Auf dem Boden des Kinderzimmers liegen gelbe, grüne und rote Klötzchen, manche haben auch Räder und sind noch vor Kurzem als Rennauto um Bett und Schreibtisch gekurvt. Dazwischen liegen wie ermattet ein paar Plastikritter. Schwerter und Speere sind ihnen längst aus der Hand geglitten. Das abendliche Chaos, das sich leider meist nur mithilfe der Eltern in die passenden Schubladen und Kisten verräumen lässt.
Wäre es da nicht großartig, man hätte einen Roboter, der wie Aschenputtels Tauben quasi die Steinchen ins Töpfchen und die Figuren ins Kröpfchen wirft? Das wünschen sich zumindest die Eltern, die sich auf der Internetmesse Republica für den Workshop des Fraunhofers-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) angemeldet haben. Der Titel des Workshops "Kinderleicht Programmieren lernen mit Open Roberta".
Open Roberta ist eigentlich eine offene Plattform, mit der Schüler lernen, wie man Roboter programmiert. Mangels allzu vieler Schüler (die Republica fand unter der Woche statt), versuchen nun einige Mütter und Väter unter der Anleitung der beiden Fraunhofer-Projektverantwortlichen Beate Jost und Thorsten Leimbach mithilfe einer grafischen Programmiersprache dem Roboter beizubringen, dass sein Sensor erst ein Hindernis erkennen muss, um dann kurz den Motor zu stoppen. Da der Roboter, ein EV 3 aus der Lego-Serie Mindstorms, in der vom Fraunhofer mitgebrachten Version leider weder einen Greifarm noch eine Schaufel besitzt, soll er, nachdem er das Hindernis erkannt hat, um 90 Grad drehen und dann weiter geradeaus fahren.
Schüler programmieren einen Maschinen-Hasen
Das klappt erstaunlich gut, mittels Textblöcken wie "Fahre vorwärts Tempo 30" und "Drehe rechts Grad 90". Die Befehle wie "Fahre" und "Drehe" sind vorgegeben, Richtung und Geschwindigkeit lassen sich variabel einstellen. Der Vorteil an dieser grafischen Programmiersprache ist ganz eindeutig, dass keine Tipp- oder Zeichenfehler möglich sind und die Anwender so relativ schnell ein Erfolgserlebnis haben. "Die Schüler können sich ganz auf den logischen Aufbau ihres Programms konzentrieren", sagt Beate Jost. Und so programmieren Schüler im Unterricht mittels Open Roberta beispielsweise Fußball-Roboter oder einen Roboter-Hasen, der eine Höhle finden muss.
Die für Open Roberta entwickelte Programmiersprache heißt Nepo und ähnelt der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten grafischen Programmiersprache Scratch. Zudem gleicht sie in ihrem sequenziellen Aufbau den "erwachsenen" textbasierten Programmiersprachen wie Java und Python. Wer also später im naturwissenschaftlich-technischen Bereich arbeiten oder Informatik studieren will, bekommt mit Open Roberta schon eine gute und nützliche Grundlage mit.
Auch für Lehrer, die den Stoff ihren Schülern vermitteln, versuchen die Macher die Schwelle und den Preis dafür so niedrig wie möglich zu halten. Anders als beim Konkurrenten Lego, der auch spezielle Roboter-Programmier-Kits namens Lego-Education an Schulen verkauft, muss bei Open Roberta weder Software gekauft noch installiert werden. Das Programm ist browserbasiert und vor allem kostenlos. Zudem läuft Open Roberta auf allen Rechnern und ist anders - als die Lego-Software - nicht auf Windows-Computer oder Macs beschränkt. Nur für ausführende Roboter greift Open Roberta auf Lego zurück, auf den EV-3-Roboter aus der Mindstorms-Serie.
Wem allerdings der EV 3 mit rund 430 Euro in der Education-Version zu teuer ist, der kann auch nur die 2-D-Simulation nutzen, die Open Roberta mitbringt. So lässt sich auch ohne echten Roboter überprüfen, ob die eingegebenen Befehle Sinn ergeben und alles so läuft, wie man es wollte.
Mehr als tausend Lehrer haben Beate Jost und Thorsten Leimbach mit ihren Mitarbeitern schon geschult, finanziert wurde das Ganze die vergangenen zwei Jahre von Google mittels der firmeneigenen Stiftung. Eine Million Euro ließ sich der US-Konzern das Projekt kosten, mittlerweile gibt es eine Anschlussfinanzierung, die sicherstellen soll, dass Schüler auch künftig nicht nur als Anwender mit Computerprogrammen in Kontakt kommen, sondern eben auch verstehen, wie informatische Systeme funktionieren, wie sie Informationen berechnen, verteilen und speichern.
Teile für Gelenke oder Motoren
Aber nicht nur das Fraunhofer-Institut mit Open Roberta, sondern auch ein deutsches Start-up versucht auf eher spielerische Weise, Kindern Lust am Programmieren zu machen. Das Unternehmen heißt Tinkerbots und sitzt im brandenburgischen Bernau. Über eine Seminararbeit an der Bauhaus-Universität mit dem Titel "Bau eine Wunschmaschine" fanden die drei jungen Gründer Matthias Bürger, Leonhard Oschütz und Christian Guder zusammen und entwickelten einen modularen Robotik-Baukasten. In ihm befinden sich verschiedene normale Plastikbauklötzchen und Module mit bestimmten Funktionen wie Gelenke, Sensoren und Motoren.
Dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne fand der Baukasten schließlich den Weg in den Handel. Es gibt ihn in drei Varianten, das Einsteigermodell kostet rund 170 Euro. Das Produkt richtet sich an eine junge Zielgruppe, an Grund- und sogar Vorschulkinder. Der einfachste Einstieg ins Programmieren funktioniert bei Tinkerbots über Gesten. Wenn Kinder den aus verschiedenen Bausteinen selbstgebauten Robotern Bewegungen mit der Hand vormachen und dabei den Aufnahmeknopf drücken, werden diese durch das Abspielen nachgemacht. Die Roboter lassen sich auch über eine kostenlose Smartphone-App steuern, und Fortgeschrittene können auch über eine Schnittstelle zur offenen Programmierplattform Arduino Handlungsanweisungen für die Roboter schreiben.
Die Macher von Tinkerbots bekommen mittlerweile auch Anfragen von Lehrern, die die Baukästen bereits im Unterricht einsetzen oder einsetzen möchten. Selbst aktiv in diesen Markt einsteigen will das junge Unternehmen allerdings noch nicht. "Der Bildungsmarkt ist zu fragmentiert für uns", sagt Matthias Bürger. "Als Start-up haben wir nicht die Kapazitäten, uns mit 16 verschiedenen Lehrplänen der 16 Bundesländer auseinanderzusetzen." Allerdings gebe es mittlerweile Gespräche mit Distributoren, die direkter mit den Schulen zusammenarbeiten, und auch eine Anbindung an die Fraunhofer-Plattform Open Roberta sei durchaus denkbar.
Das wäre auch für die Eltern ein Fortschritt. Denn an den Tinkerbot lassen sich zum einen die auf dem Kinderzimmerboden liegenden Legosteine verbauen, und mit seinen mitgelieferten Greifarmen könnte er auch die Plastikritter aufheben.