In Großbritannien haben es die Gegner des Freihandelsabkommens TTIP schwer. Nicht dass sie in ihrem Protest eingeschränkt oder gar behindert würden. Das Problem ist, dass sich auf der Insel kaum jemand wirklich für das Thema zu interessieren scheint.
Da viele Briten ohnehin der Ansicht sind, dass man mehr Handel mit den USA treiben solle, können sie in einem entsprechenden Abkommen keine Gefahren erkennen. Das ist sicherlich auch der "special relationship" der beiden Länder geschuldet, den traditionell besonderen Beziehungen zwischen Vereinigtem Königreich und Vereinigten Staaten.
Dieser Mangel an Interesse zeigt sich auch in den Medien, wo das Thema verhältnismäßig selten verhandelt wird. John Hilary, Direktor der Wohltätigkeitsorganisation "War on Want", beklagt, dass außer einigen wenigen Artikeln im Guardian oder im Independent eine kontinuierliche Berichterstattung nicht stattfinde, anders als beispielsweise in Deutschland oder in Frankreich.
Sorge um Verschlechterung des Gesundheitssystems
Hilary ist einer der profiliertesten Gegner des TTIP auf der Insel. Seine Organisation, die sich besonders in der Armutsbekämpfung engagiert, hat Mitte Juli mehrere Protestveranstaltungen in Birmingham, Manchester und London organisiert.
Die britischen Gegner sind besonders besorgt, welche Auswirkungen TTIP auf den Nationalen Gesundheitsdienst NHS haben könnte. Jeder Einwohner Großbritanniens hat Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung, das wird vom Staat garantiert und finanziert. Zwar gibt es immer wieder Klagen über den NHS, zum Beispiel wegen zu langer Wartezeiten auf Operationen, aber im Grundsatz gilt er den Briten als eine ihrer größten Errungenschaften.
Das Problem in Bezug auf das TTIP: In den vergangenen Jahren sind Teile des NHS privatisiert worden. Auch Befürworter machen sich Sorgen, dass ein Abkommen bedeuten könnte, dass US-Konzerne sich in den NHS einkaufen und das britische Gesundheitssystem sich dadurch langfristig dem der USA angleicht.
Cameron hält sich bedeckt
Für die TTIP-Gegner bedeutet die potenzielle Gefährdung des Gesundheitsdienstes die Chance, mittelfristig vielleicht doch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, denn beim Thema NHS werden viele Briten hellhörig. Len McCluskey, Chef der Gewerkschaft Unite, die mehr als drei Millionen Mitglieder hat, meint, es bestehe kein Zweifel, dass das Gesundheitssystem durch TTIP gefährdet sei.
In der letzten parlamentarischen Fragestunde vor der Sommerpause wurde Premierminister David Cameron von mehreren Abgeordneten gefragt worden, was er gegebenenfalls dagegen zu tun gedenke. Cameron blieb vage. Soweit er das überblicken könne, bestehe keine Gefahr.
Der Premier sagte auch, er wolle das Thema nicht in dieser Kürze behandeln und werde dem Chef der Opposition einen Brief schreiben, in dem er die Position der Regierung darlege. Mit anderen Worten: Seine Berater werden sich das Thema in der Sommerpause etwas genauer ansehen müssen.
Von Christian Zaschke