Hersteller und Versicherer:Wer den Müll macht, soll zahlen

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In vielen Ländern ist das Problem mit Plastikmüll nicht mehr zu übersehen - wie hier in Nairobi, Kenia. (Foto: Joerg Boethling via www.imago-images.de/imago images/Joerg Boethling)

Plastikmüll lässt sich immer leichter seinem Verursacher zuordnen. Laut einer aktuellen Studie müssen Unternehmen deshalb schon bald mit Klagen rechnen. Auch deren Versicherern drohen Risiken in Milliardenhöhe.

Von Katrin Berkenkopf, Köln

Die Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und die gesundheitlichen Folgen der Herstellung und Nutzung von Plastikprodukten kosten die Menschheit jährlich hunderte Milliarden Euro. Einen kleinen Teil davon werden künftig auch die Plastik-Hersteller und -Nutzer sowie deren Haftpflichtversicherer zahlen müssen. Davon gehen die Autoren einer neuen Studie aus. Herausgegeben hat sie die Minderoo Foundation, eine gemeinnützige Stiftung aus Australien, gemeinsam mit der UN-Initiative für eine nachhaltige Versicherungswirtschaft.

Das wachsende Umweltbewusstsein geht einher mit neuen technologischen Möglichkeiten, die Urheber von Müll zu ermitteln, argumentieren sie. Denn der technische Fortschritt ermöglicht es in immer mehr Fällen, Müll auch in kleinen Konzentrationen dem Verursacher zuzuordnen. Dadurch könnten Anwälte diese Informationen für Haftungs-Klagen gegen Plastik-Unternehmen nutzen, ganz nach dem Vorbild von bereits laufenden Klagen gegen Industrieunternehmen wegen der Klimakrise.

Die Autoren beziffern das finanzielle Risiko, das auf Wirtschaft und Versicherer zukommt, bis 2030 auf 20 Milliarden Dollar - nur in den USA. Ein großer Teil davon würde die Hersteller von Chemikalien treffen, allen voran Phtalate. Einige von diesen Weichmachern sind in der EU in Spielzeug und Babyartikeln verboten.

Sollten die Unternehmen in Haftung genommen werden, wird zumindest ein Teil der Forderungen auch bei den Haftpflichtversicherern landen. Weil sie das Risiko bislang nicht in ihre Policen eingepreist haben, droht möglicherweise sogar ein Problem mit der Solvenz, meinen die Autoren der Studie. Sie fordern deshalb von den Aufsichtsbehörden für Versicherer, hier genau hinzuschauen.

Wenn Versicherer erst einmal Plastikmüll als mögliche Schadenursache auf dem Schirm haben, müssten sie laut der Studie den Kunden mit entsprechenden Anreizen helfen, ihr Verhalten zu ändern. "Die Versicherer spielen eine entscheidende Rolle bei der Reduktion des Risikos", schreiben die Autoren. Es dauert noch etwa fünf Jahre, dann wird die Klagewelle losrollen, prophezeit Neil Beresford von der internationalen Anwaltskanzlei Clyde & Co, die an der Erstellung der Studie beteiligt war. In dieser Zeit sollten sich Gesetzgeber und Regulierungsbehörden entsprechend vorbereiten.

In Deutschland reagieren die Unternehmen gelassen auf die Studie

Die deutsche Industrie reagiert gelassen auf die Warnung. "Das Ganze ist eine Werbebroschüre der US-amerikanischen Klageindustrie", sagt Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Die Rechtssysteme seien so unterschiedlich, dass in Deutschland nicht mit vergleichbaren Klagen zu rechnen sei. Dazu passt, dass der Verband der Chemischen Industrie das Thema als Haftungsrisiko bislang nicht kennt und sich deswegen auch nicht dazu äußert. Vom American Chemistry Council kam hingegen postwendend eine Reaktion auf die Studie. Sie blieb allerdings vage, der Verband wirft den Autoren "Realitätsferne" vor.

Auch die Ursachen für das Müll-Problem sieht Verpackungsmanager Engelmann nicht in Deutschland. "Kunststoff in den Weltmeeren ist ein riesiges globales Problem, das aber hauptsächlich aus Asien stammt." Karsten Hunger, Geschäftsführer des Industrieverbandes Papier- und Folienverpackungen, will die Verbraucher stärker in die Pflicht nehmen. Als Beispiel verweist er auf Singapur, wo sich kein Müll auf den Straßen findet, weil die Strafen so drastisch hoch sind.

"Wir übernehmen schon mehr Verantwortung, als wir müssen", verteidigt Lobbyist Hunger seine Branche. Er verweist auf den Entwurf für ein "Einwegkunststofffondsgesetz". Das heißt wirklich so und ist die geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie. Danach müssten Hersteller von Einwegverpackungen künftig über den Fonds für die Entsorgung des Mülls im öffentlichen Raum zahlen.

Anwalt Neil Beresford warnt europäische Unternehmen davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. "Sie sollten das Potenzial von Rechtsstreitigkeiten in den Regionen außerhalb der USA nicht unterschätzen." Natürlich seien Phänomene wie Sammelklagen vor allem ein Thema in den USA, dafür seien andere Bereiche wie etwa die Arbeitgeberhaftung im Zusammenhang mit Gesundheitsschäden in Europa strenger geregelt.

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