Ryanair:Staatsanwaltschaft erhöht Druck auf Ryanair-Manager

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Am Freitag werden wegen des Streiks wohl etwa 400 von 2000 geplanten Flügen bei Ryanair ausfallen. (Foto: Remko de Waal/AFP)
  • In Ryanair-Cockpits sitzen häufig Piloten, die nicht bei der Airline angestellt sind.
  • Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass es sich zum Teil um Scheinselbstständige handelt und ermittelt nun gegen vier hochrangige Manager.
  • Die Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass die Beschuldigten Sozialabgaben und Lohnsteuer für die Pilotengehälter hinterzogen haben sollen.

Von Katja Riedel und Georg Wellmann

Die Fluglinie Ryanair steht für Kampfpreise. Weil diese Preise auch aufgrund eines rechtlich fragwürdigen Beschäftigungsmodells möglich waren, hat die Staatsanwaltschaft Koblenz schon vor Jahren Ermittlungen aufgenommen. Sie richteten sich erst gegen Piloten, dann gegen die Verantwortlichen zweier Personaldienstleister und inzwischen auch gegen vier Manager von Ryanair. Nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung haben sich nun offenbar die Verdachtsmomente gegen diese vier beschuldigten Manager erhärtet. Die Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass die Beschuldigten Sozialabgaben und Lohnsteuer für die Pilotengehälter hinterzogen haben sollen. Gegen die Piloten dagegen sollen die Verfahren wohl in Kürze eingestellt werden, weil die Ermittler nur eine geringe Schuld bei ihnen sehen. Sie haben bereits bei Gericht beantragt, das Verfahren einzustellen, wegen Geringfügigkeit. Die Piloten sollen eigene Gesellschaften gegründet haben, in denen sie als Scheinselbständige für Ryanair geflogen sind. Die oft unerfahrenen Piloten hätten nicht damit rechnen können, bei einer etablierten Fluggesellschaft auf illegale Beschäftigungsmodelle zu treffen, heißt es in internen Dokumenten. Die Verantwortlichen der englischen Personaldienstleister, die Piloten an Ryanair vermittelt hatten, könnten dagegen angeklagt werden. Das Gericht muss die Klage noch zulassen. Die vier Führungskräfte von Ryanair rücken immer mehr in den Fokus der Ermittler. Aus den internen Unterlagen ergibt sich, dass Ryanair offenbar zuletzt einige Anstrengungen unternommen hat, ihre Manager zu schützen. Die Papiere zeigen, dass der Rechtsanwalt des Billigfliegers kürzlich eine Wiedergutmachung des Schadens in Aussicht gestellt hat. Doch die Staatsanwaltschaft hat dies den Unterlagen zufolge abgelehnt. Ryanair, die als irische Firma mit Sitz in Dublin nach deutschem Recht nicht angeklagt werden kann, hat den Dokumenten zufolge einen Anwalt beauftragt, die Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft zu führen. Dieser soll darauf gedrungen haben, die strafrechtlichen und sozialrechtlichen Punkte der Verfahren schnell abzuwickeln.

Ein Ryanair-Sprecher sagte dazu, dass Ryanair weder aufgefordert wurde noch angeboten habe, eine Entschädigung zu zahlen, da Ryanair im Rahmen des Verfahrens nicht beschuldigt werde. Die Akten erwecken einen anderen Eindruck. Bei dem Besuch Anfang September in Koblenz soll der Ryanair-Anwalt auf die Kooperationsbereitschaft des Billigfliegers und die Bemühungen um eine Schadenswiedergutmachung verwiesen haben. Die Staatsanwaltschaft soll weitere Gespräche abgelehnt haben, weil der Ryanair-Anwalt keine Vertretungsvollmacht für die beschuldigten Manager gehabt habe.

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Mithilfe eines umstrittenen Beschäftigungsmodells für Piloten sollen deutsche Sozialversicherungsträger zwischen Januar 2007 und Juni 2016 in etwa 920 Fällen um Sozialversicherungsbeiträge gebracht worden sein, weil die Piloten offenbar nicht freie Unternehmer, sondern abhängige Beschäftigte gewesen seien, "Scheinselbständige" also. Das Modell sah vor, dass die Piloten eine eigene Firma in Irland gründeten. Anschließend wurden die Piloten über die beiden englischen Personaldienstleister an Ryanair vermittelt. Für Ryanair dürfte dies ein lukratives Geschäft gewesen sein, sparte sich die Billigairline damit doch den Arbeitgeberanteil für Sozialabgaben und Steuern. Die Ermittler sprechen von einem "Verschleierungsmodell".

Ryanair weist die Vorwürfe zurück

Den Schaden beziffern sie auf rund sechs Millionen Euro. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: Die Ryanair-Führungskräfte sollen die Mitarbeiter der Personaldienstleister angestiftet haben. Offenbar haben mehrere Geschäftsführer der betroffenen englischen Personaldienstleister ausgesagt, dass sie bestimmte Formulare für Verträge in den Dienstleistungsfirmen unverändert benutzen sollten. Das Beschäftigungsmodell sei von Ryanair vorgegeben worden. Die Ermittler gehen davon aus, dass dieses Modell bei dem irischen Billigflieger nur eingesetzt worden sei, um Personalkosten zu drücken.

Ryanair weist die Vorwürfe zurück. "Ryanair hat schlüssige, dokumentierte Beweise zusammengestellt, die zeigen, dass es keinen Grund für ein Verfahren gegen einen der vier genannten Ryanair-Manager gibt, und wir sind zuversichtlich, dass diese von den Anschuldigungen freigesprochen werden", sagte ein Sprecher. Nach den Recherchen sollen jedoch die Ermittlungen den bestehenden Verdacht erhärtet haben, sie stützen sich dabei auch auf auffällige Details. Die Ermittler betrachten es als sehr ungewöhnlich, dass die abgeschlossenen Verträge zwischen vielen Piloten und Personaldienstleistern in Inhalt und Layout identisch sind, obwohl beide Firmen auf dem Markt miteinander konkurrieren. Als ebenso ungewöhnlich sollen die Ermittler es bewerten, dass beide dieselben Buchhaltungsfirmen beschäftigten. Ein Inhaber einer dieser Firmen hatte gegenüber der irischen Presse berichtet, die dreiseitigen Piloten-Verträge im Auftrag von Ryanair entworfen zu haben.

Bei Ryanair heißt es dazu, dass "das Contractor-Modell in zahlreichen Branchen in der EU angewendet wird, darunter in Fluggesellschaften, Medienunternehmen, Krankenhäusern, in der IT/Softwareentwicklung, und nicht 'illegal' ist". Ryanair hatte stets betont, dass das Beschäftigungsmodell im Einklang mit europäischen und nationalen Rechtsvorschriften stehe. Ryanair hatte bereits früher angekündigt, eng mit der Staatsanwaltschaft kooperieren zu wollen.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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