sich zudem dafür aus, die Messstellen in den Städten zu überprüfen, an denen die Belastung der Luft kontrolliert wird.
"Grenzwerte fußen auf solider wissenschaftlicher Arbeit"
Umweltministerin Schulze sieht dagegen - anders als die Lungenärzte und Scheuer - keinen Grund dafür, an den bisherigen Grenzwerten zu zweifeln. "Diese Grenzwerte fußen auf solider wissenschaftlicher Arbeit und werden regelmäßig überprüft", sagte die Bundesumweltministeirn. "Statt uns von Ablenkungsmanövern irritieren zu lassen, sollten wir beherzt handeln und die Kommunen noch besser beim Saubere-Luft-Programm unterstützen. Dazu gehört zum Beispiel, die Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen so schnell wie möglich voran zu bringen."
Verkehrminister Scheuer hatte zuletzt immer wieder Zweifel an der Nachrüstung erkennen lassen. Auch Vertreter der Autoindustrie hatten sich immer wieder kritisch zu der Maßnahme geäußert, mit der sich Fahrverbote umgehen ließen. In der Debatte um mehr Klimaschutz forderte Schulze nun eine Initiative des Verkehrsministers. "Ich bin gespannt, welche Vorschläge er wie verabredet Ende März zur Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehrsbereich präsentieren wird", sagte die SPD-Politikerin.
Der Vorstoß von etwa hundert Lungenärzten hatte in den vergangenen Tagen eine intensive öffentliche Debatte ausgelöst. Die Lungenärzte stellten die Wissenschaftlichkeit der geltenden Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in Frage. Die Transparenzinitiative Lobby Control wies darauf hin, dass es sich bei einem der Verfasser der Stellungnahme um einen früher beim Autobauer Daimler beschäftigten Motorentwickler handle, der heute an einem Technologieinstitut in Karlsruhe arbeite.
"Es gibt eben Kräfte in diesem Land, die wollen erst den Diesel zerstören und dann den Benziner"
Scheuer attackierte in dem Interview auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die derzeit in zahlreichn Prozessen versucht, Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten durchzusetzen - und damit in etlichen Städten bereits erfolgreich war. Der CSU-Politiker warf der Deutschen Umwelthilfe vor, die deutsche Autoindustrie kaputt machen zu wollen: "Es gibt eben Kräfte in diesem Land, die wollen erst den Diesel zerstören und dann den Benziner", sagte der Verkehrsminister. Die Umwelthilfe "und andere" verfolgten diese Strategie "zum Schaden der Bürger und der Arbeitsplätze".
Der CSU-Politiker sprach sich außerdem gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus: "Das Prinzip der Freiheit hat sich bewährt. Wer 120 fahren will, kann 120 fahren. Wer schneller fahren möchte, darf das auch. Was soll der Ansatz der ständigen Gängelung?" Bereits jetzt sei hierzulande auf einem Drittel der Autobahnen die Geschwindig begrenzt.
Die Bürger in Deutschland sind bei der Frage eine Tempolimits auf deutschen Autobahnen gespalten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für die Bild am Sonntag sprachen sich 52 Prozent der Befragten für ein Tempolimit auf Autobahnen aus, welches zwischen 120 und 140 Kilometern pro Stunde liegen soll. 46 Prozent der Befragten waren gegen einge Geschwindigkeitsbegrenzung.