Pläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen:Selbständige müssen künftig für die Rente vorsorgen

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In Deutschland gibt es immer mehr Freiberufler, aber viele sorgen nicht fürs Alter vor. Das will Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nun ändern: Selbständige sollen künftig Geld für die Rente anlegen - wer das nicht freiwillig tut, soll gezwungen werden.

Thomas Öchsner

Die Deutschen, ein Volk von Angestellten? Nicht wenn man der Statistik glaubt. Um mehr als 40 Prozent hat die Anzahl der Selbständigen in den vergangenen zwei Jahrzehnten zugenommen. Von 1990 bis 2011 ist ihre Zahl auf 4,3 Millionen Menschen gestiegen. Doch viele sorgen für das Alter oder Berufsunfähigkeit nicht ausreichend vor.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) befürchtet ein "erhöhtes Armutsrisiko" für Selbständige. Nun sollen sie verpflichtend für ihre Rente vorsorgen. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Damit will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Schluss machen. Sie will Selbständige dazu verpflichten, ihre Lücken bei der Altersvorsorge zu schließen. Wie sie das tun, soll ihnen überlassen bleiben. Wer sich nicht absichert, wird aber verpflichtet, Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Dies geht aus dem Eckpunktepapier "für eine Altersvorsorgepflicht für selbständig tätige Erwerbspersonen" des Arbeitsministeriums hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

In dem Papier wird darauf hingewiesen, dass nur eine Minderheit von Selbständigen verpflichtet sei, sich abzusichern. "Dies birgt die Gefahr eines erhöhten Armutsrisikos von Selbständigen im Alter, sofern diese nicht rechtzeitig und ausreichend Vorsorge betreiben." Bei der neuen Vorsorgepflicht sollten die Selbständigen aber "die größtmögliche Freiheit" haben. Das Ministerium plant daher großzügige Übergangsfristen - und Ausnahmen: Für Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, die in berufsständischen Versorgungswerken versichert sind, und für Mitglieder der Künstlersozialkasse gelten die neuen Regeln nicht.

Auch nebenberuflich tätige Selbständige oder diejenigen, die nicht mehr als 400 Euro im Monat verdienen, bleiben ausgenommen. Keine Vorsorgepflicht soll es für Selbständige geben, die bei Einführung des neues Gesetzes "bereits das 50. Lebensjahr vollendet haben".

Die neue Altersvorsorgepflicht soll nach Inkrafttreten stattdessen für alle gelten, die noch nicht das 30. Lebensjahr vollendet haben. Selbständige, die bereits den 30. Geburtstag gefeiert haben, müssen zumindest nachweisen, "dass sie Beiträge zu Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen zahlen oder über entsprechendes Vermögen (einschließlich Immobilienvermögen) verfügen, das eine Basisabsicherung sicherstellen kann", heißt es in dem Papier.

Ein Förderprogramm für private Versicherungen?

Unterm Strich gilt die neue Vorsorgepflicht damit uneingeschränkt für unter 30-jährige Selbständige. Sie sollen sich so absichern, dass sie eine Zusatzrente erreichen, die oberhalb der Grundsicherung im Alter liegt. Diese staatliche Leistung, sozusagen das Hartz IV für arme Rentner, liegt derzeit im Durchschnitt bei knapp 700 Euro im Monat. Das Ministerium beziffert die dafür nötigen Beiträge bei 45 Jahren Einzahlung auf 250 bis 300 Euro monatlich plus 100 Euro für eine Absicherung gegen Erwerbsminderung. Zwischen Union und FDP ist jedoch noch umstritten, ob Selbständige auch gezwungen werden sollen, für eine Erwerbsminderung vorzusorgen.

Welchen Vertrag der Selbständige abschließt, ob Lebensversicherung, private oder gesetzliche Rentenversicherung oder Rürup-Rente, bleibt ihm überlassen. Die Versicherungsansprüche dürfe nur "nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar sein". Diejenigen, die nichts nachweisen können, will von der Leyen in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichern. Die bislang etwa 260.000 bereits pflichtversicherten Selbständigen, darunter viele Handwerker, sollen bis zu einer Versicherungszeit von 18 Jahren in der Rentenversicherung pflichtversichert bleiben.

"Wenn wir es schaffen, das umzusetzen, ist dies ein riesiger sozialpolitischer Fortschritt", sagt der CDU-Rentenexperte Peter Weiß. Pläne, alle Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, waren zuvor am Widerstand der FDP gescheitert. Dies kritisieren die Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagt: Wenn alle Selbständigen künftig zwischen privater Vorsorge und gesetzlicher Rente wählen dürften, einschließlich der bislang pflichtversicherten Handwerker, untergrabe dies die Finanzierungsbasis der Rentenversicherung. "Das Ganze ist ein weiteres Förderprogramm für private Versicherungen."

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Strengmann-Kuhn, hält die Pläne für "unausgegoren". Diese schüfen "ein neues Zweiklassenrentensystem für Selbständige". Besser gestellte Selbständige könnten sich privat absichern. Diejenigen mit einem hohen Erwerbsminderungsrisiko gingen in die gesetzliche Rentenversicherung. Die höheren Kosten müsse dafür die Gemeinschaft der Versicherten tragen.

© SZ vom 21.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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