Regeln für Banken:Es wird noch strenger

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In den Bankentürmen von Frankfurt ist man nicht amüsiert über die Pläne der Aufseher. (Foto: Daniel Roland/AFP)

Banken können das Ausfallrisiko eines Kredits bislang nach eigenen Modellen berechnen. Das wollen Aufseher nun ändern.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Man kann den Bankenaufsehern nicht vorwerfen, die Branche in den vergangenen Jahren über Gebühr geschont zu haben. Doch einen Bereich hatten sie bislang ausgeklammert: Es geht um das althergebrachte Privileg, dass Banken ihre Geschäftsrisiken weitgehend nach eigenem Ermessen berechnen dürfen. Diesen blinden Fleck möchte der Basler Bankenausschuss nun beseitigen. Das Gremium mit Notenbankern und Aufsehern aus 27 Staaten und der EU trifft sich am Mittwoch und Donnerstag in Basel. Internationale Bankmanager verfolgen die Pläne mit Argwohn.

Der Basler Bankenausschuss ist das wichtigste Gremium zur Neuregulierung des globalen Bankensektors. Die Erfahrungen der Finanzkrise ab 2008 hatten deutlich gemacht, dass Banken deutlich mehr Eigenkapital brauchten, um etwaige Verluste besser auffangen zu können. Auf Empfehlung des Basler Gremiums sind die Vorschriften deutlich verschärft worden. Man spricht vom Regelwerk Basel III, das bis Jahresende vollständig sein soll.

Dafür müssen sich die Experten nun mit einem Problemfeld auseinandersetzen, das ebenso brisant wie kompliziert ist. Es geht um die Frage, wie man beispielsweise das Ausfallrisiko eines Kredits oder eines Wertpapier messen kann. Bislang haben die internationalen Großbanken da sehr viel Spielraum. Sie durften eigene Modelle entwickeln und nutzen. Wirtschaftsprüfer und Aufseher hatten zwar einen Blick darauf. Doch in letzter Konsequenz waren die Modelle so intransparent und komplex, dass eine effektive Kontrolle praktisch unmöglich war.

Zudem hat der Basler Ausschuss festgestellt, dass Banken die Modelle sehr unterschiedlich und damit zu ihrem Nutzen einsetzen. Ein Beispiel: Zwei Banken vergeben je einen Kredit von einer Million Euro. Beim Risikomodell der einen Bank beträgt die Gefahr eines Kreditausfalls 30 Prozent, beim anderen 50 Prozent. Im ersten Fall muss die Bank nur für 300 000 Euro (30 Prozent der Gesamtsumme) die vorgeschriebenen acht Prozent Eigenkapital (24 000 Euro) zurücklegen. Im zweiten Fall sind es acht Prozent auf 500 000 Euro (40 000 Euro). Der Bankenausschuss möchte diese Schwankungen unterbinden, "um Vertrauen wiederherzustellen".

Den deutschen Banken bereiten die Pläne große Sorgen. Ohnehin haben sie seit der Finanzkrise ihre Eigenkapitalrücklagen, also ihre Puffer gegen eine Pleite, Schritt für Schritt erhöht sowie die Bilanzen geschrumpft. Die Probleme jedoch sind damit nicht aus der Welt: Allen voran die Commerzbank und die Deutsche Bank leiden - mehr noch als die Großbanken anderer europäischer Länder - unter den Niedrigzinsen, mangelnder Profitabilität sowie dem Misstrauen der Investoren. In den vergangenen Monaten waren ihre Aktienkurse immer weiter gefallen. Im Frühjahr kam sogar die Angst vor einer neuen Bankenkrise auf.

Die aktuellen Pläne des Basler Ausschusses könnten die Institute nun zwingen, in einer ohnehin angespannten Lage noch einmal deutlich mehr Kapital zurückzulegen. Wie viel Kredite eine Bank vergeben darf, hängt davon ab, wie viel Eigenkapital ihr zur Verfügung steht. Darunter versteht man jene Rücklagen, die die Eigentümer zur Verfügung gestellt haben, etwa indem sie Aktien des Instituts gezeichnet haben. Oder solche, die die Bank selbst angespart hat, weil sie Gewinne zurückgelegt hat.

Die Banken sagen, ihre internen Modelle bildeten die Risiken viel genauer ab und sparten allein deswegen in der Regel wertvolles Eigenkapital. Die deutschen Institute zum Beispiel haben besonders davon profitiert, weil Immobilien und Firmenkredite in der Bundesrepublik seltener ausfallen.

Der Deutsche-Bank-Chef warnt, die neuen Regeln würden auch die Wirtschaft lähmen

Die Aufseher trauen den internen Modellen nicht über den Weg, sie fürchten, dass die Banken ihre Risiken kleinrechnen. Deshalb soll standardisiert werden. Wie hoch der zusätzliche Kapitalbedarf dann wäre - man kann nur spekulieren. Es wird je nach Land und Region variieren. Darüber hinaus wird es den nationalen Aufsichtsbehörden vorbehalten sein, die Regeln im konkreten Fall umzusetzen. Angesichts der prekären Lage vieler Banken haben Politiker und Aufseher schon deutlich gemacht, dass man den Instituten da nicht zu viel zumuten wolle.

Die Deutsche Bank etwa gilt auch ohne die weitere Verschärfung der Regeln als nicht gerade üppig kapitalisiert. Vorstandschef John Cryan beklagte daher, die neuen Regeln würden Banken und damit Volkswirtschaften lähmen. Die Aufsicht solle "die neuen Regeln erst einmal wirken lassen, bevor sie über weitere Verschärfungen nachdenke". Allein die Diskussion über noch höhere Kapitalpuffer verunsichere die Investoren schon jetzt. Man täte sich keinen Gefallen, Regulierungsstandards aus den USA zu übernehmen, obwohl die Aufseher wüssten, dass Europas Banken viel mehr Unternehmenskredite und Baufinanzierungen in ihren Bilanzen hätten.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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