Prozess um Schadenersatz:Hypo Real Estate attackiert Richter

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Angriff auf den Bankenschreck: Die Hypo Real Estate geht den Münchner Richter Guido Kotschy an, der über die Schadensersatzklagen von Altaktionären entscheidet. Das Geldinstitut unterstellt einseitige Prozessführung.

Von Klaus Ott, München

An heikle Themen und unangenehme Termine hat sich Manuela Better bestimmt längst gewöhnt. Die Münchnerin ist Vorstandsvorsitzende der Hypo Real Estate (HRE), jener Bank, die vom Staat mit vielen Milliarden Euro gerettet wurde und die noch sehr viel mehr Steuergeld kosten kann. Seit mehr als vier Jahren macht Better den Job schon, doch demnächst bekommt sie es mit jemandem zu tun, an dem schon ganz andere Finanzstrategen gescheitert sind. Josef Ackermann und Rolf Breuer etwa, ehedem Chefs der Deutschen Bank.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat die HRE-Chefin vorgeladen. Sie soll im Juni in einem Prozess, in dem frühere Aktionäre rund eine Milliarde Euro Schadensersatz verlangen, als Zeugin aussagen. Die alten Anteilseigner behaupten, sie seien vom alten Vorstand über die wahre Lage des Instituts getäuscht worden. Better wird vor Gericht Guido Kotschy gegenübersitzen, dem Vorsitzenden des fünften Zivilsenats, der als Bankenschreck gilt. Kotschy war früher mal Staatsanwalt, was man seinen Fragen und Urteilen anmerkt. Die Deutsche Bank zahlte im Kirch-Prozess schließlich 925 Millionen Euro, um endlich Ruhe zu haben. Für die HRE könnte es ebenfalls teuer werden. Das hat Kotschy bereits signalisiert.

Hypo Real Estate spricht von "plakativer Parteiladung"

Doch das nach seinem Zusammenbruch im Jahr 2008 verstaatlichte Geldinstitut und deren heutige Chefin denken gar nicht daran, klein beizugeben. Ganz im Gegenteil. Betters Bank hat dem OLG kürzlich einen sechsseitigen Schriftsatz schicken lassen, in dem der fünfte Senat heftigst angegangen wird. Die von der Hypo Real Estate beauftragte Anwaltskanzlei Sernetz Schäfer aus München äußert Zweifel am Willen des Senats, das Verfahren mit der "erforderlichen Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit" zu führen. Manches sei unklar, manches bleibe gar im Dunkeln; zudem leiste sich das Gericht sogar "offenkundige Fehler". Der Schriftsatz liest sich wie eine Abrechnung mit Kotschy und seinem Senat und gipfelt in der Drohung, die HRE werde eine Prozessführung, wie sie jüngst erfolgt sei, "nicht dauerhaft hinnehmen". Deutlicher geht es nicht. So heftig Kotschy sonst austeilt, so heftig muss er nun einstecken.

Man darf gespannt sein, wie das OLG sich verhält, wenn der Prozess am heutigen Dienstag fortgesetzt wird. Und erst recht, wenn Better im Juni als Zeugin dran ist. Die Hypo Real Estate argwöhnt, die "plakative Parteiladung" (damit ist offenbar die Vorladung der Vorstandschefin gemeint) und andere Maßnahmen des Gerichts dienten dazu, Druck auszuüben. Die Bank warnt das OLG. Sollte der Senat glauben, dass die Bank sich durch solche "Druckmittel" zu einem "prozessual nicht veranlasstem Verhalten hinreißen" lasse, sprich einknicken werde, dann sei das ein Irrtum. "Diese Erwartung wird sich jedenfalls nicht erfüllen."

Mit anderen Worten: Irgendwelche Eingeständnisse von der Zeugin Manuela Better braucht sich Guido Kotschy erst gar nicht zu erwarten. Die HRE hält an ihrem Kurs fest, der da lautet, die Altaktionäre seien in den Jahren 2007 und 2008 stets korrekt über den Zustand der Bank informiert worden und hätten deshalb keinen Anspruch darauf, ihre Kursverluste ersetzt zu bekommen. Die HRE habe damals entgegen den Annahmen des Gerichts keine Finanzanlagen umgebucht, um deren wahren, gesunkenen Wert zu verschleiern.

Für den Fall, dass Kotschy und seine Kollegen die Hypo Real Estate zu Schadenersatz verurteilen, kündigt die Bank zwischen den Zeilen vorsorglich schon mal den Gang zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe an. Einzelne Hinweise des Gerichts seien entweder falsch oder ungebührlich oder erfolgten sogar "ohne jede Rechtsgrundlage", schreibt die Kanzlei im Auftrag der HRE. Das wären dann alles Gründe für eine Revision in Karlsruhe.

An den Bundesgerichtshof hatte sich auch die Deutsche Bank gewandt, bevor sie im Fall Kirch schließlich aufgab und zahlte. Um dieses Verfahren und auch den Fall HRE selbst noch leiten und abschließen zu können, hatte Kotschy seine Dienstzeit bis Herbst 2015 verlängert. In Bayern können Richter bis 67 im Amt bleiben, statt mit 65 in Pension zu gehen. Mancher Banker hatte ursprünglich gehofft, beim OLG erst nach Kotschys Ruhestand an der Reihe zu sein. Doch der Bankenschreck macht weiter, was nun die HRE zu spüren bekommt. Kotschys Senat hat die Vorwürfe der Hypo Real Estate gleich zurückgewiesen. Man habe niemandem geladen, um Druck auszuüben. Und die Darstellung der HRE, man habe keine Finanzanlagen umgebucht, um etwas zu verschleiern, sei bislang "nicht hinreichend substanziiert". Solche Umgliederungen seien ohnehin wegen der "Stetigkeit der Bilanzierung grundsätzlich unerwünscht". Auch das ist deutlich. Es gibt also genug Zündstoff, wenn Better und Kotschy demnächst aufeinander treffen.

© SZ vom 27.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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