Schleckers Geschichte vor der Pleite:Wie die Seife billig wurde

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Als in den 1970er Jahren die Preisbindung für Drogerieartikel fiel, witterte Anton Schlecker seine Chance. Heute ist er Milliardär und das Unternehmen hat Tausende Filialen. Doch der Firmengründer musste auch Schickssalsschläge verkraften. Ein Rückblick.

Einst war Seife wie ein Buch - ein Gut, das nicht den Kräften des freien Markts überlassen werden sollte, sondern für das die Politik eine Preisbindung festsetzte. Für Bücher gilt noch heute in jedem Laden der gleiche Preis. Für Drogerieartikel wurde dies 1974 abgeschafft. Es war die Zeit, als der Unternehmer Anton Schlecker seine Chance sah.

Zeichen der Moderne: Das neue Schlecker-Logo und der deutsch-englische Slogan. (Foto: REUTERS)

Schlecker setzte auf das Discounter-Modell und erfand: Schlecker. Spartanische Einrichtung, eingeschränktes Sortiment, oft ungelerntes Personal. Das Konzept ging auf. Wenige Jahre später, 1977, eröffnete Schlecker schon die einhundertste Filiale. Die Firma wuchs rasant, in immer mehr Städten zeigten sich die blauen Läden. Auch in Randlagen, kleineren Städten und Dörfern expandierte das Unternehmen. 1984 zählte das Schlecker-Reich bereits 1000 Filialen.

Es war ein Erfolg auf dem Rücken der Mitarbeiter, lautete schon lange die Kritik. Das Amtsgericht Stuttgart sah dies 1998 genauso und erließ gegen das Ehepaar Schlecker Strafbefehle: zehn Monate auf Bewährung. Außerdem verpflichtete es sie dazu, zwei Millionen Deutsche Mark für gemeinnützige Zwecke zu zahlen. Der Vorwurf: Schlecker habe jahrelang gegen den allgemein verbindlichen Manteltarifvertrag verstoßen.

Dass Mitarbeitervertretungen fehlten, stand ebenfalls in der Kritik. Erst 1996 billigte Schlecker nach Kampagnen der Gewerkschaften schließlich bundesweit Betriebsräte. 2001 vereinbarte Schlecker mit Verdi einen Anerkennungsvertrag.

Doch das Ausbeuter-Image blieb. Weil die Läden oft nur mit einem Mitarbeiter besetzt sind, werden sie häufiger das Ziel von Überfällen als andere Drogeriemärkte.

Anfang 2010 wurde erneut große Kritik geübt. Gewerkschaften, Politiker und sogar Einzelhandelsverbände warfen dem Unternehmer Schlecker vor, Zeitarbeit zu missbrauchen und so Tarifflucht zu begehen. Er hatte bei der Schließung kleinerer Filialen gekündigten Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung in den neuen "XL"-Märkten angeboten, bei der sie allerdings über die Zeitarbeitsfirma "Meniar" angestellt wurden und weniger verdienen sollten. Nach heftigen Protesten lenkte Schlecker ein und ließ vermelden, dass künftig keine Mitarbeiter mehr über diese Firma beschäftigten würden.

Später im Jahr kam die große Wende. Im November übertrug Anton Schlecker einen Teil der Verantwortung für die Drogeriemarktkette auf seine Kinder Lars und Meike. Die beiden sollten den Konzern modernisieren, der heute 30.000 Menschen in Deutschland und 17.000 im Ausland beschäftigt.

Lars und Meike waren die Opfer in einem der großen Verbrechen der achtziger Jahre. Im Dezember 1987, zwei Tage vor Weihnachten, drangen drei Männer in das Haus der Familie im schwäbischen Ehingen ein, entführten dessen 14 und 16 Jahre alten Kinder und erpreßten vom Chef der größten Drogeriekette Deutschlands ein Lösegeld. Anton Schlecker gelang es, die Summe von 18 Millionen auf 9,6 Millionen Mark herunterzuhandeln. Mehr als zehn Jahre lang fehlte von den Tätern jede Spur, 1999 wurden sie zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Familie, deren Vermögen vom Manager Magazin 2009 auf 2,75 Milliarden Euro beziffert wurde, lebt seit der Entführung völlig zurückgezogen.

Für die Modernisierung gingen Lars und Meike, die neue Führungsriege, wieder in die Öffentlichkeit. Sie sollten das neue Image von Schlecker verkörpern, die Refomer mimen. "Es ist ja kein Geheimnis, dass unsere Läden früher manchmal ein bisschen schäbig aussahen", sagte Lars Schlecker im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung 2010. Alles sollte sich ändern. Hübschere Filialen, keine Schufterei mehr. Nach drei Jahren Verlust sollten Hunderte Filialen schließen. Doch die Bilanz ist dürftig: "Nette Erben ohne Macht", titelte zuletzt das Handelsblatt.

Und dann der Januar 2012: Die größte deutsche Drogeriekette Schlecker ist zahlungsunfähig. Das Unternehmen bestätigte, "kurzfristig" in eine Planinsolvenz zu gehen. Eine Planinsolvenz lässt dem bisherigen Geschäftsführer mehr Rechte als eine klassische Insolvenz. Ziel des Verfahrens sei es, einen großen Teil des Filialnetzes zu erhalten und damit auch die Mehrzahl der etwa 30.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Der Geschäftsbetrieb werde unverändert weiterlaufen.

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