Altersvorsorge:Kritik von den Verbraucherzentralen

Verbraucherschützer finden das nicht gut. "Damit machen es sich die Autoren der Studie zu leicht", sagt Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Es gebe durchaus einheitliche Daten, die für die gesetzliche Rente oder Riester-Produkte verwendet würden. Zudem ist die Eingliederung von etwa 1,7 Millionen Beamten in das System noch nicht geklärt: Die Beamtenversorgung müsste erst eine Infrastruktur für die Plattform schaffen. Überhaupt kritisiert Verbraucherschützer Gatschke an der Studie, dass sie "auf Versicherungsprodukte ausgerichtet und deshalb mit einer Versicherungsbrille geschrieben worden ist". In der Tat arbeiten neun der elf Beteiligten an der Studie für die Versicherungs-Tochter Aon Hewitt. "Es fehlen Produkte wie Aktienfonds, die der Kunde ebenfalls als Altersvorsorge versteht", bemängelt der Verbraucherschützer.

Co-Autor Geilenkothen hält dagegen, dass Fonds in der Darstellung der Übersicht von der dritten Säule, der privaten Altersvorsorge, abgedeckt wären. Allerdings könne man nicht jeden Fonds berücksichtigen: "Wir denken, dass ein Fonds dann der Altersvorsorge dient, wenn eine Auszahlung zeitnah zum Ruhestand stattfindet." Es gibt also noch viel zu klären, bevor die Plattform überhaupt programmiert werden kann: Welche Daten nimmt man, wie verarbeitet man sie, was sind die Annahmen für den Rentenwert? Für Co-Autor Geilenkothen steht jedenfalls fest: "Wegen der Unsicherheiten sollte die Zahl, die den Versicherten übermittelt wird, vorsichtig geschätzt werden." Heißt: Lieber zu niedrig als zu hoch, lieber die Menschen warnen, als sie in falscher Sicherheit zu wiegen. Geilenkothen weist darauf hin, dass die Zahl auch nur zur Orientierung da sei. Je näher die Menschen dem Renteneintritt kämen, desto genauer werde auch die Prognose. Ein Wissenschaftler hält die zu starke Vereinfachung jedoch für problematisch.

"Einfache Zahlen können gefährlich werden", sagt Felix Brodbeck, Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität München. "Einmal genannt, klammern sich die Menschen an solche Zahlen", sagt er. "Was wirklich dahinter steckt, wird immer unwichtiger." Auf die zentrale Renteninfo-Plattform bezogen: Wer durchkämmt noch detailliert eine Standmitteilung, wenn die künftige vermeintliche Höhe der Rente online in einer Zahl zusammengefasst steht?

Wie könnte man also einen solchen Betrag verlässlich darstellen? "Gar nicht", ist Brodbeck überzeugt. Eine solche Zahl könne eigentlich nur frustrieren. Er hat den Verdacht, dass die Zahl möglicherweise zu niedrig angegeben werden könnte. Politik und Wirtschaft wollten mehr private Vorsorge: "Eine niedrige Zahl erzeugt das Gefühl, dass man mehr tun muss."

Schweden als mögliches Vorbild

Dabei findet der Wissenschaftler die Grundidee nicht schlecht. Vorausgesetzt, die Renteninfo-Plattform wird gut und transparent organisiert, hat sie eine Reihe von Vorteilen: Die Versorgungsträger werden zu Transparenz gezwungen. Die Bürger bekommen einen Überblick und Orientierung, außerdem können sie die Daten kopieren und dazu nutzen, sich auf deren Basis von Beratern über neue Produkte informieren zu lassen. "Das würde den Service aller Versorgungsträger besser machen", meint Geilenkothen.

Verbraucherschützer Gatschke schlägt vor, sich an Schwedens System zu orientieren. Dort würden einmal im Jahr orangefarbige Briefe verschickt. Sie enthielten Informationen, die denen des geplanten Portals ähneln. "Das schafft ein höheres Bewusstsein und macht so ein System attraktiver", sagt Gatschke.

Denn bei aller Kritik an den Details - grundsätzlich stehen auch die Verbraucherschützer dem Projekt positiv gegenüber. Gatschke sagt: "Noch sind viel zu viele Verbraucher im Blindflug unterwegs. Sie wissen zwar, dass sie etwas tun müssen für ihre Altersvorsorge. Aber nicht was - und wie viel."

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