Pharma-Unternehmer in Not:Merckle rennt die Zeit davon

Lesezeit: 2 min

Der schwäbische Milliardär Adolf Merckle muss Ratiopharm wohl verkaufen - das Land will ihm keine Bürgschaft geben.

Martin Hesse

Das Überleben der VEM Vermögensverwaltung hängt offenbar am seidenen Faden. Bis zum Montagnachmittag konnten sich die Gläubigerbanken der Holding des Milliardärs Adolf Merckle mit dem Ulmer Unternehmer nicht auf einen Weg aus der finanziellen Notlage einigen.

"Es gibt keine Bürgschaft des Landes für das Haus Merckle" - sagt der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister. (Foto: Foto: dpa)

An diesem Dienstag um Mitternacht endet ein Stillhalteabkommen der Banken. "Es geht um alles oder nichts. Wenn es keine Einigung gibt, ist die Holding insolvent", sagte ein mit den Verhandlungen vertrauter Banker.

Sorge vor Insolvenz

Eine VEM-Sprecherin sagte, es werde noch verhandelt. Im Gespräch ist offenbar auch eine Verlängerung des Stillhalteabkommens, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Auf Seiten der Banken werden die Verhandlungen von der Landesbank Baden-Württemberg, der Commerzbank, der Deutschen Bank und der Royal Bank of Scotland geführt.

Merckle hatte auf einen Kursverfall der Volkswagen-Aktie spekuliert und damit hohe Verluste erlitten. Sie werden auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Dazu kommen jedoch andere Verbindlichkeiten. Insgesamt wird der akute Kapitalbedarf auf eine Milliarde Euro taxiert.

Die 40 Gläubigerbanken hatten nach Bekanntwerden der VW-Verluste zusätzliche Sicherheiten für ihre Kredite an Merckles Firmenimperium verlangt, da zugleich der Wert von Merckles Unternehmen durch die Finanzkrise drastisch gefallen war. Erst als der Unternehmer sich bereit erklärte, mit einem Teil seines Privatvermögens zu bürgen, räumten die Banken eine zweiwöchige Stillhaltefrist ein.

VEM ist unter anderem die Muttergesellschaft des Generika-Konzerns Ratiopharm. Außerdem gehören der Pharmagroßhändler Phoenix, der Zementhersteller Heidelberg-Cement und der Spezialfahrzeughersteller Kässbohrer zu Merckles Imperium, in dem mehr als 100000 Menschen beschäftigt sind. Was eine Pleite der VEM für die übrigen Unternehmen bedeuten würde, ist noch unklar.

Vielfältig verflochten

Die Firmen der Gruppe sind auf vielfältige Weise miteinander verflochten. Beispielsweise unterhält Merckle eine weitere Beteiligungsholding, die Kötitzer Ledertuch-und Wachstuch-Werke AG, die über die Firma Spohn Cement den Heidelberg-Cement-Konzern kontrolliert.

Auch bei der Kötitzer sind laut Quartalsbericht zuletzt mehr als 200 Millionen Euro Verlust aufgelaufen. An der Kötitzer ist wiederum VEM indirekt beteiligt und hat deren Engagement bei Heidelberg-Cement mit Krediten unterstützt. Bei dem Zementhersteller ist die Schuldensituation besonders prekär, seit er 2007 die Übernahme der britischen Hanson-Gruppe mit Krediten finanziert hatte.

Merckle verhandelt nun mit den Banken über den Verkauf einer oder mehrerer Firmen. "Mein Eindruck ist, dass es zu einem Verkauf von Ratiopharm kommen kann", sagte am Montag der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP).

Dem Wunsch Merckles nach einer Landesbürgschaft erteilte Pfister eine Absage: "Es gibt keine Bürgschaft des Landes für das Haus Merckle." Merckle soll um 150 Millionen Euro nachgefragt haben. Diese Summe wollte Pfister nicht bestätigen, er sprach aber von einer dreistelligen Millionensumme.

An Ratiopharm sollen nach Angaben aus Finanzkreisen mehrere Pharmakonzerne interessiert sein, darunter die israelische Teva, die französische Sanofi-Aventis sowie amerikanische Konkurrenten. Ein rascher Verkauf gilt aber ebenso wie bei anderen Merckle-Firmen wie Phoenix als unwahrscheinlich.

Deshalb müssten sich Banken finden, die eine Zwischenfinanzierung stellen, bis der Verkauf über die Bühne ist. Dafür verlangten die Kreditgeber neue Sicherheiten, heißt es in Verhandlungskreisen. Da jedoch die VEM-Tochtergesellschaften bereits größtenteils an Banken verpfändet sind, gestaltet sich die Suche nach einer solchen Zwischenlösung schwierig.

© SZ vom 02.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: