Solar Millennium: Abgang von Claassen:Der 74-Tage-Chef

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Nach nicht einmal drei Monaten verlässt Utz Claassen den Chefsessel von Solar Millennium. Die Gründe für den Blitz-Abschied sind unklar.

Dagmar Deckstein

Eine, die die Entscheidung ihres Sohnes wahrscheinlich gar nicht goutieren wird, ist Utz Claassens 85-jährige Mutter. Die hatte der sichtlich aufgeräumte Firmenchef bei der Bilanzpressekonferenz von Solar Millennium Ende Februar derart zitiert, dass sie sich nun in ihrer Hannoveraner Bridge-Runde wieder guten Gewissens sehen lassen könne, da der Sohn sein Geld nicht mehr wie früher bei der Energie Baden-Württemberg mit Atomstrom, sondern mit umweltfreundlichen solartechnischen Kraftwerken verdiene.

Knapp formulierte Begründung

Das ist nun auch schon wieder Vergangenheit. Noch ein wenig abrupter und überraschender als seinerzeit bei der EnBW hat der 46-jährige Manager dem neuen Arbeitgeber schon wieder Adieu gesagt.

Beim Karlsruher Energieversorger EnBW hatte Claassen Ende 2007 etwas formelhaft mitgeteilt, er werde auf die Verlängerung seines Vorstandsvertrags aus "professionellen, strukturellen, persönlichen und familiären Gründen" verzichten. Aber bis heute ist nicht ganz geklärt, ob er damit nicht etwa einem ohnehin bestehenden Wunsch des Aufsichtsrats zuvorkam.

Jetzt aber gab es nicht einmal mehr eine auch nur knapp formulierter Begründung dafür, warum Claassen nach nur knapp drei Monaten Solar Millennium wieder verlässt. Das Erlanger Unternehmen teilte lediglich mit, Claassen berufe sich auf ein ihm eingeräumtes Recht, innerhalb einer definierten Überlegungsfrist sein Amt niederzulegen. "Weitere Gründe hat er dem Unternehmen nicht mitgeteilt", hieß es lapidar.

Und Aufsichtsratschef Helmut Pflaumer fügte nur hinzu: "Der Weggang kam für den Aufsichtsrat unerwartet. Wir respektieren die Entscheidung und begrüßen, dass er dem Unternehmen weiterhin freundschaftlich verbunden bleiben möchte." Ansonsten werde das Kontrollgremium "die Geschäftsverteilung im Vorstand zeitnah neu ordnen".

Abrupte Kehrtwende

Erst Mitte Dezember war Claassen für den Vorstandsposten der Solar Millennium AG erkoren worden, die auf Entwicklung, Bau und Betrieb solarthermischer Kraftwerke mit Schwerpunkt in Spanien spezialisiert ist. Ursprünglich wollte Claassen Mitte April - nach 100 Tagen im Amt - seine Unternehmensstrategie der Öffentlichkeit präsentieren. Warum dann die so überraschende wie abrupte Kehrtwende aus dem Unternehmen nach 74 Tagen?

Aus Claassens Umfeld verlautete zumindest, dass es weder ein Todesfall in der Familie sei, wie kolportiert wurde, noch hätte es irgendwelche atmosphärischen Störungen innerhalb der Geschäftsführung oder zum Aufsichtsrat gegeben. Ganz im Gegenteil, die Chemie habe gestimmt. Waren es dann vielleicht doch jene angeblichen Bilanztricksereien, über die die Wirtschaftswoche berichtete und welche Vorwürfe die Solar Millennium stets strikt zurückwies? Aber die hätten, wenn überhaupt, vor Claassens Amtsantritt stattgefunden.

Klartext sprach am rätselhaften Rücktritts-Tag nur die Börse, die den Aktienkurs von Solar Millennium auf ausführliche Talfahrt schickte: Die Titel rutschten um bis zu 35 Prozent auf unter 19 Euro ab. Bei der Bilanzvorlage hatte Claassen noch gesagt, er wolle Solar Millennium an die Spitze des Weltmarkts hieven. Daraus wird so schnell erst mal nichts.

© SZ vom 17.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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