Quelle: SPD geißelt Union:"Wir haben das Menschenmögliche getan"

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Die Rettung von Quelle schien möglich, darum ist die Wut über das Aus umso größer. CSU-Chef Seehofer verteidigt den Massekredit - und bekommt wohl Geld zurück.

Die SPD gibt der CSU eine "Mitschuld" an dem endgültigen Aus für den Versandhändler Quelle. Der Vizechef der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Thomas Beyer, warf Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (beide CSU) am Dienstag eine "Verschleppungstaktik" vor. Beyer kritisierte: "Das wochenlange Hin und Her zwischen den Herren Seehofer und Guttenberg hat dazu geführt, dass entscheidende Zeit versäumt wurde für die Fertigstellung des wichtigen Quelle-Winterkatalogs."

Beyer fügte hinzu: "Da half es auch nichts, dass sich Ministerpräsident Seehofer dann stolz und publicityträchtig mit dem ersten Exemplar des frisch gedruckten Katalogs vor die Kameras stellte."

"Für Investoren nicht mehr interessant"

Von den "massiven Umsatzeinbrüchen bis zu 50 Prozent", die mit auf das verspätete Erscheinen des Winterkatalogs zurückzuführen seien, habe sich das Unternehmen dann nicht mehr erholt. Jetzt sei es "für Investoren nicht mehr interessant".

Der stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion Klaus Ernst sagte: "Das ist eine Katastrophe für die Beschäftigten und eine krachende Niederlage für den Wirtschaftsminister." Er warf Guttenberg mangelndes Engagement für die Quelle-Arbeitsplätze vor.

Ernst kritisierte: "Wer Staatsgeld ohne Vorbedingungen bereitstellt, muss sich nicht wundern, wenn am Ende doch die Jobs verloren gehen." Guttenberg müsse jetzt "dem Parlament Rede und Antwort stehen, was der Steuerzahler von den Krediten wiedersieht".

"Bund in der Pflicht"

Für die Quelle-Beschäftigten sei nun "der Bund in der Pflicht". Ernst verlangte: "Die Transfergesellschaft muss finanziell abgesichert werden. Für alle Beschäftigten muss es einen Übergang und eine soziale Abfederung geben."

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte den Quelle-Mitarbeitern Unterstützung zu. Das Scheitern der Bemühungen des Insolvenzverwalters um eine Rettung des Traditionsunternehmens sei eine schlechte Nachricht und ein schmerzlicher Vorgang. "Wir haben das Menschenmögliche getan, um die Chance zu wahren, die sich lange Zeit für die Quelle eröffnet hat", verteidigte Seehofer das Vorgehen der Politik. Er selbst sei vom Insolvenzverwalter am Dienstagmorgen informiert worden.

"Wir müssen gemeinsam - Politik, Insolvenzverwalter und Belegschaft - schauen, dass wir die Auswirkungen für die betroffenen Menschen so gering wie möglich halten", sagte er.

Große Hoffnungen wollte er der Belegschaft aber keine machen. "Ich kann nur sagen, dass wir uns weiter kümmern wie in den letzten Monaten", sagte der CSU-Chef. Die Schuld für das Aus für die Quelle liege in der Entwicklung bei deren Mutterkonzern Arcandor begründet. Er selbst habe sich nichts vorzuwerfen, sagte Seehofer.

Erst vor wenigen Wochen hatte Quelle einen so genannten Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro Kredit erhalten. Ist das Geld nun futsch? Mitnichten. Der Bund sowie die Länder Bayern und Sachsen haben gute Chancen, ihr Geld zurückzubekommen.

Bund wird vorrangig bedient

Die Massekredit-Forderungen würden nach dem Aus für Quelle vorrangig bedient, hieß es in Verhandlungskreisen. Bei einem Massekredit handelt es sich um ein Notdarlehen einer Bank. Die Kreditgeber stehen dabei auf der Liste der Gläubiger ganz oben. Früheren Angaben zufolge wird zunächst der Anteil des Bundes von 25 Millionen Euro bevorzugt behandelt. Dann kommen die Bayerische LfA, die 21 Millionen Euro gab, und die Sächsische Aufbaubank mit 4 Millionen Euro.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) verteidigte die staatlichen Hilfen für Quelle. Die Landesregierung habe alles getan, um dem Versandhaus eine Perspektive zu geben. "Wir haben mit der Gewährung des Massenkredits die Voraussetzungen für die Investorensuche geschaffen", sagte Zeil. Insolvenzverwalter und Banken seien nach Kräften unterstützt worden.

