Sozialleistungen:Zuschuss nicht nur für den Treppenlift

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Wer sich daheim pflegen lässt, hat Anspruch auf diverse Hilfen - trotzdem kann auch hier das Geld schnell knapp werden.

Von Rainer Stadler, München

Drei von vier Pflegebedürftigen in Deutschland werden zuhause versorgt. Das entspricht nicht nur dem Wunsch vieler Menschen, auch Experten raten, möglichst lange in der gewohnten Umgebung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen werden sogar allein von ihren Angehörigen betreut. Auch ihnen steht Geld aus der Pflegeversicherung zu: Dieses Pflegegeld richtet sich nach dem Pflegegrad, es reicht von monatlich 316 Euro für Pflegegrad 2 bis 901 Euro für Grad 5. Wer zusätzlich einen Pflegedienst heranzieht, kann dies über die so genannten Pflegesachleistungen finanzieren, die auch die Pflegekasse auszahlt. Die Sätze sind wiederum gestaffelt, von 689 Euro für Pflegegrad 2 bis 1995 Euro für Pflegegrad 5.

Beide Leistungen lassen sich kombinieren: Wenn Angehörige einen Großteil der Pflege übernehmen und deshalb nur ein geringer Anteil der Sachleistungen in Anspruch genommen wird, etwa 20 Prozent, erhalten die Pflegebedürftigen 80 Prozent des Pflegegelds ausgezahlt.

Teuer kann die ambulante Pflege allerdings werden, wenn der Pflegedienst viele Aufgaben übernehmen soll. Also morgens und abends zum Waschen und zur Körperpflege erscheint, mehrmals pro Monat die Pflegebedürftigen duscht oder im Haushalt unterstützt, etwa mittags das Essen. Noch höher sind die Kosten, wenn der Pflegedienst nachts oder am Wochenende in Anspruch genommen wird. Da auch bei der häuslichen Pflege die Versicherung nur einen Teil der Kosten abdeckt, kann der Eigenanteil rasch steigen. Es gilt genau abzuwägen, ob ein Heimaufenthalt - zumindest unter finanziellen Gesichtspunkten - nicht die bessere Lösung wäre. Zumal das Heim auch die Kosten für Unterkunft sowie Verpflegung abdeckt. Dasselbe gilt übrigens für Pflege-Wohngemeinschaften, wenn sich mehrere Senioren eine Unterkunft teilen und von einem Pflegedienst betreut werden. Diese Wohnformen gewinnen zunehmend an Bedeutung, sie gelten als familiäre Alternative zu den Heimen, kosten aber auch ähnlich viel.

Aus Sicht vieler Experten stellt die Tagespflege eine gute Alternative dar, um pflegende Angehörige zu unterstützen, sie ist vergleichsweise günstig. Pflegebedürftige verbringen den Tag in einer Gemeinschaft, mit einem strukturierten Ablauf: Nach dem Frühstück wird ein Aktivierungsprogramm angeboten, Teilnahme freiwillig. Dann gibt es Mittagessen, anschließend weitere Aktivitäten. Auch Betten zum Ausruhen stehen bereit. Bisher wird dieses Angebot noch von wenigen Pflegebedürftigen wahrgenommen, es gibt allerdings auch zu wenige Plätze.

Sind die pflegenden Angehörigen erkrankt, verhindert oder benötigen etwas Zeit, um sich zu erholen, lässt sich die so genannte Verhinderungspflege in Anspruch nehmen. Sie beläuft sich - in Kombination mit anderen Leistungen - auf bis zu 2418 Euro jährlich und deckt Kosten für einen ersatzweise engagierten Pflegedienst ab. Alternativ gibt es die Kurzzeitpflege, mit der ein zeitlich begrenzter Aufenthalt eines Pflegebedürftigen im Heim finanziert wird. Das ist bis zu acht Wochen pro Jahr möglich. Darüber hinaus steht jedem Pflegebedürftigen ein Entlastungsbetrag von 125 Euro monatlich zur Verfügung. Das Geld dient, wie der Name andeutet, ebenfalls der Entlastung von Angehörigen, und kann eingesetzt werden, um eine Tages- oder Nachtpflege, eine Kurzzeitpflege oder einen Pflegedienst vorübergehend zu finanzieren.

Schließlich hält die Pflegekasse bis zu 4000 Euro bereit. Dieser Zuschuss lässt sich abrufen, um eine Wohnung seniorengerecht umzubauen, also mit einem Treppenlift auszustatten oder einer bodengleichen Dusche im Badezimmer.

Reicht das Geld des Pflegebedürftigen und seiner Angehörigen nicht, kann beim Sozialamt ein Antrag auf Hilfe zur Pflege gestellt werden. Generell sollten Angehörige immer auch beachten, dass Pflege eine zeit- und kräfteraubende Arbeit ist. Nicht wenige fahren deshalb ihre berufliche Tätigkeit herunter - und geraten in der Folge in finanzielle Schwierigkeiten.

Gerade Angehörige, die sich viel in die Pflege ihrer Eltern oder ihres Partners einbringen, beklagen, dass ihr Einsatz nur unzureichend gewürdigt wird. Dabei hat die Coronakrise gezeigt, wie fragil die Angebote des ambulanten Pflegemarkts sind: Tagespflege, ambulante Pflegedienste und viele osteuropäische Pflegekräfte sind weggefallen, und die Verantwortung für die Pflegebedürftigen lastet derzeit oft allein auf den Angehörigen. "Pflegende Angehörige sind systemrelevant", sagt deshalb Susanne Hallermann vom Verein "Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger". Sie fordert eine Pflegezeit mit Lohnersatz für Berufstätige. Die Forderung wird schon länger erhoben. Aber die vergangenen Wochen sollten dazu beigetragen haben, dass sie nun auch in der Politik mehr Gehör findet.

© SZ vom 05.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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