Schnelles Internet:W-Lahm

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Es ist ein Ärgernis, für Firmen auch ein Hindernis: Viele Regionen in Deutschland leiden unter langsamen Internet-Verbindungen. Was muss passieren?

Von Markus Balser, Berlin

Einmal im Jahr bekommen es die Deutschen Schwarz auf Weiß, wie es um das Tempo ihrer Netzanschlüsse steht. Im jüngsten internationalen "State-of-the-Internet-Report" liegen sie weltweit gerade mal auf Position 25. Südkoreaner surfen doppelt so flott. Bei den zukunftsträchtigen Glasfaser-Leitungen kommt Deutschland sogar nur auf Platz 28 von 32 Ländern der OECD. Für Bürger und Unternehmen ist das ein Ärgernis. Während Bewohner vieler Ballungsgebiete über Breitband-Anschlüsse mit passablen Übertragungsraten oft störungsfrei ins Netz kommen, ist der ländliche Raum stellenweise digitale Provinz. Deutschland sei noch immer ein "digitales Entwicklungsland", wie die Bertelsmann-Stiftung kürzlich monierte.

So sind in Thüringen gerade mal ein Viertel der Gewerbegebiete mit schnellem Internet versorgt. Dabei gibt es für viele Unternehmen inzwischen eigentlich nichts Wichtigeres. Im Wahlkampf versprachen praktisch alle Parteien Abhilfe. Die neue Bundesregierung müsse sich endlich zum ländlichen Raum bekennen - nicht nur in Worten, sondern auch in Taten, fordert Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Sonst drohten schwere Folgen für die Wirtschaft. Vor allem für den Mittelstand. Viele der deutschen Weltmarktführer, die Hidden Champions, sitzen traditionell abseits der Zentren in der Provinz. Und die ist eben nur mit großem logistischem Aufwand an schnelles Internet anzuschließen. Der Bund hatte auch deshalb bereits 2015 ein Förderprogramm angestoßen und stellte insgesamt rund vier Milliarden Euro zum Ausbau des schnellen Internets im ganzen Land zur Verfügung. "Damit es auf der Landkarte keine weißen Flecken mehr gibt", sagte Alexander Dobrindt damals, bis Ende Oktober Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Bis 2018 soll eine Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde überall gewährleistet sein.

Schon jetzt ist allerdings klar: Auch das aktuelle Ziel ist nur ein Zwischenschritt. Denn moderne Anwendungen wie intelligente Autos brauchen flächendeckend Übertragungsgeschwindigkeiten von 100 Megabit und mehr. Deshalb fordern Experten und Wirtschaftsverbände einen flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze in Deutschland. Nur die können laut Experten höhere Datenmengen im Höchsttempo verarbeiten.

Über die hauchfeinen Glasröhrchen lassen sich per Lichtimpuls schier unglaubliche Datenmengen übertragen. Noch aber kommt das Hightech-Projekt in Deutschland nicht so richtig in Gang. Fast alle OECD-Staaten investieren mehr in Glasfasernetze und bauen Überholspuren für ihre Datenautobahnen, heißt es in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Deutschland hingegen fahre auf der Kriechspur. In Estland profitieren bereits 73 Prozent, in Schweden 56, in Spanien 53 und in der Schweiz immerhin 27 Prozent der Haushalte von direkt verfügbaren Glasfaserverbindungen. In Deutschland gelte das nur für knapp sieben Prozent der Haushalte. Im ländlichen Bereich seien es sogar nur 1,4 Prozent.

Die Politik ist dafür nur zum Teil verantwortlich. Auch die Telekom trägt Verantwortung. Der Konzern verlegt Glasfaser nur zu den Verteilkästen und nutzt für die so genannte letzte Meile zum Kunden meist die vorhandenen Kupferleitungen. Wie schnell die Daten weiterleiten, hängt dann aber stark von der Länge des Kabels bis zum nächsten Anschlusskasten ab. Die Telekom weist Vorwürfe zurück. Man investiere jährlich bereits etwa fünf Milliarden Euro in schnelle Datenleitungen in Deutschland.

Einige Unternehmen haben wegen der Netzmisere auf dem Land bereits Konsequenzen gezogen. Bekanntes Beispiel: der italienische Kaffeemaschinen-Hersteller De'Longhi. Er verlegte seine Deutschlandzentrale 2012 entnervt von Froschhausen im Landkreis Offenbach in Hessen in das einige Kilometer entfernte Neu-Isenburg. Der Breitbandanschluss habe gefehlt, klagte der damalige Deutschland-Geschäftsführer Helmut Geltner. Für eine international tätige Firma, die täglich große Datenmengen austausche, sei der jedoch ein absolutes Muss.

Die fehlende Infrastruktur gilt in der Debatte um zu langsames Internet allerdings nur als ein Problem. Telekom-Anbieter sind auch wegen zu vollmundiger Versprechen in die Kritik von Behörden geraten. Zuletzt übertrumpften sich Telekom- und Kabelunternehmen mit der Ankündigung neuer Geschwindigkeitsrekorde. 2018 will Unitymedia die Ruhrmetropole Bochum als erste deutsche Großstadt zur Gigabitcity machen, für 2019 verspricht Vodafone Kabel Deutschland mit Bayern ein ganzes Bundesland auf Gigabit-Datentempo zu beschleunigen. Die Realität zu Hause sieht für viele Nutzer allerdings ganz anders aus. Die Bundesnetzagentur stellte fest: Über Verbindungsarten und verschiedene Anbieter hinweg erreichten Kunden die ihnen eigentlich in Aussicht gestellte maximale Geschwindigkeit oft nicht, klagte Jochen Homann, der Chef der Bundesnetzagentur. Die will nun künftig durchgreifen, wenn Telekom-Anbieter die versprochenen Internet-Geschwindigkeiten nicht liefern, und notfalls Strafen verhängen.

Verbände fordern nun noch mehr Geld. Insgesamt müsse man mittelfristig über Größenordnungen von mehr als zehn Milliarden Euro für die Förderung des Glasfaserausbaus auf dem Land sprechen, rechnet der Kommunalverband VKU vor. Gebe es ein besseres digitales Netz, könnte das die Lebensverhältnisse auf dem Land deutlich verbessern. Im Nahverkehr etwa könnten kleine Rufbussysteme den großen, leeren Linienbus ersetzen und häufiger fahren. Im Gesundheitssystem könnten Online-Beratungen die Versorgung von Patienten erleichtern.

Experten fordern deshalb von der nächsten Bundesregierung ehrgeizigere Ziele. Alle Netzbetreiber und Dienstleister müssten an einen Tisch. Länder und Kommunen müssten enger eingebunden werden, heißt es in der ISI-Studie. Andere machen sich dafür stark, die Ziele nach oben zu schrauben und bis Mitte des nächsten Jahrzehnts flächendeckend ein Netz mit 1000 Megabit Übertragungstempo je Sekunde zu schaffen.

Wie weit der Weg noch ist, machte unlängst die Deutsche Telekom selbst klar. Sie nahm vor einigen Wochen einen ersten solchen "Gigabit-Anschluss" für Privatkunden ins Angebot auf. Kosten? 120 Euro im Monat. Einen kleinen Schönheitsfehler hat die Offerte allerdings: Nur die wenigsten Deutschen können das Angebot auch wirklich wahrnehmen. Zum Zuge kommen nur die Gegenden, in denen die Telekom ihre Glasfaserleitungen schon bis in die Wohnungen verlegt hat. In ganz Deutschland erreicht der Bonner Konzern mit der Zukunftstechnologie gerade mal 700 000 Haushalte.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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