Schlecker-Prozess:"Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern"

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Zum Prozessauftakt vergangene Woche schwieg der ehemalige Drogerie-Unternehmer Anton Schlecker noch vor Gericht - genauso wie schon während der Ermittlungen. (Foto: dpa)
  • Zu Beginn des zweiten Prozesstags hat der ehemalige Drogerie-Unternehmer Anton Schlecker eine Erklärung verlesen, in der er alle Vorwürfe von sich weist.
  • Im Ermittlungsverfahren hatten alle Mitglieder der Familie Schlecker noch geschwiegen.
  • Sie sollen kurz vor der Pleite des Unternehmens Millionensummen beiseitegeschafft haben.

Aus dem Gericht von Stefan Mayr, Stuttgart

Der Patriarch spricht. Und er kämpft mit den Tränen. Anton Schlecker redet im Stehen, eine Stunde und drei Minuten lang liest er eine vorbereitete Erklärung vor, die Blätter in der einen Hand, mit der anderen gestikuliert er engagiert. Wenn es um seine Familie geht und um die Insolvenz der Drogeriekette Schlecker, muss er sichtbar mit den Tränen kämpfen. "Es ist schwer für mich, meine Familie hier im Saal zu sehen, ich hätte es ihr gerne erspart, wie ich auch gerne die Insolvenz vermieden hätte." Schleckers Stimme stockt, er muss schlucken. "Aber ich übernehme die unternehmerische Verantwortung. Ebenso wie ich sie übernommen habe, als die Firma zu den erfolgreichsten des Landes gehörte."

Heute, am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Stuttgart, gibt Schlecker also einen kleinen Einblick, wie er die Pleite seines Unternehmens erlebte. Ihm und seiner Familie wird vorsätzlicher Bankrott vorgeworfen: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt die Schleckers, kurz vor der Insolvenz ihrer Drogerie-Kette etwa 25 Millionen Euro beiseitegeschafft zu haben, um sie dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen.

"Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern"

Über den 20. Januar 2012, den Tag, als der Untergang des Unternehmens besiegelt wurde, berichtet Schlecker: "Ich hatte einen Anruf auf meinem Handy, von meiner Tochter. Ganz fassungslos sagte sie: 'Papa, die lassen uns fallen.'" Wieder bricht die Stimme. Gemeint seien die Lieferanten und deren Versicherer gewesen, die der Drogerie-Kette keine Waren mehr liefern wollten.

Nach einer halben Stunde bittet Schlecker das Gericht, einen Schluck trinken zu dürfen. "Ich brauche keine Pause, nur ein Schluck Kaffee, dafür habe ich eine Thermoskanne dabei", sagt er und kramt eine silberfarbene Kanne aus der Tasche. Dann liest er weiter.

Nach einer weiteren halben Stunde betont Schlecker in seiner "Schlussbemerkung" nochmals, dass er bis zum Schluss daran geglaubt habe, das Unternehmen aus der Krise führen zu können. "Ich hätte über Jahrzehnte hinweg sehr viel Geld in Sicherheit bringen können", sagt er. "Die Insolvenz war unvorstellbar für mich." Man könne das aus heutiger Sicht als "verbohrt" und "objektiv falsch" ansehen. Aber man müsse sich schon in seine damalige Situation hineinversetzen: "Für mich gab es kein unternehmerisches Scheitern", sagt er. Wieder übermannt es ihn. Er hustet und verdrängt die Tränen.

14 000 Läden und 55 000 Beschäftigte zu Spitzenzeiten

In den Jahren als erfolgreicher und umstrittener Unternehmer hatte sich Schlecker kaum je öffentlich geäußert. In einem seiner wenigen Interviews hatte er 2005 der Wochenzeitung Die Zeit gesagt: "Willst du den sicheren Ruin eines Unternehmens, gib ihm 30 Jahre Erfolg." Das klingt aus heutiger Sicht wie die Prophezeiung des eigenen Untergangs: Schlecker hatte 1975 den ersten Drogeriemarkt in Kirchheim/Teck eröffnet, 1977 hatte er bereits 100 Filialen und 1984 eröffnete er den tausendsten Laden. Zu den besten Zeiten hatte er 14 000 Geschäfte in 17 Ländern Europas und 55 000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag bei fünf Milliarden Euro.

Aber irgendwann war die Konkurrenz schicker und hatte ein besseres Image, ab 2007 schrieb Schlecker nur noch Verluste. Am 23. Januar 2012 meldete er schließlich Insolvenz an nachdem ihm die Lieferanten keine Ware mehr geschickt hatten. Seitdem haben sich die Schleckers bisher nur einmal geäußert, auf einer Pressekonferenz im Januar 2012. Nach dem Gang zum Insolvenzrichter sagte Meike Schlecker in die Kameras: "Es ist nichts mehr da." Ob das stimmte, muss das Gericht nun klären.

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