Reden wir über Geld mit Peter Schleifenbaum:"Meine Wölfe zeigen mir, ob mein Wald gesund ist"

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Meine Bäume, mein U-Boot, mein Wolfsrudel: Kein Deutscher besitzt einen so riesigen Wald wie Peter Schleifenbaum. Der Unternehmer pflegt in Kanada eine Gegend halb so groß wie Berlin. Er erklärt seinen unkonventionellen sanften Tourismus und warum seine Mitarbeiter den Kot der Tiere sammeln.

Bernadette Calonego

Im Alter von acht Jahren erbte Peter Schleifenbaum aus Fredeburg im Hochsauerland einen der größten privaten Wälder in ganz Nordamerika. Sein Vater hatte den Besitz, der vier Autostunden von der kanadischen Stadt Toronto entfernt ist, von einem deutschen Baron gekauft. Schleifenbaum ließ den Besitz verwalten, studierte Forstwirtschaft, wollte aber nicht nach Kanada. Doch dann lockte ihn das Abenteuer. Der eingewanderte Deutsche verblüffte die Kanadier in der Provinz Ontario mit der verrückten Idee, wie man in einem einst verwahrlosten Wald mit Öko-Tourismus Geld verdient. Heute mit 49 besitzt er nicht nur den Wald, sondern auch ein Wolfsrudel und ein U-Boot.

Peter Schleifenbaum gehört der Haliburton Forest in Kanada. (Foto: N/A)

SZ: Herr Schleifenbaum, reden wir über Geld. Kein Deutscher besitzt so viel Wald wie Sie. Sehen Sie den Wald vor lauter Bäumen noch?

Schleifenbaum: Ich muss sagen, 40.000 Hektar Wald sind nicht so leicht zu überschauen. Haliburton Forest ist etwa so groß wie die halbe Fläche Berlins. Aber mir helfen 90 Angestellte.

SZ: Mit so viel Wald müssen Sie mindestens Multimillionär sein.

Schleifenbaum: Unsinn! Als ich den Wald 1988 übernahm, war er ziemlich heruntergewirtschaftet. In den ersten Jahren musste ich, wie mein Vater übrigens auch, erst mal viel Geld reinstecken.

SZ: Wie viel hat Ihr Vater für den Wald denn bezahlt?

Schleifenbaum: Sehr wenig, nur einige Mark pro Hektar. Schon damals, Anfang der sechziger Jahre, als er ihn kaufte, gab es nicht einmal mehr genug Holz im Wald, um ein Sägewerk zu betreiben.

SZ: Warum hat Ihr Vater überhaupt einen 8000 Kilometer von Deutschland entfernten, fast wertlosen Wald gekauft?

Schleifenbaum: Das hätte ich ihn auch gern gefragt, aber er starb, als ich acht Jahre alt war.

SZ: Hat es Sie schockiert, als Sie einen solchen Riesenwald erbten?

Schleifenbaum: Für einen Jugendlichen ist es ganz sicher mehr eine Verpflichtung als das Gefühl: Ah, ist das eine tolle Sache!

SZ: Aber dann haben Sie Forstwirtschaft studiert.

Schleifenbaum: Aber nicht wegen des Waldes in Kanada! Ich wollte in Deutschland bleiben, ich war zufrieden dort.

SZ: Wann hat sich das geändert?

Schleifenbaum: Als ich eine Familie gründete - und natürlich ein Einkommen brauchte.

SZ: Sie hätten rasch reich werden können. Warum haben Sie es nicht getan?

Schleifenbaum: Das stimmt. Ich hätte doppelt und dreimal so viel Holz ernten können, als ich es heute tue. Es wäre sehr einfaches Geld gewesen. Aber ich wollte den Wald nachhaltig bewirtschaften.

SZ: Also die Bäume umarmen statt sie zu fällen?

Schleifenbaum: Da liegen Sie falsch. Ich schlage einen Teil meiner Bäume nach den umweltfreundlichen Regeln des international anerkannten Forest Stewardship Council und lasse das Holz vor Ort verarbeiten, zum Beispiel zu Möbeln, Blockhäusern oder Kerzenleuchtern. Aber es gibt keine Kahlschläge, und gewisse Flächen sind stillgelegt.

SZ: Stillgelegt?

Schleifenbaum: Der Lebensraum für wilde Tiere ist geschützt, und tote Bäume bleiben stehen. Der Förster sagt unserem Sägewerk, wann und wie viel Holz es verarbeiten kann - normalerweise ist es umgekehrt. Und mein Wald ist ein Schulzimmer und Spielfeld für Touristen.

SZ: Sind Sie ein Öko-Guru, der auf sanften Tourismus macht?

