Siemens trennt sich von Telefonsparte:Firma für Grobes

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Der Siemens-Konzern hat sich in kurzer Zeit neu erfunden. Nach 160 Jahren kein Platz mehr für die Telefonsparte. Sie ist unprofitabel - weil die Manager Trends verschliefen.

Thomas Fromm

Es war bestimmt kein Zufall, dass bei Siemens in den vergangenen Jahren immer wieder über "Megatrends" gesprochen wurde. Ein Begriff, der irgendwie nach Zukunft klang und vom urbanen Leben in großen Metropolen. Und immer dann, wenn etwa der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld über Megatrends referierte, meinte er damit drei große Siemens-Geschäftsfelder: Industrie, Energie und Medizintechnik.

Siemens verabschiedet sich von der filigranen Telefontechnik und stellt nun zum Beispiel Turbinen her. (Foto: Foto: ddp)

Kein Zeichen von Wehmut

Was nicht zu den Megatrends passte, passte auch nicht mehr in den Konzern. Sicher, eigentlich gehörte auch die Kommunikation mit dazu. Jenes Geschäft, mit dem der Konzern vor 160 Jahren sein erstes Geld verdiente und mit dem Menschen und Kontinente verbunden wurden.

Für Siemens-Manager war das Kapitel Kommunikationstechnik aber im Grunde schon seit Jahren abgeschlossen - weil es nicht profitabel genug war. Wer von Siemens-Finanzchef Joe Kaeser am Freitag ein Zeichen der Wehmut erwartete, wurde enttäuscht. Für Kaeser ist das "Kapitel Kommunikation" beendet - "das Geschäft passt nicht mit unseren drei großen Geschäftssektoren zusammen", sagte Kaeser. Leidenschaftslos, sachlich.

Entwicklungen verschlafen

Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Kommunikationssparte Com die größte Sparte bei Siemens überhaupt. Aber das Geschäft mit Kommunikationslösungen, mit Handys und Telefonanlagen für Unternehmen, ist schnelllebig. Und die Münchner Ingenieure waren in den entscheidenden Jahren zu langsam für ihre Konkurrenten aus Asien und den USA.

Technische Entwicklungen wurden in München verschlafen, und so wurde im Laufe der Jahre nicht nur die Kommunikationssparte immer größer, sondern auch der Berg der Verluste, die sie anhäufte. Die Gewinnbringer im Konzern waren längst andere: Die Medizintechniksparte, das Geschäft mit Automatisierungslösungen.

In den vergangenen Jahren wurde Siemens von einem breit angelegten Technologiekonzern ganz auf die "Megatrends"Verstädterung, demografischer Wandel und Klimawandel hin ausgerichtet. Das, was noch an Kommunikationstechnik im Konzern verblieben war, oder auch das Autozulieferergeschäft VDO, wurden verkauft.

Löschers rigoroser Umbau

Gleichzeitig investierte Siemens immer stärker in das, was man als zukünftige Geschäftsfelder identifiziert hatte: Erneuerbare Energien, Wassergeschäft oder medizintechnische Produkte. Anfang des Jahres schließlich baute Siemens-Chef Peter Löscher den Konzern rigoros um.

Wo früher acht Bereiche nebeneinander existierten, schuf er nun drei neue Großsektoren: Industrie, Medizintechnik und Energie, nicht zufällig jene Megatrends, die schon Löscher-Vorgänger Kleinfeld zu den Zukunftsfeldern des Konzerns auserkoren hatte.

Noch immer gibt es Geschäftsfelder, denen es ergehen könnte wie der Kommunikationssparte. Ungeklärt ist die Zukunft der Verkehrssparte Mobility, die zurzeit weit von ihren Margenzielen entfernt ist. Zwar erklärt der Konzern bei jeder Gelegenheit, man werde am Bau von Zügen und Straßenbahnen festhalten - schließlich handele es sich auch hierbei um einen Megatrend der Gesellschaft.

Auch die Medizintechnik stand vor dem Aus

Zurzeit versucht der Konzern, die Sparte zu sanieren. Dazu sollen ein Werk in Prag geschlossen und 2500 Stellen wegfallen. Branchenanalysten gehen davon aus, dass sich Löscher Zeit nehmen will bei der Sanierung der Sparte. "Wenn er aber sieht, dass auch nach harter Sanierung nichts zu machen ist, dann dürfte die Zugsparte der nächste Verkaufskandidat sein", meint ein Analyst.

Das Ende der Kommunikationssparte zeigt aber auch, wie schnell sich die Dinge in einem Konzern ändern können: Es ist nicht einmal 15 Jahre her, da stand das Medizintechnikgeschäft vor dem Aus. Lange wurde darüber debattiert, ob man sich vom Geschäft mit Ultraschallgeräten und Computertomographen nicht komplett trennen sollte.

Der damalige Chef der Gesundheitssparte, Erich Reinhardt, beschloss, es noch einmal zu versuchen und das Geschäft zu sanieren. Nur wenige Jahre später war die Sparte einer der wichtigsten Gewinnbringer im Konzern. Diskutiert wurde damals übrigens, ob das Medizintechnikgeschäft wirklich zukunftsfähig sei - oder ob man den Konzern nicht noch stärker in Richtung Kommunikation ausrichten soll.

© SZ vom 2.8.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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