Siemens:Joe Kaeser droht ein Erklärungsproblem

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Siemens-Chef Joe Kaeser mit Finanzvorstand Ralf Thomas und Janina Kugel, Vorstandsmitglied und Leiterin des Personalwesens der Siemens AG. (Foto: dpa)
  • Nun ist es offiziell: Siemens-Personalchefin Janina Kugel verlässt im Frühjahr 2020 den Konzern.
  • Gemunkelt wird zudem, dass auch die amerikanische Chefin der Energiesparte Lisa Davis gehen muss.
  • Siemens-Chef Joe Kaeser dürfte dann ein Erklärungsproblem bekommen - denn der Konzern wollte eigentlich mehr Frauen ins Top-Management holen, nicht weniger.

Von Thomas Fromm

Am Ende ist der Begleittext zum Abgang der Siemens-Personalchefin Janina Kugel genau jene Art von Abschiedsformel, wie man sie schon häufig gelesen hat. Der Vertrag von "Personalvorstand Janina Kugel läuft in gegenseitigem Einvernehmen aus", teilte Siemens mit. Man wünsche der Managerin nach dem Ende ihrer Amtszeit "ab Frühjahr 2020 alles erdenklich Gute". Die Vorzeigefrau im Siemens-Vorstand - erfolgreich, manchmal unbequem und für viele auch zu einer Art Rollenmodell geworden - wird also nach fünf Jahren im obersten Führungskreis gehen.

Wer nun den Job, bei dem es immerhin um die Verantwortung für fast 380 000 Mitarbeiter weltweit geht, an ihrer Stelle machen soll, war zunächst noch offen. Dies werde man in der zweiten Jahreshälfte 2019 entscheiden, so Siemens. Ihr Abgang gilt nicht als große Überraschung. Seit Monaten liegen Kugel und Siemens-Chef Joe Kaeser über Kreuz. Was einige auf unterschiedliche Meinungen zur Strategie zurückführen oder auch an angeblichen Defiziten in Kugels Managementstil aufhängen. Die Wahrheit: Es dürfte vor allem an der Chemie liegen. Kugel und Kaeser, beide selbstbewusste Manager, kamen einfach nicht mehr miteinander klar. "Sie ist eine leidenschaftliche Streiterin für mehr Diversität, lebenslanges Lernen und eine moderne Unternehmenskultur in einer sich radikal wandelnden Arbeitswelt", lobt der Konzern seine scheidende Managerin nun.

Wollte Siemens nicht eigentlich moderner werden?

Zuletzt hatte Kugel ein Spar- und Stellenkürzungsprogramm in der schwächelnden Kraftwerksparte des Konzerns durchgezogen. Immerhin musste die Personalchefin den Abbau von 6 900 Arbeitsplätzen durchdrücken, 2 900 davon in Deutschland. Als "nicht immer pflegeleicht, aber berechenbar" wird sie im Arbeitnehmerlager bezeichnet. Übersetzt: Eine durchaus harte, aber faire Verhandlungspartnerin. Und in diesem über 170 Jahre alten Männerkonzern eben auch ein neues, modernes Gesicht - eine Managerin, die Siemens in den nächsten Jahren vielleicht noch ganz gut hätte brauchen können.

Der Konzern steckt in einer der größten Umwälzungen seiner Geschichte. Geschäfte wie die Medizintechnik und das Windenergiegeschäft sind bereits ausgelagert, jetzt geht es um die Trennung von der Energiesparte, um sich künftig vor allem um Industriedigitalisierung zu kümmern. Die Energiesparte Gas and Power soll ausgegliedert und bis September 2020 an die Börse gebracht werden. Es ist ein historischer Schnitt, wie Kaeser selbst vor einiger Zeit einräumen musste. Die eigentliche Frage hier aber ist: Wie wird es mit Lisa Davis, der amerikanischen Spartenchefin, weitergehen? Ihr Vertrag läuft noch ein Jahr; eine Entscheidung soll ebenfalls im zweiten Halbjahr fallen.

Im Konzern wird kaum noch darauf gesetzt, dass Davis das Geschäft danach weiter führen wird. Stattdessen wird hier der Name eines anderen Kandidaten immer öfter genannt: Michael Sen, der im Siemens-Vorstand unter anderem den Windenergieausrüster Siemens Gamesa und die Medizintechniktochter Healthineers im Blick hat, gilt als "Allzweckwaffe" der Münchner - noch dazu war er schon mal Finanzvorstand bei Eon. Nun ist Sen aber nun mal ein Mann, und wenn mit Kugel und Davis in kurzer Zeit zwei Frauen den achtköpfigen Vorstand verlassen, hat Joe Kaeser ein Erklärungsproblem. Wollte der Konzern nicht eigentlich moderner werden und mehr Frauen ins Top-Management holen?

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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