Fluggesellschaften:Der Billigflieger Ryanair ist zurück

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Ryanair-Flugzeuge am Flughafen in London (Foto: Adrian Dennis/AFP)

Die irische Airline hat sich nach der Corona-Pandemie erstaunlich schnell erholt. Mit neuen, günstigen Flugzeugen will die Airline zusätzliche Marktanteile gewinnen - nur der deutsche Markt bleibt schwierig.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Ryanair, Europas größter Billigflieger, hat nach dem Ende der Corona-Pandemie einen erstaunlichen Schnellstart vollzogen und baut die Marktanteile aus. Schon im Geschäftsjahr 2023, das am 31. März endete, flog Ryanair mit 16 Prozent mehr Kapazität als vor der Krise.

Getrübt wird die gute Stimmung beim Billigflieger nur dadurch, dass in den Hauptreisemonaten Juni und Juli bis zu zehn fest eingeplante Flugzeuge fehlen, weil der Hersteller Boeing erhebliche Probleme in der Produktion hat. Zuletzt hatte ein großer Zulieferer bei der Montage eines Bauteils geschlampt, es muss nachgearbeitet werden. Da das dauert, muss Ryanair kurzfristig improvisieren. Die Airline wird deswegen wahrscheinlich das selbst gesteckte Ziel knapp verpassen, in diesem Geschäftsjahr 185 Millionen Passagiere zu fliegen.

Ryanair-Chef Michael O'Leary. (Foto: Evelyn Hockstein/Reuters)

Ryanair profitiert von einer riskanten Wette aus der Frühphase der Pandemie: Konzernchef Michael O'Leary und seine Leute, allen voran Airline-Lenker Eddie Wilson, spekulierten darauf, dass die Nachfrage mit dem Ende von Reiserestriktionen sofort schnell zurückkommen würde. Sie hielten die Flotte und Mitarbeiter, mit denen sie eine Krisenvereinbarung unterschrieben, mehr oder weniger vollständig einsatzbereit. Aufgrund hoher Gewinne in den Vorjahren konnte Ryanair sich das zumindest für eine Weile leisten. Die Rechnung ging auf: Nach einem Verlust von 355 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2022 sprang nun ein Gewinn von 1,45 Milliarden Euro heraus. Der Umsatz stieg von 4,8 auf 10,8 Milliarden Euro, die Zahl der Passagiere stieg von 97 auf 168 Millionen. Die Krisenvereinbarung, die einen Gehaltsverzicht beinhaltete, hat Ryanair nun zwei Jahre früher als geplant beendet.

Mit einer Flotte von 537 Flugzeugen (Stand Ende März) ist Ryanair mit Abstand größter Billiganbieter Europas. In Italien, wo Lufthansa gerade die höchstdefizitäre ITA Airways zu kaufen versucht, hat Ryanair den Marktanteil von 29 auf 40 Prozent ausgebaut, in Polen von 26 auf 36 Prozent und in Irland von 49 auf 58 Prozent.

Auch mit dem Fokus auf Ferienziele lag Ryanair nach der Pandemie richtig. Denn die Nachfrage bei Privatreisen erholte sich viel schneller als die bei Geschäftskunden, die immer noch deutlich unter dem Niveau von 2019 liegt. Ryanairs größter Konkurrent in dem Segment ist Wizz Air, die über ähnliche niedrige Kosten verfügt, aber mit dem Schwerpunkt ihres Streckennetzes in Zentral- und Osteuropa geografisch etwas anders positioniert ist. Wizz Air hat mit Abu Dhabi auch eine Basis außerhalb Europas, ein Schritt, den Ryanair bislang scheut.

Easyjet hat sich in den letzten Jahren mehr auf Städteverbindungen, große Flughäfen und Geschäftsreisende fokussiert, operiert daher mit deutlich höheren Kosten und kann nicht im gleichen Maße vom frühen Boom bei den Urlaubsflügen profitieren. Noch viel weniger gilt das für klassische Drehkreuz-Betreiber wie Lufthansa, die immer noch nicht das alte Niveau erreicht haben.

Schwieriger Markt in Deutschland

Ryanair sieht für die nächsten Jahre "enorme Wachstumsmöglichkeiten". Die Kostenvorteile würden nur größer, die Treibstoffsicherungsgeschäfte (Fuel Hedging) funktionieren, weil das Timing gestimmt hat, und die Airline hat zu günstigen Bedingungen Flugzeuge bestellt. In den nächsten drei Jahren liefert Boeing noch 110 Maschinen vom Typ 737-8200 aus, die zum Teil für Wachstum und zum Teil als Ersatz gedacht wird. Von 2025 an hat Ryanair eine Lieferpause eingeplant und dürfte mangels Investitionszwängen noch höhere Gewinne einfahren. 2027 kommen dann die ersten von bis zu 300 weiteren Boeing-Jets, die die Airline jüngst bestellt hat. Bedrohlich für die Konkurrenz: Die neuen Maschinen haben statt wie die alten 197 nun 228 Sitze - Ryanair kann also noch mehr Kapazität auf den Markt bringen.

Deutschland ist allerdings einer der wenigen Märkte in Europa, in denen sich Ryanair trotz allem schwertut. Nach angebotenen Sitzkilometern gerechnet ist die Airline hierzulande nur die Nummer fünf - sie ist damit kleiner als Condor und nur wenig größer als Sun Express. Lufthansa-Billigableger Eurowings ist trotz viel höherer Kosten und bislang fehlender Gewinne im deutschen Markt ein Drittel größer, Lufthansa selbst ist mehr als sechsmal so groß.

Für die Schwäche gibt es mehrere Gründe: Lufthansa ist bereit, Eurowings strategisch als Waffe gegen Billigflieger einzusetzen, auch wenn dies Verluste einbringt. Als Ryanair am Flughafen Frankfurt eine Basis eröffnete, hielt Lufthansa so lange mit Billigtarifen auf den gleichen Strecken dagegen, bis O'Leary die Nachricht verstanden hatte. Die Basis gibt es nicht mehr. Aber auch die vergleichsweise hohen Kosten der Flughäfen schrecken die Billiganbieter ab. Nicht nur Ryanair: Easyjet hat längst die von Air Berlin übernommene Basis in der Hauptstadt eingedampft, und Wizz Air fliegt nur noch sporadisch nach Deutschland.

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