Steuervermeidung:Belgien bekommt wohl bis zu 700 Millionen Euro zurück - will das Geld aber gar nicht

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Der belgische Finanzminister Johan Van Overtveldt. (Foto: imago/Belga)
  • Die EU-Kommission wird Belgien voraussichtlich anweisen, bis zu 700 Millionen Euro von multinationalen Konzernen zurückfordern.
  • Diese haben dort jahrelang zu wenig Steuern gezahlt.
  • Belgiens Finanzminister Van Overtveldt scheint an dem Geld jedoch nicht interessiert zu sein.

Belgien muss wohl bis zu 700 Millionen Euro von multinationalen Konzernen zurückfordern, die in der Vergangenheit die Steuerschlupflöcher des Landes ausgenutzt haben. Dazu werde die EU-Kommission das Land bald auffordern, sagte der Finanzminister Belgiens, Johan Van Overtveldt, der Tageszeitung De Standard.

Das belgische Steuergesetz erlaubt es Konzernen, große Teile ihrer Gewinne von der Unternehmensteuer auszuschließen, insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften. Diese Regelung war für die Unternehmen lange ein Anreiz, in den Standort Belgien zu investieren. Den Ländern, in denen die Unternehmen hingegen tatsächlich ihr Geld verdienen, entgehen dadurch Milliarden. Laut der EU-Kommission ist das Steuerschlupfloch von einigen der weltweit größten Konzerne ausgenutzt worden - mit Einsparungen von bis zu 90 Prozent verglichen mit Belgiens Körperschaftsteuer.

Unter anderem sollen in Belgien der Konzern British American Tobacco, der beispielsweise die Zigaretten der Marke Lucky Strike produziert, und der multinationale Bierbrauer AB InBev profitiert haben.

Nach Luxemburg und den Niederlanden nun auch Belgien

Die anstehende Anweisung der EU-Kommission an Belgien, das Geld zurückzufordern, ist Teil einer groß angelegten Kampagne gegen systematische Steuervermeidungen. Die Summe fällt in Belgien mit 700 Millionen Euro jedoch deutlich größer aus als in Luxemburg und den Niederlanden, wo die Kommission bereits Rückerstattungen gefordert hatte - damals von "nur" rund 20 Millionen Euro. Die Anweisung an Belgien ist noch aus einem anderen Grund bedeutend: Der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager wird von amerikanischen Funktionären häufig vorgeworfen, nur die Steuervermeidung von US-Unternehmen ins Visier zu nehmen. Nun konzentriert sie sich - entgegen der Vorwürfe - auch auf europäische Unternehmen.

Die Kommission kann Regierungen lediglich dazu auffordern, zu niedrige Steuern zurückzufordern, und zwar aus einem zurückliegenden Zeitraum von bis zu zehn Jahren. Das können die Länder jedoch anfechten. In den meisten Fällen wollen sie das Geld der Multinationalen gar nicht. "Die Konsequenzen für die involvierten Unternehmen wären riesig und die Rückführung der Steuern wären besonders komplex", sagte Finanzminister Van Overtveldt. Er kündigte deshalb an, "alles zu tun, was er könne", um gegen die bevorstehende Entscheidung der EU-Kommission zu kämpfen. Die Entscheidung wird noch vor Weihnachten erwartet.

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