Siemens:"Milliardengrab mit Ansage"

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Belegschaftsaktionäre kritisieren die Strategie des Konzerns, Stellen abzubauen - sie betonen in einem offenen Brief, keinen "dauerhaften Einbruch des Marktes" zu sehen. Und planen Proteste.

Von Thomas Fromm, München

Siemens-Chef Joe Kaeser plädierte in der Vergangenheit immer wieder dafür, dass Konzernmitarbeiter selbst Aktionäre ihrer Firma werden. "Ownership Culture" (frei übersetzt: Eigentumskultur) nennt man das heute. Geht es der Wirtschaft gut, sollen das auch die Mitarbeiter spüren. Und zwar nicht nur, weil ihre Jobs sicherer sind. Siemens ist da weit vorne: An die 6000 Belegschaftsaktionäre haben ihre Stimmrechte an den "Verein von Belegschaftsaktionären in der Siemens AG, e.V." abgetreten. Das macht bei Hauptversammlungen laut Verein über eine Million Stimmrechte aus.

Nun ist es aber nicht so, dass die Siemens-Mitarbeiter und -rentner einfach Aktien besitzen wollen. Als Investoren und Teil der Belegeschaft haben sie eigene Vorstellungen von ihrem Unternehmen. So auch in diesen Tagen, in denen Betriebsräte und Vorstand über den Abbau von fast 7000 Stellen in der Kraftwerks- und Antriebssparte streiten.

In einem offenen Brief sezieren die Aktionäre die Strategie des Konzerns und kommen zu folgendem Schluss: "Siemens Gas- und Dampfturbinen weisen Wettbewerbsvorteile auf, die es ermöglichten, trotz vorhandener Überkapazitäten bessere Preise als die Mitbewerber zu erzielen." Es sei daher "schwer zu verstehen, dass Siemens wegen weltweiter 'Überkapazitäten' diesen radikalen Schnitt macht". Man sehe keinen "dauerhaften Einbruch des Marktes", da "gerade hohe Anteile an erneuerbarer Energie hocheffiziente Turbinen erfordern". Auch die Entscheidung, das Zuggeschäft mit ICEs mit dem französischen TGV-Hersteller Alstom zusammenzulegen, kommt nicht gut an. Der Schritt "verwässert die Marge" und sei ein "Milliardengrab mit Ansage".

Kaeser, der Chef, der seine Mitarbeiter so gerne zu Aktionären macht, steht nun bei der Hauptversammlung im Januar zwei Typen von Anteilseignern gegenüber: Den großen Investmentfirmen, die vor allem auf Marge und Aktienkurs setzen. Und denen aus den eigenen Reihen, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von der Zukunft des Unternehmens haben. So wie auch die 600 Betriebsräte aus ganz Deutschland, die gerade in einem Berliner Hotel an einer gemeinsamen Strategie gegen die Konzernpläne feilen. An diesem Donnerstag sollen große Proteste stattfinden, zu denen SPD-Chef Martin Schulz erwartet wird.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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