Quelle: Leere Kassen:Nicht ein einziger Cent

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Einfach abgeräumt: Nur wenige Stunden vor dem Arcandor-Insolvenzantrag wurden sämtliche Quelle-Guthaben an den Mutterkonzern überwiesen.

Uwe Ritzer

Am Morgen danach waren die Kassen bei Quelle restlos leer. Unmittelbar nach dem Arcandor-Insolvenzantrag am 9. Juni schickte der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg eine Handvoll Experten in die Fürther Zentrale des Versandhauses.

Alles in Essen, nichts mehr in Fürth: Quelle besitzt derzeit keinen einzigen Cent Barvermögen mehr. (Foto: Foto: getty)

Als diese dort auf den Computern die aktuellen Kontostände des Unternehmens abfragten, blinkte ihnen eine Null entgegen. Denn wenige Stunden vor dem Insolvenzantrag hatte man nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Konten abgeräumt und sämtliche Guthaben an die Arcandor-Mutter nach Essen überwiesen. Der ganze Quelle-Konzern hatte damit keinen einzigen Cent flüssiger Mittel.

"Cash-Pooling" nennen Experten das Verfahren, das bei Konzernen nicht unüblich ist. Tochterunternehmen leiten dabei ihre Überschüsse an die Mutter, die wiederum das eingesammelte Geld, einfach formuliert, dort im Unternehmen verteilt, wo es gerade gebraucht wird. Für Quelle entpuppt sich das Prozedere nun im Nachhinein als verheerend und fatal.

Leben auf Pump

Denn seit dem Insolvenzantrag am 9. Juni lebt Quelle rein auf Pump, sprich dank der Großzügigkeit der Lieferanten. Telefongesellschaften und Stromlieferanten stunden die Bezahlung ihrer Leistungen ebenso, wie das Catering-Unternehmen die Belieferung der Betriebskantinen. Die Druckerei Prinovis startete den Druck des Herbst/Winter-Kataloges mehr oder weniger auf eigenes Risiko. 22 Millionen kostet es, den 1400 Seiten dicken Katalog in der geplanten Auflage von neun Millionen Exemplaren herzustellen und auszuliefern.

Was daran nichts ändert, dass es dem Fürther Versandhaus ohne einen staatlichen Massekredit von 50 Millionen Euro unmöglich sein wird, Waren einzukaufen und das reguläre Geschäft wieder voll aufzunehmen. Denn erst das Geld vom Staat würde einen überlebenswichtigen Finanzmechanismus in Gang setzen, auf dessen Funktionieren Quelle angewiesen ist.

Wie in der Versandbranche üblich, verkauft auch Quelle seit Jahr und Tag die Forderungen gegenüber Bestellkunden an ein sogenanntes Factoring-Unternehmen, in diesem Fall die Essener Valovis-Bank. Das hat den Vorteil, dass sofort Geld in die Kasse gespült wird; bei Quelle bislang 700 Millionen Euro pro Jahr.

Denn würde das Versandhaus direkt beim Bestellkunden den Warenpreis eintreiben, müsste es lange warten. Etwa 70 Prozent der Quelle-Kunden sind nach SZ-Informationen Ratenzahler. So aber streckt Valovis Quelle das Geld vor - jedenfalls etwa drei Viertel davon. Der Rest ist Provision und eine Art Risikorückstellung für etwaige Zahlungsausfälle. "Hold Back" sagen Fachleute dazu.

Das Ausfallrisiko steigt

Valovis kündigte diese Factoring-Verbindung unmittelbar nach dem Insolvenzantrag. Das Risiko, dass Quelle-Kunden angesichts der Insolvenz nicht mehr oder erst stark verzögert zahlen, sei deutlich größer geworden, begründete Valovis. Man bezifferte dieses Risiko auf eben jene 50 Millionen Euro, die der Staat jetzt lockermachen soll.

Dieser Massekredit flösse nicht Quelle zu, sondern Valovis. Dort wiederum würde man nach dem Erhalt umgehend das Factoring-Geschäft mit Quelle wieder aufnehmen. Das Versandhaus könnte daraus kurzfristig mit bis zu 100 Millionen Euro rechnen, heißt es in Kreisen der Insolvenzverwaltung. Damit wäre das Versandhaus wieder liquide und könnte bis auf weiteres seine Geschäfte wieder aufnehmen.

Der ursprüngliche Antrag auf eine 50-Millionen-Euro-Staatsbürgschaft scheiterte am Dienstag. Eine Bürgschaft setzt voraus, dass ein fertiges, belastbares, von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiertes und durchfinanziertes Konzept für die Fortführung des Unternehmens vorliegt. Das zu erstellen war für den Quelle-Insolvenzverwalter jedoch in den wenigen Tagen unmöglich. Also beantragte er einen Massekredit.

Voraussetzung dafür ist, dass das Ausfallrisiko von Bund und Land bei null liegt. Als Sicherheiten bot Insolvenzverwalter Görg nach SZ-Informationen die Erträge aus der Betriebsfortführung von Quelle. Ebenso jene Gelder, die Valovis im erwähnten "Hold-Back"-Topf zurückhält. Valovis ist damit dem Vernehmen nach einverstanden. Doch all das reicht dem Bundesfinanzministerium nicht aus. Es hat Nachbesserungen verlangt.

Wird der Massekredit nicht bewilligt, droht Quelle binnen weniger Tage das endgültige Aus. Dementsprechend angespannt verfolgt man die Verhandlungen. Man drängt die Politik auch aus Angst, dass die Kunden angesichts einer längeren Hängepartie sich selbst dann von Quelle abwenden, wenn der Kredit bewilligt wird. Seit der Insolvenz ist das Bestellvolumen bei Quelle bereits um knapp 15 Prozent zurückgegangen.

© SZ vom 27./28.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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