Griechenland:Verzichten, um zu gewinnen

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Europäer pumpen viel Geld nach Griechenland - und finanzieren eher die Kapitalflucht als das Land selbst. Zwei Experten haben eine Idee, wie es besser laufen könnte.

Kolumne von Nikolaus Piper

Einer der vielen frustrierenden Aspekte des griechischen Dramas ist dessen Unverhältnismäßigkeit. Sollte das dritte Hilfspaket durchgehen, dann werden die Europäer 332 Milliarden Euro an Krediten mobilisiert haben, aber kaum etwas davon kommt den Griechen direkt zugute. Erst wurden deutsche und französische Banken gerettet, jetzt, nachdem die Griechen ihre Konten leer geräumt haben, sind die griechischen Banken dran. Böse formuliert: Die Europäer finanzieren die griechische Kapitalflucht, aber nicht das Land selbst.

Jetzt haben zwei Experten eine Idee vorgelegt, die einen Weg aus dieser Falle weisen könnte. Lee C. Buchheit, Anwalt aus New York, und G. Mitu Gulati, Rechtsprofessor an der Duke-Universität (Durham, North Carolina) veröffentlichten ein Papier, in dem sie einen "Gezielten Rangrücktritt" ("Targeted Subordination") der öffentlichen Gläubiger vorschlagen. Die Gläubiger, vor allem also die Teilnehmer am Euro-Rettungsschirm, sollen zurücktreten, um Griechenland wieder Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen und private Investoren anzulocken.

Gulati und Buchheit sind in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, in der kleinen Gemeinde derer, die sich berufsmäßig mit Staatsbankrotten befassen, gelten sie als Superstars. Sie haben schon viele Schuldnerstaaten beraten, Lateinamerika, Island und sogar Griechenland. Die New York Times bezeichnete Buchheit einmal als "Philosophenkönig" der Schuldneranwälte. Dessen Büro liegt, sehr beziehungsreich, am Zuccotti-Park in Manhattan, auf dem 2011 das Spektakel "Occupy Wall Street" stattfand.

"Gezielter Rangrücktritt" - so etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Es ist kein Schuldenschnitt, es ist auch keine Ausfallgarantie, es bedeutet nur, dass dann, falls Griechenland doch pleitegehen sollte, private Investoren in neuen Anleihen vorrangig bedient werden. Gulati und Buchheit machen sich keine Illusionen hinsichtlich der Attraktivität ihrer Idee für die EU-Partner. Diese würden sich beim "Rangrücktritt" wohl so verhalten "wie Dracula im Angesicht eines Kruzifix", heißt es in dem Papier. Dessen "einziger Charme" liege darin, dass die einzigen denkbaren Alternativen - den Schuldendienst immer weiter in die Zukunft verschieben oder den Staatsbankrott riskieren - noch schlechter sind.

Auch für die griechische Regierung ist das Modell nicht schön. Sie müsste Projekte, die sie mit neuen Anleihen finanziert, von den EU-Partnern genehmigen lassen (daher "gezielter" Rangrücktritt). Und sie müsste weiter Sparpolitik betreiben, denn auch private Investoren wollen ja irgendwann ihr Geld wiedersehen. In letzter Konsequenz entwerfen Gulati und Buchheit einen Deal: Die EU-Staaten nehmen Banken, Hedgefonds und anderen einen Teil der Risiken ab, sofern sie neu in Griechenland investieren, Athen bemüht sich, attraktiv für die Investoren zu sein.

Die entscheidende Frage ist, ob die politische Ökonomie des Deals funktioniert. Der Instinkt in Berlin, Helsinki oder Den Haag wird sagen: Ausgerechnet privaten Investoren sollen wir das Geld hinterhertragen? Schließlich war es der private Kapitalmarkt, der vor 2007 den fatalen Boom finanzierte, mit dem die Katastrophe überhaupt erst begann. Regierungschef Alexis Tsipras müsste weiterhin seine Wahlversprechen brechen und Austerität betreiben. Nur: Ohne privates Kapital wird Griechenland auf Jahrzehnte Mündel der EU-Staaten bleiben. Angesichts dieser Perspektive lohnt es sich schon, unbequeme Ideen genauer anzusehen.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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