Schleifenbaum: Manche nennen mich das. Aber eigentlich bin ich ein Kapitalist, für den es wichtig ist, dass die Erträge auch in 30 oder 50 Jahren noch fließen. Wir treten heute lieber kürzer und denken an die kommenden Generationen. Das ist wahrscheinlich sehr deutsch gedacht.

SZ: Wie das?

Schleifenbaum: Als Waldbesitzer muss man wirklich langfristig denken, denn ein Wald braucht 100 Jahre, um sich zu regenerieren. Den meisten Kanadiern ist dieses langfristige Denken noch fremd, weil das Land so jung ist.

SZ: Sind Sie deshalb nicht Kanadier geworden?

Schleifenbaum: Nein, aber ich wollte meinen deutschen Pass nicht verlieren.

SZ: Nützt denn eine Ausbildung in Deutschland in einem kanadischen Wald?

Schleifenbaum: Ja, ich zehre heute noch davon. Aber ich arbeite auch mit Forschern der Universität Toronto zusammen, wo ich eine Professur für Forstwirtschaft habe. Wir sind an vorderster Front dabei.

SZ: Was sagen die Kanadier denn zu Ihrem Mini-U-Boot?

Schleifenbaum: Am Anfang wurde viel gelächelt. Aber im sanften Tourismus muss man unkonventionelle Ideen haben. Ich besitze ja auch etwa 70 Seen, und deshalb will ich Touristen das zerbrechliche Ökosystem unter Wasser zeigen. Eine Firma in Vancouver hat das U-Boot für mich gebaut.

SZ: Hat sich das finanziell gelohnt?

Schleifenbaum: Eigentlich nicht, aber als Werbung funktioniert es gut. Es ist das einzige kommerzielle Süßwasser-U-Boot der Welt. Ich habe auch den längsten Baumwipfelpfad der Welt bauen lassen.

SZ: Und Sie haben sich ein Wolfsrudel in den USA gekauft. Waren Ihnen Ihre 200 Huskys nicht Gesellschaft genug?

Schleifenbaum: Halt mal! Die Wölfe sind uns 1993 geschenkt worden. Die gehörten einer Privatperson, die nicht mehr für die Tiere aufkommen konnte. Jetzt sind sie eine Touristenattraktion. Ich nutze die Wölfe, um die Öffentlichkeit über Lebensweise dieser Tiere aufzuklären.

SZ: Und Sie sammeln den Kot der Wölfe.

Schleifenbaum: Richtig. Meine Angestellten analysieren ihn dann. Denn am Kot sieht man, was die Wölfe fressen und ob mein Wald gesund ist.

SZ: Woher nahmen Sie das Geld, um den Wald aufzupäppeln?

Schleifenbaum: Wir haben versucht, das innerhalb der Familie zu lösen. Wir nahmen fast kein Geld auf. Das Einkommen in der Forstwirtschaft ist nicht lukrativ. Es wäre gefährlich gewesen, sich bei Banken zu verschulden.

SZ: Und der Wald rentiert sich jetzt?

Schleifenbaum: Wir stecken immer noch Geld rein, aber wir verlieren kein Geld. Wir leben vor allem vom Tourismus.

SZ: Wie viel vom Umsatz macht Ihre Firma Haliburton Forest jetzt mit Touristen?

Schleifenbaum: Etwa 60 Prozent mit Tourismus und etwa 40 Prozent mit Forstwirtschaft und Holzprodukten. Ich würde sagen, diese Mischung ist weltweit einmalig. Mit Tourismus kann man mehr Geld machen als mit der Forstwirtschaft. Das ist schon interessant. Ohnehin ist die ganze Arbeit mit dem Wald ziemlich anstrengend, das können Sie mir glauben, Ich arbeite von frühmorgens bis Mitternacht.

SZ: Soll das ein stressfreies Leben sein?

Schleifenbaum: Ein Unternehmer hat immer Stress und sorgt sich von Zeit zu Zeit, ob ihm das Geld ausgeht. Aber ich kann wenigstens bei der Arbeit in der Natur auftanken. Ich bin am glücklichsten auf einem Waldspaziergang mit meiner Familie.

SZ: Hat Ihre Frau Elke ein Opfer gebracht, damit Sie sich Ihren Lebenstraum erfüllen konnten?

Schleifenbaum: Ja, das hat sie. Es war schwer für sie, von Familie und Verwandten Abschied zu nehmen, als wir auswanderten. Aber wir haben das Richtige getan und schauen nicht zurück. Eine unserer zwei Töchter arbeitet heute in unserer Firma. Offenbar funktioniert unser Konzept. Ich frage mich manchmal, warum es andere nicht kopieren.

© SZ vom 18.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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