Telefonieren im Ausland:Der Traum von einem Europa ohne Roaming

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Telefonieren und Surfen im Urlaub wird 2016 wieder etwas günstiger - aber eben nur etwas. (Foto: dpa)
  • Das Europaparlament stimmt in dieser Woche erneut über Roaming-Gebühren ab.
  • 2017 soll Europa roamingfrei werden, doch auch dann werden bestimmte Limits bleiben.
  • Die Politik muss zwischen den Interessen der Verbraucher und denen der Unternehmen abwägen.

Ein Kommentar von Alexander Mühlauer

Am Anfang war es ein Versprechen. Als die ersten Geschäftsführer mit ihren Mobiltelefonen durch die Welt jetteten, priesen sie die knochenschweren Geräte als Symbol der Freiheit. Endlich waren sie (fast) überall erreichbar. Und nicht nur sie. Auch für Gameboy-Gymnasiasten in den Neunzigerjahren waren die Knochen, die man bald Handys nannte, so etwas wie die Boten einer neuen Zeit. Und so kam es dann auch: Kein Produkt hat den Alltag der Menschen in den vergangenen zwei Jahrzehnten stärker verändert als das Mobiltelefon. Auch wenn es manche inzwischen zum Symbol der Unfreiheit erklären, weil die Menschen nun ständig erreichbar sind.

Ein Ärgernis aber ist geblieben: das Roaming. In dieser Woche stimmt das Europaparlament mal wieder über die Höhe jener Gebühren ab, die Mobilfunkanbieter für das Telefonieren und Surfen im Ausland zusätzlich kassieren. Die gute Nachricht: Die Zuschläge werden erneut sinken. Die schlechte Nachricht: Die Tarife, die vom nächsten Juli an gelten sollen, sind noch immer ziemlich hoch. Ein Jahr später soll es dann endlich so weit sein: Pünktlich zum Sommerurlaub 2017 wird Europa roamingfrei.

Die Politik muss Augenmaß bewahren

Ein Traum - denn es wird ein Traum bleiben. Das sogenannte permanente Roaming wird es nicht geben. Wer also zum Beispiel den europäischen Binnenmarkt für sich nutzen will und in Litauen oder Portugal einen günstigen Handyvertrag abschließt, kann damit nicht grenzenlos in Deutschland telefonieren. Es wird weiter Limits geben. Wie das genau aussehen kann, muss nun die Europäische Kommission erarbeiten. Man kann davon ausgehen, dass die Konzerne darauf achten werden, dass sie ihre Kosten decken - und dementsprechend bei den Mitgliedsstaaten lobbyieren werden. Das ist auch verständlich, denn hinter dem Streit um Roaminggebühren steht eine grundsätzliche Frage: Wie kann die Politik Verbraucher schützen, ohne dabei die Unternehmen zu überlasten?

Wer jetzt sagt, die Preise beim Roaming seien mit den tatsächlichen Kosten nicht zu rechtfertigen, hat natürlich recht. Aber andererseits müssen die Firmen mit den Milliarden aus den Gebühren den unterentwickelten Netzausbau voranbringen. Die Politik kann also nicht im Stil eines Robin Hood gegen gierige Konzernbosse kämpfen, sie muss Augenmaß bewahren. Europas Unternehmen garantieren Millionen von Arbeitsplätzen. In Zeiten der Globalisierung ist das ein hohes Gut. Allein deshalb gilt es die Interessen der Konzerne zu respektieren.

Der Markt hat beim Roaming versagt

Schon wahr, in einer idealen Welt sollte der Verbraucherschutz möglichst wenig in die Unternehmenswelt eingreifen. Preise staatlich zu begrenzen, darf in einer Marktwirtschaft nur das letzte Mittel sein. Doch beim Roaming hat der Markt versagt. Und so lag es an der Politik, die Konzerne erst einmal aufzufordern, Kunden über die Preise zu informieren - und zwar vor der Reise ins Ausland. Doch das allein half nicht; kein Anbieter machte deshalb ein Angebot für niedrigere Tarife. Die Verbraucher waren den überhöhten Gebühren weiter ausgeliefert.

Hinzu kommt: Ein Blick auf die Preisunterschiede in der EU zeigt, dass der Binnenmarkt nur in wenigen Wirtschaftszweigen so unvollkommen ist wie beim Mobilfunk. Es gibt kaum Wettbewerb. Es existieren nationale Märkte; und beim Roaming machen sich die Anbieter wenig Konkurrenz. Das brauchen sie auch nicht, denn kaum ein Kunde sucht sich seinen Vertrag danach aus, wie viel er im Ausland zu bezahlen hat. Das macht es für die Unternehmen so einfach, überhöhte Gebühren zu verlangen.

Grenzenloses Surfen wird es nicht geben

Es war also nötig Preisgrenzen vonseiten der Staaten festzulegen. Und dank der EU-Kommission sind die Roaminggebühren auch in den vergangenen Jahren deutlich gefallen. Ein "permanentes Roaming" über alle Grenzen hinweg kann es aber nicht geben - zu unterschiedlich sind die Lebensverhältnisse in der Europäischen Union. Die Arbeits- und Lebenshaltungskosten sind in Deutschland um ein Vielfaches höher als in anderen Staaten.

Die Deutsche Telekom muss für ihre Dienstleistungen einfach mehr verlangen als die Konkurrenz in baltischen oder osteuropäischen Staaten. Ihre Angestellten verdienen auch mehr. Außerdem ist es ja so: Ein Verbraucher ist nicht nur Kunde. Die meisten von ihnen sind angestellt und die meisten von ihnen haben ein Interesse daran, dass es weiter starke Telekommunikationskonzerne in Europa gibt, die Arbeitsplätze schaffen.

Die Unternehmen müssen nur aufpassen, dass sie den technologischen Anschluss nicht verpassen. So wie einst manche alte Knochen aus Europa. Dann ist es nämlich schnell vorbei mit der Freiheit.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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