Zeil sprach den insgesamt rund 8000 Quelle-Mitarbeitern sein Bedauern aus. "Es ist schmerzlich, dass ihr Engagement nicht durch einen erfolgreichen Verkaufsprozess belohnt wurde."

"Riesen-Katastrophe"

Das Aus für den Versandhändler sorgte auch beim Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) für Entsetzen. "Das ist eine ganz brutale Situation", sagte Jung. "Dass so schnell alle Investoren abspringen, war nicht erkennbar." Er gab der Bundesregierung eine Mitschuld am Untergang des Fürther Traditionsunternehmens. Es sei ein Fehler gewesen, zu behaupten, die Insolvenz sei für Quelle eine Chance. "Opel bekommt Geld wie Heu, während Quelle nie eine ähnliche Unterstützung aus Berlin erfahren hat", beklagte Jung.

Auf die Region Nürnberg-Fürth komme nun einiges am Problemen zu. Der Oberbürgermeister appellierte an den Freistaat, zu helfen: "Wir erwarten, dass Seehofers Wort gilt."

Von der dramatischen Zuspitzung habe er nur aus den Fernsehnachrichten erfahren, sagte Jung. Auch habe er schon seit mehreren Tagen keinen Kontakt mehr zur Insolvenzverwaltung.

Quelle-Betriebsratschef Ernst Sindel nannte das Aus für das insolvente Versandhaus eine "Riesen-Katastrophe". Sindel hatte im Gläubigerausschuss bis zuletzt um eine Lösung gerungen: "Ich habe nochmals alles probiert", sagte er. "Aber es ist aussichtslos. Obwohl ich nie aufgebe, mache ich mir jetzt keine Hoffnungen mehr."

Factoring - ein wichtiges Thema für die Investoren

Ein Hauptproblem sei das sogenannte Factoring, die Finanzierung des Versandgeschäfts, gewesen. Dabei gibt Quelle die Kundenforderungen gegen Provision an eine Bank weiter, die die offenen Beträge im Gegenzug vorfinanziert.

"Dieses Thema hat die Investoren sehr beschäftigt", sagte Sindel. Nun werde Quelle zerschlagen. Einzelne Teile würden wohl herausgelöst und der Rest abgewickelt, sagte der Betriebsratsvorsitzende.

Auch die Finanzierung der Transfergesellschaft sei nicht mehr gesichert. Eine solche Gesellschaft sollte die gekündigten Mitarbeiter aufnehmen und weiterqualifizieren. Doch der Insolvenzverwalter könne kein Geld mehr dafür geben. "Darum müssen wir uns sofort kümmern", sagte Sindel. Er hoffe auf Hilfe des Freistaats Bayern und auch des Bundes, "um wenigstens ein bisschen Abfederung für die Betroffenen zu bekommen".

Der weltgrößte Versandhauskonzern Otto prüft bereits den Kauf von Teilen des vor der Liquidation stehenden Rivalen Primondo. "Wir werden jetzt Gespräche mit der Insolvenzverwaltung aufnehmen", sagte ein Sprecher des Hamburger Unternehmens. "Für uns könnten Teile des Mittel- und Osteuropageschäfts oder Teile von Spezialversendern interessant sein." Einzelheiten nannte der Sprecher nicht. Zu den Spezialversendern gehören etwa "Peter Hahn", "Baby Walz", "Hess Natur" oder "Bogner Homeshopping".

Außerdem kündigte Otto die Übernahme eines Teils der Auszubildenden von Quelle an. "Wir wollen einigen von ihnen anbieten, sie bei Konzernfirmen von Otto unterzubringen."

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