Sparkassen:Auch nicht besser als die anderen

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Sparkassen wären so gerne ganz anders als all die anderen: fair und freundlich, klein und solide. Doch die Realität sieht anders aus - denn auch bei den Sparkassen arbeiten Verkäufer unter hohem Druck.

Von Stephan Radomsky

Die Sparkassen, sie wären so gerne anders als all die anderen: fair und freundlich, klein und solide. Die Guten eben. Lange Zeit warben sie sogar mit dem Anderssein, der Unterschied fange schon beim Namen an. Tatsächlich seien die Sparkassen ja "ein Stück weit anders sind als der Rest der Bankenwelt", sagte erst vor wenigen Tagen wieder der bayerische Verbandspräsident Ulrich Netzer. Es gehe ihnen darum, "unseren Kunden Orientierung zu geben", was vor allem bedeute "kompetent zu beraten, wie sie ihre Ersparnisse sicher anlegen können".

Orientierung, Kompetenz, Sicherheit. Was die roten Banker versprechen, ist das, was sich die meisten Kunden wünschen. Nur leider ist daran kaum noch etwas verdient. Also sieht die Realität in den Filialen ganz anders aus: Die Mitarbeiter heißen zwar Berater, sind aber wie anderswo auch vor allem Verkäufer, der Druck ist hoch und die Konkurrenz scharf. Dass die Sparkassen der öffentlichen Hand, also Kommunen und Landkreisen, gehören, ändert daran nichts - im Gegenteil: Den Vertrauensvorschuss, den sie dadurch genießen, nutzen sie gezielt als Wettbewerbsvorteil. Und so wird bevorzugt verkauft, was den meisten Gewinn abwirft - nicht für den Kunden, sondern für die Bank.

Das jüngste Beispiel kam Anfang der Woche aus dem Norden: Dort werden Sparkassen-Kunden riskante Zertifikate der von der Abwicklung bedrohten HSH Nordbank verkauft, unter exotischen Namen wie "Winterzauber" oder "Sommeranleihe". Das Risiko, dass die Sparer damit ihr gesamtes Kapital verlieren, sei real, warnen Verbraucherschützer. Bis zum vergangenen Herbst waren auch die von vielen Landesbanken aufgelegten Bonitätsanleihen beliebt bei den Vertriebsleuten - dann zog die Finanzaufsicht Bafin diese Form von Zertifikaten in ihrer bisherigen Form aus dem Verkehr. Die Kunden, so die Begründung, verstünden schlicht nicht, welche Risiken sie sich da ins Depot legten.

Selbstdarstellung und Realität klaffen bei den Sparkassen gefährlich weit auseinander

Dabei argumentieren gerade die Sparkassen seit Jahren, dass sie viel zu rigoros reguliert würden - obwohl sie doch viel kleiner seien als die Großbanken und viel weniger gefährlich. Der Blick in die Statistik aber zeigt etwas anderes: Demnach ist die Sparkassen-eigene Deka-Bank Deutschlands zweitgrößter Emittent von derivativen Wertpapieren wie Zertifikaten, Aktienanleihen oder Optionsscheinen. Gemeinsam mit den Landesbanken kommt der öffentlich-rechtliche Sektor auf insgesamt mehr als 40 Prozent am Gesamtvolumen dieses Milliardenmarkts.

Verkauft werden solche Wertpapiere dann vor allem über die lokalen Sparkassen. Zwar taugen die wenigsten der Papiere für den durchschnittlichen Sparkassen-Kunden als sichere Sparanlage für später. Für die Institute dagegen lohnt es sich: Während in den vergangenen Jahren die Zinsüberschüsse - also der Gewinn, den die Sparkassen aus der Differenz zwischen Spar- und Kreditzinsen erzielten - tendenziell sanken, legten die Provisionen satt zu. Dieses Geld aber fließt nur, wenn erfolgreich Wertpapiere an den Sparer gebracht werden.

Natürlich sind die Sparkassen nicht die einzigen, die ihr Geschäft vermehrt auf die Provisionen ausrichten. Auch Genossenschafts- und Privatbanken legen mitunter zweifelhafte Produkte auf, die vor allem dem eigenen Geschäft nutzen sollen. Allerdings genießen sie nicht dieselbe Sicherheit und die Privilegien der Sparkassen. Den lokalen Fußballverein zu sponsern und ein paar Kredite an die örtliche Wirtschaft auszureichen, ist deshalb längst nicht genug, um den öffentlich Auftrag zu erfüllen. Schon gar nicht, wenn das Geld aus Provisionen von fragwürdigen Geldanlagen stammt.

Die Sparkassen berufen sich gern darauf, dass die Vielfalt des deutschen Finanzsystems für Auswahl und Stabilität sorgt. Diese Vielfalt ist aber kein Selbstzweck. Wenn die roten Banker ihre Sonderrolle wahren möchten, dann sollten sie sich verändern. Dazu müssen sie sich nicht gleich zu Wohltätigkeitsvereinen wandeln. Ernsthaft ein bisschen anders als die anderen, ein bisschen besser, müssten sie aber schon werden.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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