Saudi-Arabien:Superlativ in Riad

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Mitten ins Meer gebaut: Die Tanura-Raffinerie, die vom saudi-arabischen Aramco-Konzern betrieben wird. (Foto: Ahmed Jadallah/REUTERS)

Der Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Aramco wird einer der größten überhaupt - auch wenn es im Vorfeld Gerangel um die richtige Bewertung gab.

Von Paul-Anton Krüger und Victor Gojdka, München

Auf den ersten Blick klingen die Zahlen vollkommen unspektakulär. Für einen Preis von 8 bis 8,50 Dollar je Aktie will der staatliche saudische Ölkonzern Aramco seine Anteile an die Börse in Riad bringen. Doch ein paar weitere Rechenübungen machen die Tragweite dieses Börsengangs deutlich: Saudi-Arabien peilt mit seinem Ölkonzern den größten Börsengang der Geschichte an, will von Investoren bis zu 26 Milliarden Dollar einwerben. Superlative liebt Riad schließlich. Eigentlich bräuchten die Saudis keinen weiteren Superlativ, denn auch ohne Rekordbörsengang ist der staatliche Ölkonzern Aramco in vielem bereits jetzt unübertroffen: Aramco ist nicht nur der größte Ölproduzent auf dem Globus. Niemand hat außerdem so hohe Ölreserven wie der Staatskonzern - und niemand kann den Rohstoff so günstig aus der Erde holen wie Aramco. Mit einem Gewinn von unvorstellbaren 111 Milliarden Dollar fuhr Aramco im vergangenen Jahr so viel Geld ein wie die anderen Ölriesen Exxon, BP, Chevron, Shell und Total - zusammengenommen, wohlgemerkt. Der Börsengang im Dezember soll nun ein weiterer Rekord werden, so lassen es die Zahlen verstehen, die Aramco anpeilt und nun veröffentlicht hat. Insgesamt will das Unternehmen auf eine Bewertung zwischen 1,6 und 1,7 Billionen Dollar kommen. Das hieße unterm Strich: Würden die Saudis beim Börsengang wie nun geplant 1,5 Prozent der Anteile als Aktien ausgeben, würde ihnen das bis zu 26 Milliarden Dollar in die Kassen spülen. Damit wäre Aramcos Börsengang um einen Hauch größer als der bislang schwerste Börsengang des chinesischen Onlinegiganten Alibaba. Und genau um diesen Hauch geht es dem saudischen Königshaus. Die Bewertung zwischen 1,6 und 1,8 Billionen Dollar hat viele Investoren überrascht. Sie liegt am oberen Ende dessen, was viele Banken in den vergangenen Wochen vorhergesagt hatten. Auch wenn viele Experten das Ende des Ölzeitalters diskutierten: "Die fossile Energie ist eben immer noch Rückgrat der Weltwirtschaft", sagt Energieexperte Andreas Goldthau von der Willy-Brandt-School der Uni Erfurt. Gut möglich, dass auch manch potenzieller Investor zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Insgesamt ist jedoch mehr als fraglich, welche Investoren bei Aramco einsteigen wollen. Viele westliche Investoren hielten seit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi Abstand vom Königreich. Allerdings waren jüngst beim jährlichen Treffen der Future Investment Initiative in Riad die Chefs vieler Investmentfirmen und Banken zugegen. Andere zweifeln daran, dass das Königshaus den neuen Miteigentümern hinreichende Mitspracherechte bei Aramco einräumen werde.

Energieexperten wie Goldthau glauben nicht daran, dass das Interesse bei westlichen Anlagegesellschaften am Ende ausschlaggebend ist. Denn laut Nachrichtenagentur Bloomberg hat Aramco Veranstaltungen in London und Europa gestrichen, bei denen es um Anleger werben wollte. "Am Ende würde es für Aramco mehr Sinn machen, sich einige saudische Investoren zu sichern und darüber hinaus vor allem auf die aufstrebenden Märkte in Asien zu schielen", sagt Energieexperte Goldthau.

Tatsächlich sollen saudische Privatanleger einen guten Teil der Aktien kaufen. Wie einst die Telekom-Papiere in Deutschland sollen sie zu einer Art Volksaktie werden. Reiche Saudis, so ist zu hören, seien zu Großinvestitionen gedrängt worden. Überdies denkt Aramco über Bonusaktien nach, die ausgegeben werden sollen, wenn die Käufer der Erstemission ihre Papiere länger als sechs Monate halten. Damit soll verhindert werden, dass der Kurs direkt nach dem Börsengang deutlich nachgibt. Außerdem haben russische und chinesische Staatsfonds Interesse bekundet. Angeblich sollen sie mit bis zu 40 Prozent als Ankerinvestoren bei Aramco einsteigen. China ist Saudi-Arabiens wichtigster Abnehmer, Russland der größte Konkurrent auf dem Weltmarkt.

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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