Siemens:Scheidung ohne Ende

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Seit Jahren tobt ein Streit zwischen Siemens und seinem französischen Noch-Partner Areva. Jetzt schaltet sich die EU-Kommission ein.

Cerstin Gammelin und Frank Nienhuysen

Der Scheidungskrieg zwischen dem deutschen Technologieanbieter Siemens und dem französischen Atomkonzern Areva geht in die nächste Runde. Die Europäische Kommission plant, am Ende dieser Woche ein förmliches Kartellverfahren gegen die Konzerne sowie das gemeinsame Joint-Venture Areva NP zu eröffnen.

Sollte die EU-Kommission das Wettbewerbsverbot kippen, wäre das ein großer Erfolg für Siemens. (Foto: ag.rtr)

Das wurde aus Kommissionskreisen in Brüssel bekannt. Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia will prüfen lassen, ob das im Joint-Venture-Vertrag festgelegte nachträgliche Wettbewerbsverbot für Siemens unter EU-Recht wirksam ist. Das Ergebnis soll in einem Jahr vorliegen.

400 neue Kernkraftwerke

Sollte die Kommission das Wettbewerbsverbot kippen, wäre das ein großer Erfolg für Siemens. Der Konzern dürfte dann sowohl seine Nuklear- und Kraftwerkstechnik weltweit ohne Areva anbieten als auch neue Partnerschaften eingehen. Siemens erwartet, dass sich das Geschäft mit der Kernkraft wieder beleben wird. Bis 2030 prognostiziert die Internationale Energieagentur weltweit bis zu 400 neue Kernkraftwerke. Dafür will Siemens gerüstet sein.

Jedes Kernkraftwerk, das gebaut wird, könnte Siemens etwa eine Milliarde Euro Umsatz bringen, heißt es in Unternehmenskreisen. Der Konzern verhandelt bereits mit dem russischen Anbieter Rosatom über eine neue Kooperation. Die Gespräche liegen jedoch derzeit auf Eis, weil sich zunächst Siemens und Areva einigen müssen, zu welchen Konditionen sie ihre Kooperation beenden. Der Vertrag sieht eigentlich vor, dass Siemens im Falle eines Ausscheidens aus dem gemeinsamen Unternehmen ausgezahlt und mit einem nachträglichen Wettbewerbsverbot belegt wird, das am Tage des Ausscheidens beginnt und acht Jahre andauert - was Siemens jetzt ändern will.

Siemens agiert seit der Gründung des deutsch-französischen Unternehmens im Jahr 2001 als Juniorpartner. Der Konzern hält 34 Prozent der Anteile. Areva NP bietet weltweit Nukleartechnik an. In Europa baut das Gemeinschaftsunternehmen derzeit zwei Reaktoren, einen Druckwasser-Reaktor (EPR) in Finnland und ein Kernkraftwerk in Frankreich. Deutsche und Franzosen hatten ihre Zusammenarbeit zunächst als sehr gut bezeichnet. Sie feierten das gemeinsame Unternehmen als einen der weltweit größten Hersteller von Kernkraftwerken.

Drei strittige Punkte

Später nahmen die Schwierigkeiten zu. Siemens drängte darauf, in unternehmerische Entscheidungen von Areva NP eingebunden zu werden. Man wolle nicht nur zahlen, sondern auch mitbestimmen, hieß es in Unternehmenskreisen. Areva sperrte sich gegen dieses Ansinnen. Auch Gespräche auf höchster politischer Ebene blieben erfolglos. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy persönlich gebeten haben, Siemens als gleichberechtigten Partner des deutsch-französischen Unternehmens zu akzeptieren und den Vertrag entsprechend ändern zu lassen. Diplomaten zufolge lehnte Sarkozy dies kompromisslos ab. Der Präsident verfolgt seit jeher das Ziel, große französische Konzerne zu fördern.

Im Januar 2009 gab Siemens bekannt, Areva NP zu verlassen. Seitdem tobt der Trennungskrieg. Strittig sind drei Punkte. Wie hoch ist die Abfindung für Siemens? Areva geht von 2,1 Milliarden Euro aus. Siemens verlangt ein Vielfaches. Zudem läuft in der Schweiz ein Schiedsgerichtsverfahren. Areva will Siemens untersagen, allein weder Nukleartechnik noch Maschinen- oder Leittechnik anzubieten. Zudem sollen die Münchner keine neuen Kooperationen eingehen dürfen.

Siemens beharrt auf dem Gegenteil. Schließlich streiten beide Partner um das Wettbewerbsverbot. Um dieses zu kippen, hat sich Siemens praktisch selbst bei der Kommission angezeigt. Pikant ist, dass die umstrittene Klausel in dem ursprünglich von Brüssel genehmigten Vertrag gar nicht vorhanden war. Aber für Siemens wird die Zeit knapp. Die Russen drängen darauf, die neue Kooperation zu besiegeln. Russischen Medien zufolge haben die Verhandlungsteams die Arbeit über ein Shareholder Agreement mit Siemens abgeschlossen. Aber wegen des Schiedsgerichtsverfahrens darf es wohl noch nicht unterschrieben werden. Offiziell wollen weder Siemens noch Rosatom darüber reden.

© SZ vom 02.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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