Schweizer Einzelhandel:Wie sich die Schweiz gegen Einkaufstouristen wehren will

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Deutsche Supermärkte sind bei Schweizer Schnäppchenjägern beliebt (Foto: picture alliance / dpa)

Viele Schweizer fahren zum Einkaufen über die Grenze, weil es anderswo viel billiger ist. Das ärgert Politik und Einzelhandel. Für sie ist der Einkauf im eigenen Land fast ein patriotischer Akt.

Von Charlotte Theile, Zürich

Es ist jeden Samstag das Gleiche. In der Tram von Basel nach Weil am Rhein, in den Parkhäusern der Stadt Konstanz und in fast allen deutschen Supermärkten in Grenznähe drängen sich Schweizer Kunden. Ihre Mission: Möglichst viele Pampers, Lachsfiletscheiben und Cornflakes nach Hause bringen. Davor aber werden sie noch einmal anstehen - an der Grenze, wo sie sich - die in ihren Augen ohnehin lächerlich günstigen Produkte - um bis zu 19 Prozent verbilligen lassen. Wer einen Schweizer Wohnsitz vorweisen kann, muss die deutsche Mehrwertsteuer nicht entrichten.

Das ärgert nicht nur die deutschen Kunden in Konstanz, die spätestens seit dem Frankenschock Anfang 2015 bei ihrem gewohnten Samstagseinkauf immer im Stau stehen, sondern auch den Schweizer Einzelhandel. Ihm sollen durch die Schnäppchenjäger jedes Jahr mehrere Milliarden Franken entgehen - und auch die Steuerausfälle werden auf einige hundert Millionen geschätzt.

Auch Politiker wollen Einkaufstouristen das Leben schwer machen

Die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz, zu der die großen Supermärkte Migros und Coop gehören, fordert daher: Wer in Deutschland die Mehrwertsteuer zurückbekommt, soll sie in der Schweiz zahlen müssen. Das sei nur fair: Es könne nicht sein, dass ausgerechnet die Kunden steuerliche Vorteile erhielten, die sich besonders eigennützig verhielten.

Das sehen auch Politiker so: Werner Hösli von der rechtskonservativen SVP hat einen Vorstoß vor die kleine Kammer des Parlaments in Bern gebracht, der den Einkaufstouristen das Leben schwer machen soll. Statt wie bisher Güter im Wert von 300 Franken (etwa 280 Euro) steuerfrei einkaufen zu können, soll der Freibetrag auf 50 Franken sinken.

Der Großeinkauf um die Ecke wird fast zum patriotischen Akt

Das kommt nicht überall gut an. So befürchtet die Schweizer Grenzwache einen erheblichen Mehraufwand, warnt vor Staus und Infrastrukturmaßnahmen. Tatsächlich muss man damit rechnen, dass bei einem Freibetrag von umgerechnet 46 Euro fast jedes Auto auf dem Rückweg zur Zolldeklaration anhalten müsste. Auch die Regierung in Bern ist gegen den Vorstoß.

Dennoch: Die Einkaufstouristen sind bei vielen derart unbeliebt, dass Maßnahmen, die ihnen das Leben etwas schwerer machen, durchaus populär sein könnten. Den Schnäppchenjägern wird nicht nur vorgeworfen, den heimischen Einzelhandel kaputt zu machen. Für viele Schweizer sägen sie an den Grundfesten des Wirtschaftssystems: Durch das Ausnutzen der Preisdifferenz werde auch das hohe Lohnniveau ihres eigenen Landes angegriffen. Wer für die gleiche Arbeit doppelt so viel verdient wie ein Angestellter in Deutschland, könne nicht erwarten, im Supermarkt die gleichen Preise vorzufinden. Der Großeinkauf um die Ecke wird fast zum patriotischen Akt.

Andere haben Verständnis. Einer Familie mit kleinem Budget könne man kaum vorwerfen, dass sie ihre Windeln im Ausland kaufe. Gerade bei Hygieneartikeln verlangen Schweizer Geschäfte oft ein Vielfaches von dem, was man in Deutschland zahlt. Doch auch die Einzelhändler verstehen sich darauf, den Ball zurückzuspielen. Für die Interessengemeinschaft Detailhandel sind die großen Differenzen sogar ein Argument für ihr Anliegen: Selbst wenn man künftig zusätzlich noch die Mehrwertsteuer in der Schweiz zahlen müsste - der Samstagsausflug würde sich trotzdem noch lohnen.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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