Sachverständigenrat:Die Wirtschaftsweisen finden keine Führung

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Die Münchner Professorin Monika Schnitzer galt als Favoritin für den Vorsitz des Sachverständigenrats. Auch der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler Volker Wieland hat Ambitionen, zumal er der dienstälteste Sachverständige ist. (Foto: picture alliance/dpa)

Das oberste Beratergremium der Bundesregierung scheitert bei dem Versuch, sich einen Vorsitz zu geben. Nun wollen die vier Mitglieder den Rat gemeinsam leiten - notgedrungen.

Von Marc Beise

Still und leise fand am Dienstag eine Kapitulationserklärung ihren Weg auf die Homepage des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Nach wochenlangem Ringen gab das wichtigste Beratergremium der Bundesregierung - das einzige, dessen Existenz in einem Gesetz ausdrücklich geregelt ist - den Versuch auf, eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden zu wählen. Das gab es noch nie, und das passt zur Performance der Bundesregierung - die schafft es nämlich auch nicht, den vakanten fünften Platz im Gremium der Wirtschaftsweisen neu zu besetzen.

Bereits im Februar verabschiedete die Regierung den bisherigen Vorsitzenden, den Freiburger Wirtschaftsprofessor Lars Feld. Der hatte zehn Jahre amtiert, eine dritte Amtszeit wäre nicht üblich, aber möglich gewesen, zumal Feld erst seit einem Jahr Vorsitzender war. Das aber wollte die SPD nicht, der Feld zu marktliberal ist. Die Union wiederum konnte sich mit keinem der von der SPD favorisierten Nachfolgekandidaten anfreunden - so wurde aus dem Gremium der Fünf eine Vierer-Bande. Die hätte nun nach bisheriger Übung den Vorsitz unter sich ausmachen müssen.

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Viele in der Ökonomen-Szene erwarteten, dass die Münchner Professorin Monika Schnitzer das Rennen machen würde. Es hätte so gut gepasst: Schnitzer ist eine erfahrene und angesehene Ökonomin, erstmals sind nun zwei von vier Mitgliedern Frauen, und noch nie hatte das Gremium eine Frau an der Spitze. Da allerdings ist ihr ebenfalls renommierter Frankfurter Kollege Volker Wieland dagegen. Er amtiert von den vier verbliebenen Ratsmitgliedern am längsten, das reichte in der Vergangenheit häufig (aber nicht immer) für eine Berufung. Ambitionen hat auch Schnitzers Kollegin Veronika Grimm, die in Nürnberg lehrt; nur Achim Truger, von den Gewerkschaften nominiert, hält sich fein raus.

Am Ende reichte es nur zur erwähnten kurzen Mitteilung: "Die derzeitigen vier Mitglieder haben sich darauf verständigt, dass der Rat bis auf weiteres von ihnen gemeinsam geleitet wird. Mit einer rotierenden Vertretungsregelung ist dafür gesorgt, dass der Rat in dieser Zeit weiterhin auch administrativ voll handlungsfähig bleibt." Die Betonung liegt auf administrativ: Denn politisch einflussreich war der Rat bisher vor allem, wenn er in der Öffentlichkeit ein Gesicht hat - und nicht vier.

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