Pkw-Marke Volkswagen:Winterkorn verdonnert VW zu radikalem Sparkurs

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Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn verdonnert die Pkw-Tochter zu einem radikalen Sparkurs. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

Mit einer Brandrede schwört Konzernchef Martin Winterkorn Volkswagen aufs Sparen ein. Die Kosten der Marke sollen um fünf Milliarden Euro sinken - pro Jahr. Die Belegschaft ist alarmiert.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Lange hat Martin Winterkorn zugeschaut, wie die Pkw-Tochter VW immer mehr Autos verkauft, aber viel zu niedrige Gewinne einfährt. Damit soll nun Schluss sein. In einer Brandrede hat der mächtige Konzernchef seine Top-Manager zum Sparen verdonnert. Die Marke - sie verkauft Modelle wie Golf und Passat - soll bis 2017 fünf Milliarden Euro pro Jahr sparen und eine operative Rendite von sechs Prozent erwirtschaften, forderte der 67-Jährige am Montagabend vor mehr als 1000 Führungskräften in Wolfsburg.

Die Lage sei ernst: Wenn der Konzern so weitermacht wie bisher, könnte der große Traum platzen: Bis 2018 will Europas größer Autobauer an Toyota und General Motors vorbei an die Weltspitze vorrücken.

Momentan ist VW davon weit entfernt. Und so tadelte Winterkorn die fehlende Ertragskraft so offen wie selten zuvor. "Seien wir ehrlich: Wir haben in der Produktivität gegenüber den Kernwettbewerbern unverändert erheblichen Nachholbedarf." Es sei an der Zeit, Kostendisziplin und Rendite stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist ein Weckruf so laut, dass er wohl die meisten der 573 000 Mitarbeiter erreicht hat.

Bisher wurde VW-Pkw eher geschont

Die Bilanz der Marke ist tatsächlich mager, dabei ist sie der Kern von Deutschlands größtem Unternehmen. Sie steht für knapp die Hälfte des jährlichen Umsatzes von zuletzt 197 Milliarden Euro. Doch sie bringt weit weniger ein als Schwestermarken wie Audi und Porsche.

2013 betrug die Rendite von VW-Pkw - ohne das getrennt bilanzierte China-Geschäft - vor Zinsen und Steuern nur 2,9 Prozent. Von Januar bis März ist sie weiter geschrumpft, auf 1,8 Prozent. Zu wenig im Vergleich zu Rivalen: Toyota hat zuletzt mit 8,5 Prozent Rendite geglänzt. Winterkorn will daher die Reißleine ziehen. "Deshalb gilt es jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die deutlich, wirksam und auch schmerzhaft sind."

Doch fünf Milliarden sparen jedes Jahr? In nur drei Jahren - wie soll das gehen? Fest steht: Bisher wurde VW-Pkw eher geschont und das hat mehrere Gründe: Die Kosten sind derzeit hoch, weil VW die Produktion umgestellt hat. Das neue Zauberwort heißt: modularer Querbaukasten. Bei diesem Baukasten sind Achsen und Einheit aus Motor und Getriebe so ausgelegt, dass sie nicht nur für ein Modell passen, sondern für mehrere Modelle mehrerer Marken. Ob Golf, Audi A3 oder Škoda Octavia: Bis 2016 will VW vier Millionen Autos darauf bauen. Durch die vielen Gleichteile sollen Stückkosten sinken und Gesamtkosten um ein Fünftel schrumpfen.

Winterkorn fährt die Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie

Klingt gut, ist aber teuer bei der Einführung. Einen Großteil dieser Kosten muss die Marke VW schultern, obwohl auch Audi und Škoda davon profitieren. Zudem ist die Marke VW mit ihren Massenautos vorne dabei, wenn neue Märkte erschlossen werden. In Indien etwa wird der Polo verkauft, in den USA der US-Passat. Doch wenn es in solchen Ländern für VW so schlecht läuft wie zuletzt, schlägt sich das auch in der Ertragskraft nieder.

Warum also hat Winterkorn die Schonfrist schneller beendet, als mancher dachte? Das hat wohl auch mit dem strategischen Verkaufen von guten und schlechten Nachrichten zu tun. Man könnte auch sagen : Zuckerbrot und Peitsche. So hatte VW erst einmal kräftig geglänzt. Damit, dass der achte Passat seine Weltpremiere hat und das Werk Emden auslastet. Damit, dass Winterkorn während der China-Reise mit Kanzlerin Angela Merkel zwei neue Werke in der Volksrepublik ankündigt. Damit, dass ein neuer schwerer Geländewagen in den USA gebaut wird und die Amerikaner für VW begeistern soll.

Am Montagabend folgten dann die schlechten Nachrichten vom Sparkurs und eine harte Analyse: Die größten Kostentreiber bei VW seien die seit 2010 um 80 Prozent gekletterten Forschungs- und Entwicklungskosten, rügte der Konzernchef. Sie müssten sinken, damit die Produktivität steigt.

Das schwierigste Thema meidet Winterkorn

Auch der Einkauf soll sparen und das kann ungemütlich werden. Ein Beispiel: Winterkorn regte an, dass die hauseigenen Komponentenwerke weniger produzieren, wenn Lieferanten billiger sind. Klingt schlicht, ist aber intern ein Tabubruch. Ein Thema hat Winterkorn gemieden. Es soll keinen Abbau von Arbeitsplätzen geben. Zumindest hat er das nicht gesagt.

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Das hat auch mit der starken Stellung der IG Metall und den Betriebsräten bei VW zu tun. Und die haben Winterkorn am Dienstag eine Grenze aufgezeigt. Es sei richtig, die Rendite-Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren, sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh. Zugeständnissen aus der Belegschaft erteilte er eine Absage: "Einschnitte bei tarifvertraglichen Leistungen wird es mit uns nicht geben." Die Arbeitskosten in den Werken lägen auf Wettbewerbsniveau. Vielmehr müsse das Management eigene Fehler beheben, etwa "die fehlerhafte Aufstellung und mangelnde Verfügbarkeit der Produktionsanlagen".

© SZ vom 16.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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